Liverpool/Frankfurt/Los Angeles. In 395 Tagen hat der deutsche Trainer die “Reds“ vom Langweiler zur Hauptattraktion der Premier League umgewandelt. Nun kommt der Lohn.

Der Champagner-Fußball seiner "Ballermänner" berauschte auch Jürgen Klopp sichtlich, die erstmalige Tabellenführung mit dem FC Liverpool aber war für den Teammanager der Reds eher nebensächlich. "Es tut mir ja wirklich leid", sagte Klopp nach dem furiosen 6:1 (3:0)-Sieg gegen den FC Watford, "aber wenn jemand meint, das hätte wegweisenden Charakter, kann ich nicht helfen."

Klopp musste sich zurückhaltend äußern, und irgendwie hatte er mit seiner Einschätzung ja auch recht. Dass Liverpool nach elf Spieltagen und damit erstmals seit Mai 2014 die Premier League wieder anführt, ist tatsächlich (noch) nicht mehr als eine Momentaufnahme. Der FC Chelsea liegt schließlich nur einen Zähler dahinter, auch der große Titelfavorit Manchester City mit dem Star-Trainer Pep Guardiola und der FC Arsenal haben nur zwei Punkte Rückstand.

Die Presse lobt Klopps Liverpool

Die Art und Weise allerdings, mit der das Klopp-Team an die Spitze stürmte, dürfte auch den deutschen Heilsbringer zuversichtlich gestimmt haben. Nicht umsonst sprach Klopp später von einer "absolut guten Leistung" an einem "perfekten Nachmittag", an dem "Selbstvertrauen, Qualität und Einstellung" die gewinnbringenden Faktoren gewesen waren.

Und sollten die "Rampant Reds" (Mirror), also die zügellosen Liverpooler, auch künftig derart dominant auftreten und ihre Serie von nun schon neun Spielen ohne Niederlage weiter ausbauen, könnte der Platz an der Sonne zur Gewohnheit werden. Dank brillanter Ball-Zauberer wie Roberto Firmino oder Philippe Coutinho. Vor allem aber dank Jürgen Klopp.

Karius bedankt sich bei Klopp

"Es macht große Freude, mit ihm zu arbeiten", sagte der deutsche Stammtorhüter Loris Karius. "Ich bin dankbar, dass er mir nach meiner Verletzung sofort wieder das Vertrauen gegeben und mich zur Nummer 1 gemacht hat. Das will ich jetzt mit Leistung zurückzahlen", sagte die ehemalige Mainzer Nummer eins.

Die Tabellenführung ist für Karius kein Zufallsprodukt. "Im Moment blicken wir natürlich sehr gerne auf die Tabelle. Wir haben seit der zweiten Runde nicht mehr verloren und stehen daher verdient oben", äußerte der 23-Jährige: "Mehr als eine schöne Momentaufnahme ist es aber nicht, dafür ist es noch zu früh in der Saison und die Konkurrenz zu stark." Doch wenn sein Team "konzentriert und effektiv weiterarbeitet, dann können wir bis zum Schluss ganz vorne mitmischen".

Auch Gündogan lobt Klopp noch einmal

Lobe für Klopp hatte auch Ilkay Gündogan parat. "Wir wissen alle, was für ein exzellenter Trainer er ist und wie erfolgreich er sein kann. Er ist fantastisch und eine große Persönlichkeit", sagte der Nationalspieler, der Klopp aus der gemeinsamen Zeit bei Borussia Dortmund bestens kennt.

"Jürgen macht extrem gute Arbeit. Zudem hat er den Vorteil, nicht im internationalen Geschäft dabei zu sein. Dadurch hat er ein paar Tage mehr Vorbereitungszeit", sagte Gündogan, der nun mit Manchester City versucht, "Jürgen nicht so erfolgreich zu machen." Ob das gelingen wird?

Vom Langweiler zur Hauptattraktion

Klopp scheint in der Vorbereitung die richtige Taktik zu wählen, in der Kabine die richten Worte zu sprechen und so seine Mannschaft perfekt einzustellen. Binnen 395 Tagen hat er die Reds so vom zehnten Platz an die Spitze geführt, aber, viel wichtiger: Von einer langweiligen Truppe zur spektakulären Hauptattraktion der schillernden Premier League transformiert. "Dieser Kerl scheint zu wissen, was er tut", urteilte Englands Fußball-Legende Gary Lineker bei Twitter.

Die Partie gegen Watford, als Tabellenachter beileibe kein Kanonenfutter, bestärkte die Experten in ihrer Einschätzung. Noch vor den Treffern von Sadio Mané (27./61.), Coutinho (30.), Emre Can (43.) Firmino (57.) und Georginio Wijnaldum (90.+1) hätten die Reds klar in Führung liegen können.

Watfords Teammanager Walter Mazzari schwärmte, dass Liverpool "mich von den Teams, gegen die wir bisher gespielt haben, am meisten beeindruckt hat." Chelsea, Arsenal oder Manchester United besaßen zwar alle ihre Klasse, "aber wenn Liverpool so weiter spielt, sind sie mein Top-Kandidat für den Meistertitel."

Holt Klopp Gerrard zurück?

Und Klopp hat sogar noch einige Asse im Ärmel. Club-Legende Steven Gerrard könnte nach seinem Play-off-Aus mit den Los Angeles Galaxy in der amerikanischen Major League Soccer (MLS) zum Coachingteam stoßen. Gerrards Vertrag in Nordamerika läuft nun aus, eine Verlängerung gilt als unwahrscheinlich. Klopp hat stattdessen bereits eine mögliche Rückkehr nach Liverpool angedeutet: „Keiner sollte überrascht sein, wenn wir einen Platz für Stevie finden werden.“ Gerrard war in 2015 nach 17 Jahren und 708 Pflichtspielen für Liverpool in die USA gewechselt.

Doch auch ohne die einstige Identifikationsfigur haben die Reds offenbar das Limit noch lange nicht erreicht. "Wir befinden und im Aufbau und können noch viel verbessern", sagte Klopp. Es klang wie eine Drohung.