Sotschi. Als Trainerpraktikant stellt der Rekordtorschütze jetzt Hütchen für Jogi Löw auf. Mit Begeisterung.

Miroslav Klose steht allein auf dem Trainingsplatz. Vom Vergnügungspark nebenan sind die Schreie der Adrenalinjunkies zu hören. Klose, schwarze Schuhe, kurze Trainingshose, T-Shirt mit dem Adler drauf, schaut hoch und lauscht. Dann macht sich der 39-Jährige an seine Arbeit. Deutschlands WM-Rekordtorschütze (16 Treffer) markiert ein Feld. Ein Schritt, zwei, drei – Hütchen. Eins, zwei, drei – Hütchen. So geht das eine ganze Weile. Er achtet peinlich genau darauf, dass die Abstände passen. Perfekt soll alles sein, wenn Joachim Löw und die Mannschaft ihre Arbeit aufnehmen. Der größte deutsche Star beim Confed Cup, der so viele Länderspiele auf dem Buckel hat (137) wie das gesamte Team, als Hütchenaufsteller? Der Weltmeister und Rekordtorschütze (71 Länderspieltreffer) als Hilfsarbeiter, der den Jung-Nationalspielern das Leben auf dem Trainingsplatz so angenehm macht wie nur möglich?

Hamburger Abendblatt: Herr Klose, haben Sie Ihre Spielerkarriere wirklich völlig abgehakt? Oder kribbelt es noch ab und zu im rechten Zeh, wenn der Ball auf Sie zurollt?

Miroslav Klose: Nein, es kribbelt nicht mehr. Das Kapitel ist für mich vorbei.

Wie viel Spaß macht Ihnen der Trainerjob an der Seite von Joachim Löw?

Klose: Die Rolle, die ich hier einnehme, macht mir super viel Spaß. Ich tausche mich ständig mit Jogi und den anderen Trainern aus. Die Spieler ziehen toll mit. Es passt perfekt. Danke der Nachfrage.

Als Trainer-Praktikant müssen Sie plötzlich viel arbeiten …

Klose: Da haben Sie recht (schmunzelt). Wir haben viele Sitzungen, in denen wir die Spiele aufarbeiten. Dann beginnt bereits die Vorbereitung auf den nächsten Gegner. Schließlich planen wir zusammen das anstehende Training. Da kommt man schön ins Schwitzen.

Sehen Sie sich auch in der Zukunft in der Rolle als Trainer?

Klose: Ja. Absolut. Das wird mein Weg sein.

Sie galten als Inbegriff des fairen Superstars, der trotz seiner Rekorde und Erfolge die Bodenhaftung nie verlor. Wie erleben Sie den Hype um die aktuelle Spielergeneration? Was geben Sie den Spielern mit auf den Weg?

Klose: Ich sage ihnen: Bleibt mit beiden Beinen auf den Boden. Aber ich kann Ihnen hier an dieser Stelle versichern: Die Spieler sind trotz des Hypes um sie total geerdet. Sie setzen das um, was wir ihnen auf den Weg geben, sie sind lernbegierig und hungrig.

Timo Werner ist 21 Jahre alt, spielt Champions-League, gehört bereits zum Kreis der Nationalmannschaft. Im heutigen Fußball geht es rasend schnell. Als Sie 20 Jahre alt waren, stürmten Sie noch in der pfälzischen Provinz beim SG Blaubach Diedelkopf …

Klose: Ich glaube, da habe ich gerade meine Zimmermanns-Lehre absolviert ….

Sie schafften den Durchbruch, als Sie mit 22 Jahren nach Kaiserslautern wechselten. Heute werden die Spieler bereits mit 17, 18 Jahren in den großen Fußball geworfen. Woran liegt das?

Klose: Sie erhalten eine großartige Ausbildung in den Internaten. Dadurch sind sie bereits mit 16, 17 Jahren so weit in ihrer Entwicklung wie ich damals mit 22 Jahren.

Besteht nicht die Gefahr, dass diese Spieler früher ausgebrannt sind?

Klose: Das glaube ich auf jeden Fall. Die Generation um Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm und Per Mertesacker hat die Karriere um die 33 beendet. Die Generation von Mario Götze, die bereits mit 16 ihre Laufbahn begann, hört bereits um die 30 auf. Aber sie haben dann ja bereits 14 Jahre Profifußball auf dem Buckel.

Also wird man in Zukunft keinen Claudio Pizarro mehr sehen, der mit 38 Jahren noch Bundesliga spielt?

Klose: Ja. Das wird es so nicht mehr geben. Nach 14 Jahren im Profifußball wird es immer schwerer. Die Reisen mit der Mannschaft, ständig von Hotel zu Hotel hoppen – das macht dich im Kopf kaputt.

Haben Sie hier beim Confed Cup in Russland Einfluss auf die Aufstellung?

Klose: Natürlich bringe ich mich dabei ein, sonst wäre ich nicht hier. Das Maskottchen spiele ich nicht.

Sie kannten Joachim Löw jahrelang aus der Spielerperspektive. Nun erleben Sie ihn aus der Perspektive eines Trainers, der lernen möchte. Können Sie einen Vergleich ziehen?

Klose: Als Spieler habe ich mich immer gefragt: Wie macht er das? Woher hat der Bundestrainer dieses Wissen? Aber jetzt weiß ich, wie akribisch Löw arbeitet, wie detailversessen er ist, welche Gedanken er sich macht. Davon profitiere ich. Das ist eine Erfahrung, die Gold wert ist.

Bleiben Sie bis zur WM im kommenden Jahr dabei?

Klose: Wir setzen uns nach dem Confed Cup zusammen und besprechen es. Aber ich würde es mir wünschen, das wäre fantastisch.

Hat Joachim Löw sich in den 13 Jahren, in denen Sie ihn kennen, verändert?

Klose: Die Hauptveränderung ist, dass er sich nicht verändert hat. Er will sich immer verbessern, immer wieder erneuern. Er ist ein harter Arbeiter. Bei ihm ist es nicht so, dass er sagt: Ich gehe jetzt erst einmal einen Espresso trinken. Nein, zuerst kommt bei ihm der Job, dann erst der Kaffee.

Was ist jetzt für die deutsche Mannschaft nach dem Überstehen der Gruppenphase noch drin?

Klose: Wir wollen jetzt natürlich ins Finale, das ist doch klar.

Wie stark erwarten Sie Mexiko um den Leverkusener Torjäger Chicharito?

Klose: Darüber mache ich mir keine Gedanken.

Das erste Halbfinale des Confed Cups bestreiten am heutigen Mittwoch (20 Uhr, ARD) Europameister Portugal und Südamerikameister Chile.