Nationalmannschaft: Joachim Löw muss sich entscheiden. Was für Jerome Boateng und was für Manuel Neuer spricht. Stimmen Sie ab!

Warum Jérôme Boateng Kapitän werden muss

Die Europameisterschaft hat gezeigt, dass Jérôme Boateng ein Anführer in der Nationalmannschaft ist. Mit oder ohne Kapitänsbinde. Der Abwehrchef des FC Bayern München geht voran, strotzt nur so vor Ehrgeiz und präsentiert sich mittlerweile auf und neben dem Platz diszipliniert. Vorbei sind die Zeiten, in denen Boateng aufgrund seiner lethargischen Spielweise für den einen oder anderen Lapsus gut war. Der 27-Jährige ist gereift und scheut sich auch nicht davor, die eigenen Mitspieler zurechtzuweisen, wenn es mal nicht läuft.

Solch ein Typ, dem man das an der Körpersprache abliest, ist der natürliche Leader für eine Nationalmannschaft im Umbruch vom Weltmeister zum hoffentlichen Titelverteidiger. Das bekam auch Thomas Müller zu spüren, als er im EM-Gruppenspiel gegen Polen nicht konsequent genug verteidigte, wodurch Boateng in Not geriet und Robert Lewandowski nur durch ein taktisches Foul kurz vor dem Strafraum aufhalten konnte. Müller bekam umgehend Boatengs berechtigten Zorn zu spüren und widersprach nicht mal.

Nach der Partie redete Boateng ohne Namen zu nennen Klartext zur Einstellung seiner Vorderleute und mahnte live in der ARD: "Wenn wir so weiterspielen, kommen wir nicht weit bei der EM." Es war ein bemerkenswertes Interview, bei dem klar wurde, dass Boatengs Wort Gewicht innerhalb der Mannschaft hat. Denn so spricht ein Kapitän. Seine Worte dienten als Weckruf für eine bis dahin nicht überzeugend agierende DFB-Elf.

Stefan Walther ist Sportreporter beim Abendblatt
Stefan Walther ist Sportreporter beim Abendblatt © HA | Andreas Laible

Nicht nur deshalb genießt Boateng auch Respekt und Glaubwürdigkeit unter den Fans. Auch das ist ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des neuen Kapitäns. Denn die Nationalmannschaft ist eine Institution. Durch die geschmacklose Äußerung von AfD-Vizechef Alexander Gauland, der behauptete, die Deutschen würden Boateng nur als Fußballspieler mögen, hätten ihn aber nicht gerne als Nachbarn, gewann Boateng zusätzliche Sympathiepunkte und Anerkennung.

Er ritt auch überhaupt nicht lange auf dieser Entgleisung herum. Eine Diva, ein Egozentriker hätte anders gehandelt als der coole Berliner.

Boatengs größter Rivale beim Kampf um die Binde ist wohl Torwart Manuel Neuer. Ein Kapitän sollte allerdings ein Feldspieler sein, da Torhüter oftmals zu weit weg vom Spielgeschehen sind und somit schwieriger sich anbahnende Rudelbildungen schlichten oder bei strittigen Entscheidungen auf den Schiedsrichter einwirken können. Boateng ist aufgrund seiner Präsenz auf dem Platz nicht nur ein Leistungsträger und Führungsspieler in der Mannschaft von Joachim Löw, sondern auch der logische Nachfolger von Bastian Schweinsteiger. Stefan Walther

Warum Manuel Neuer Kapitän werden muss

Wenn es einen Spieler auf der Welt gibt, der seinen Stammplatz in seiner Nationalmannschaft sicher hat, dann ist das Manuel Neuer. Der Torhüter des FC Bayern München ist dreifacher Welt-Torhüter und über jeden Zweifel erhaben. Nicht nur bei den Bayern ist er seit Jahren nicht nur sportlich unumstritten, sondern ist auch Sprachrohr auf dem Platz. Neuer ist zwar kein Lautsprecher, doch auch Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger waren als DFB-Kapitäne zwar kommunikativ, aber hielten ihre Kritik immer innerhalb der Mannschaft.

Der Bayern-Torwart ist Fixpunkt im Team von Löw und nicht erst seit gestern Ratgeber des Trainers. Seine Stimme hat großes Gewicht im Mannschaftskreis. Das Argument, dass ein Feldspieler der bessere Spielführer auf dem Platz sein soll, ist übrigens für den Bundestrainer schon längst überholt. Es gibt keine Argumente gegen einen Torhüter als Kapitän, so hatte sich auch schon Neuer selbst zu der K-Frage geäußert. Jeder im Team soll und muss Verantwortung übernehmen. Die Strahlkraft der Spielführerbinde wird vom Bundestrainer sowieso nicht sonderlich hoch bewertet. Für Löw ist es nicht so wichtig, wer die Binde trägt. Es gibt sehr viele Spieler in seinem Kader, die eine Führungsrolle übernehmen können und in der eher flacher Hierarchie des DFB-Teams spielt die Position auf dem Feld überhaupt keine Rolle mehr.

Alexander Barklage ist Sportreporter beim Abendblatt
Alexander Barklage ist Sportreporter beim Abendblatt © HA | Klaus Bodig

Eine alte DFB-Tradition hat Löw auch schon ad acta gelegt. Früher galt derjenige Spieler als Nachfolger, der die meisten Länderspiele absolviert hat. Dann wäre Mesut Özil mit 79 Einsätzen der Kandidat. Neuer (71) und Boateng (65) haben weniger. Übrigens auch beim FC Bayern steht Manuel Neuer vor Jérôme Boateng, wenn es um die Nachfolge von Kapitän Philipp Lahm geht. Aus meiner Sicht sollte Neuer Schweinsteiger als Kapitän beerben und als erster Torwart seit dem "Titan" Oliver Kahn die Spielführerbinde in der Nationalmannschaft übernehmen. Alexander Barklage