Bei der 1:7-Klatsche von Barcelona, der höchsten Niederlage in der K.o.-Runde der Champions League, grüßt Bayer wieder aus der Komfortzone.

Barcelona. Rückblickend war es eine der größten Leistungen Bruno Labbadias als Trainer von Bayer Leverkusen. Entnervt von der augenscheinlichen Bequemlichkeit, in der sich seine Kicker unterm Bayer-Kreuz einzunisten gedachten, führte der als akribischer Arbeiter bekannte Fußballlehrer einst das Bonmot der "Leverkusener Komfortzone" ein.

Zweieinhalb Jahre später führt Labbadia nach der Zwischenstation Hamburg längst in Stuttgart Regie, doch sein geflügeltes Wort aus rheinischen Zeiten scheint zutreffender denn je. Denn das 1:7 von Barcelona - zweifelsohne eine der besten, wenn nicht gar die beste Klubmannschaft der Welt - legt den Leverkusener Mangel an Einstellung schonungslos offen.

"Etwas ärgern" wollte Bayer-Stürmer Stefan Kießling den schon im Vorfeld scheinbar als übermächtig akzeptierten Kontrahenten. Von diesem Vorsatz war der Tabellenvierte der Bundesliga im Camp Nou so weit entfernt wie der HSV von der Champions-League-Qualifikation.

Schon im Hinspiel gab der Bundesligaklub aus Nordrhein-Westfalen ein fragwürdiges Bild ab, als sich in der Halbzeitpause die Spieler Manuel Friedrich und Michal Kadlec kindergartenreif um das Leibchen von Weltfußballer Lionel Messi duellierten . Im Rückspiel steigerte sich die Ehrfurcht vor dem argentinischen Dribbelkünstler schließlich ins Unermessliche.

Nicht nur bei den fünf Toren - Rekord in der zwanzigjährigen Geschichte der Champions League - ließen die Spieler von Trainer Robin Dutt Barcelonas Nummer Zehn freundlich gewähren. Insgesamt war von deutscher Seite so gut wie kein Aufbäumen gegen die nach Belieben wirbelnden Katalanen erkennbar.

+++ Das Spiel im Liveticker +++

Den Trost, dass man gegen Messi & Co schon einmal verlieren dürfe, hat sich Leverkusen auf diese Weise nicht verdient. Dabei hätte sich Bayer die peinliche Lehrstunde durchaus ersparen können, wäre die Werkself nicht schon im letzten Gruppenspiel beim ausgeschiedenen belgischen Vertreter Genk ihrem eigenen Phlegma zum Opfer gefallen.

Mit Ach und Krach reichte es damals zu einem Unentschieden. Hätte sich Leverkusen von Beginn an zusammengerissen, wäre ein Sieg des Spiels und damit auch der Gruppe möglich gewesen - Barcelona hätte im Achtelfinale einen anderen Klub gedemütigt. Oder auch nicht.

Denn dass man sich von Barca nicht zwangsläufig abschlachten muss, haben schon international weitaus weniger renommierte Vereine als der ehemalige Champions-League-Finalist aus Leverkusen bewiesen. Auch Bayer selbst hat gegen die Katalanen schon einigermaßen erträglichere Auftritte zu Stande gebracht - und das sogar in der Katastrophensaison 2002/03, in der die in der Liga dem Abstieg entgegen taumelnden Werkskicker die Königsklasse bewusst abschenkten, aber gegen Barca "nur" 1:2 und 0:2 verloren.

+++ Betriebsausflug nach Barcelona: Für Bayer geht es nur um die Ehre +++

So bleibt festzuhalten, dass Leverkusen am 7. März 2012 in Barcelona streng genommen nicht nur sich selbst, sondern auch den FC Bayern München blamiert hat. Denn an der Säbener Straße dürften Rummenigge, Hoeneß & Co vor Scham im Boden versinken, gegen ein- und dieselbe Bayer-Elf nur wenige Tage zuvor 0:2 verloren zu haben.

Ob Dutts Spieler nun für den Ligaalltag die Komfortzone wieder verlassen, dürfte auch wesentlich von den Reaktionen und Vorgaben der Verantwortlichen abhängen. Doch Sportchef Rudi Völler, so steht zu befürchten, könnte mit seinem in hübscher Regelmäßigkeit aufflammendem Jähzorn die Mannschaft wohl auch nicht mehr allzu lange erreichen.

Der Bayer-Konzern hat viel Aufwand betrieben, um das Image seiner sportlichen Vorzeigeabteilung aufzupolieren. Viel Geld wurde in die "Werkself"-Kampagne gesteckt. Doch angesichts solcher Leistungen wie gegen Barcelona in der Champions League dürften sich unter Fußballfans im Zusammenhang mit Bayer 04 Leverkusen auf lange Sicht eher das Bild der Komfortzone und das Synonym "Vizekusen" festsetzen.

Statistik

Barcelona: : 1 Valdes - 2 Dani Alves, 3 Pique, 14 Mascherano, 21 Adriano (63. Muniesa) - 6 Xavi (53. Keita), 16 Busquets, 8 Iniesta (53. Tello) - 17 Pedro, 4 Fabregas, 10 Messi. - Trainer: Guardiola

Leverkusen: 23 Leno - 27 Castro, 2 Schwaab, 21 Toprak, 24 Kadlec - 6 Rolfes, 3 Reinartz - 8 Lars Bender (55. Schürrle), 10 Renato Augusto (67. Oczipca) - 19 Derdiyok (55. Bellarabi), 11 Kießling. - Trainer: Dutt

Schiedsrichter: Svein Oddvar Moen (Norwegen)

Zuschauer: 50.000

Tore: 1:0 Messi (25.), 2:0 Messi (43.), 3:0 Messi (50.), 4:0 Tello (56.), 5:0 Messi (58.), 6:0 Tello (62.), 7:0 Messi (82.), 7:1 Bellarabi (90.)