Erzgebirge Aue baut auf die Tradition aus alten DDR-Zeiten und die Bergbaumentlität der Menschen in der Region. Jetzt träumt man vom Aufstieg.

München - Ist es denkbar, dass ein kleines Arbeiterstädtchen aus dem Erzgebirge fast seine komplette Einwohnerschaft in ein Fußballstadion packt?

Und sie dort "Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt" skandieren lässt und damit die ortsansässigen Kicker zu einer fulminaten Siegesserie gegen altehrwürdige Profiklubs führt?

Es ist unwahrscheinlich, aber denkbar ist es schon. Doch "alles Denkbare ist machbar" - so jedenfalls lautet der Slogan von Uwe Leonhardt, sächsischer Unternehmer und im "Nebenberuf" Präsident des FC Erzgebirge Aue.

Und dass das Denkbare in der Tat machbar ist, stellt seine Mannschaft nun schon seit einigen Jahren in der Zweiten Liga unter Beweis. Unter der Regie von Cheftrainer Gerd Schädlich gelang Aue 2003 der Aufstieg aus der Regionalliga Nord.

Symbol des Aufschwungs

Seither ärgert die mit 18.000 Einwohnern kleinste Stadt im deutschen Profifussball dort regelmäßig die "Großen":

Im ersten Jahr belegten die "Veilchen" einen beachtlichen achten Rang, in den folgenden Spielzeiten wurde Aue sogar zweimal in Folge Siebter - und damit zum sportlichen Symbol des Aufschwungs in einer durch den Zusammenbruch des Uran-Bergbaus arg gebeutelten Region.

Aue auf dem Weg zum Kultstatus

Fußballfieber gepaart mit einem Schuss trotziger (N)ostalgie - so ließe sich der eigentümliche Charme wohl am ehesten beschreiben, mit dem der FC Erzgebirge Aue sich zusehends eine Art Kultstatus im deutschen Fußball erarbeitet.

"Wir kommen aus der Tiefe, wir kommen aus dem Schacht - Wismut Aue, die neue Fußball-Macht."

Bergmanns-Geist noch immer lebendig

Der Schlachtruf der "Veilchen" und das Steigerlied, mit dem die Fans ihre Mannschaft bei jedem Heimspiel begrüßen, macht deutlich: Im Lößnitztal ist der Bergmanns-Geist noch immer lebendig, auch wenn die Stollen längst stillgelegt sind.

Der ehemalige Werksklub der SDAG Wismut - einem sowjetisch-deutschem Uran-Bergbauunternehmen - gefällt sich in der Rolle des Underdogs.

Schädlich kann sich den Höhenflug nicht erklären

In dieser Saison lässt die sportliche Entwicklung die Anhänger vom ganz großen Wurf träumen. Nach 15 Spieltagen liegt Aue auf Platz fünf, nur zwei Punkte hinter einem Aufstiegsrang.

"Wir wären doch dumm, wenn wir uns nicht oben festsetzen wollten", gibt sich Uwe Leonhardt gewohnt trotzig: "Die Konkurrenz ist extrem stark, aber wir auch. Das kann man nach dieser Siegesserie nicht mehr wegwischen."

Trainer Gerd Schädlich kann sich den Höhenflug nicht erklären. "Es gibt im Fußball immer wieder diese Phasen. Mal läuft es gut, mal schlecht. Ich habe in meiner täglichen Arbeit mit der Mannschaft nichts verändert. Aber plötzlich gewinnen die Jungs fünf Spiele in Folge", sagte Schädlich Sport1.de .

Ziel Klassenerhalt wird nicht verändert

Der Sieg in Köln (1:0) Anfang November sei eine Initialzündung gewesen, so Schädlich. "Seit diesem Spiel stehen wir in der Abwehr viel kompakter. Allerdings müssen wir unser Offensivspiel verbessern. Wir spielen uns zu wenige Chancen heraus", kritisierte der 53-Jährige.

Das Ziel Klassenerhalt will Schädlich (noch) nicht verändern. "Natürlich werden die Leute bei uns jetzt langsam kribbelig. Wenn wir jetzt den 30. Spieltag hätten, könnten wir vielleicht vom Aufstieg reden. Aber wir haben noch zwei schwere Spiele vor der Brust. Lasst uns besonnen bleiben", mahnt der Coach.

Und dennoch: Ein kleines Arbeiterstädtchen aus dem Erzgebirge in der Bundesliga? Das klingt denkbar, aber unwahrscheinlich. Doch träumen ist erlaubt - und schließlich gilt: Alles Denkbare ist machbar.

Stefan Moser/Thomas Gaber