Vor dem morgigen Spiel der EM-Qualifikation gegen Aserbaidschan spricht Manuel Neuer über Fußballzwerge, Federer und Sarrazin.

Köln. Das Hotelpersonal des Interconti in Köln hatte gestern Vormittag alle Hände voll zu tun. Während die Nationalspieler Medientermine in der Lobby wahrnehmen mussten, drängten sich vor dem Eingang Autogrammjäger, die auf eine Unterschrift ihrer Stars hofften. Nationaltorhüter Manuel Neuer , 24, lässt sich von der allgemeinen Unruhe nicht anstecken. Entspannt bestellt er sich einen Cappuccino und fragt dann, ob es losgehen könne.

Abendblatt:

Herr Neuer, ausgerechnet Aserbaidschans Nationaltrainer Berti Vogts hat mal vor Jahren gesagt, es gebe keine kleinen Gegner mehr. Ist Aserbaidschan ein großer Gegner?

Manuel Neuer:

Aserbaidschan ist zumindest kein einfacher Gegner. Ich habe mich gestern erst mit einem Tennistrainer unterhalten, der mir erzählt hat, wie schwer es für einen Topspieler wie Roger Federer ist, auch gegen die Nummer 150 der Weltrangliste immer auf den Punkt konzentriert zu sein. Nur weil er das schafft, ist er so erfolgreich. Denn klar ist: Erwischt die Nummer 150 einen guten Tag, dann kann sie auch Roger Federer besiegen.

Ein Wettanbieter hat errechnet, dass die Wahrscheinlichkeit eines DFB-Sieges bei 87 Prozent liegt.

Neuer:

Ich bin kein Mathematiker, und ich bleibe dabei, dass wir auch gegen Aserbaidschan 100 Prozent geben müssen, nicht 87 Prozent.

Felix Magath sagt, Sie seien der beste Torwart der Welt. Hat er recht?

Neuer:

Solche Komplimente hört man gerne. Ich muss aber gestehen, dass sich das schon ein wenig merkwürdig anhört, als bester Torhüter der Welt bezeichnet zu werden. Wobei man auch berücksichtigen muss, dass Felix Magath mein Vereinstrainer ist.

Matthias Sammer hat Ähnliches behauptet.

Neuer:

Er hat gesagt, dass ich der beste Torhüter der Welt werden kann, das ist ein Unterschied. Ich will der beste Torhüter der Welt werden, irgendwann mal. Und ich bin schon so selbstbewusst zu behaupten, auf einem guten Weg zu sein. Aber natürlich muss auch ich mich ständig verbessern.

Bei Schalke bleibt der Erfolg gerade aus. Bleiben Sie trotzdem entspannt?

Neuer:

Natürlich macht man sich so seine Gedanken. Wenn man mal ein paar Spiele nicht gewinnt, dann muss man eben reden. Und wir müssen derzeit ein bisschen mehr reden als andere Vereine. Wenn man sich die vergangenen Spiele anschaut, muss man schon zugeben, dass wir Probleme in der Defensive haben. Das kann man nicht leugnen. Gerade für mich als Torwart ist das unbefriedigend. Jetzt bin ich auch Kapitän, muss also zusätzlich Verantwortung übernehmen.

Was machen Sie als Kapitän, was Sie in der vergangenen Saison als "normaler" Führungsspieler nicht gemacht haben?

Neuer:

Ich rufe jetzt schon Spieler an, die ich vorher noch nie angerufen habe. Zusammen versuchen wir dann herauszufinden, woran es derzeit liegt.

Haben Sie Metzelder angerufen?

Neuer:

Nein, das brauchte ich nicht. Wir haben uns ausführlich in der Kabine unterhalten. Er weiß selbst, dass es zuletzt nicht optimal lief. Aber ich finde es übertrieben, wie er nach unseren Niederlagen dargestellt wurde. Die Leute machen es sich einfach, wenn sie behaupten, der Dortmunder sei an den Schalker Niederlagen schuld.

In Deutschland wird derzeit Thilo Sarrazins umstrittenes Buch über vermeintlich fehlende Integration heiß diskutiert. Wie funktioniert Integration in einer so internationalen Fußballmannschaft wie Schalke?

Neuer:

Jeder ist in erster Linie für sich selbst verantwortlich. Ich kann keinem Neuzugang aus Spanien die deutsche Sprache beibringen. Aber die meisten Neuzugänge sind sehr integrationswillig. Und der Verein unterstützt die Spieler dabei. Jeder, der Deutsch lernen möchte, bekommt bei uns auch entsprechende Hilfe.

Ist es im Fußballteam einfacher als im "normalen" Leben?

Neuer:

Eine Fußballmannschaft ist ein viel kleinerer Kreis, da ist Integration einfacher. Aber auch in der Gesellschaft ist nicht alles so schlecht, wie es zuletzt von manch einem dargestellt wurde. Ich bin in Gelsenkirchen in einer Schule gewesen, auf der zwei Drittel Ausländer waren. Trotzdem gab es bei uns so gut wie keine Probleme mit der Integration. Ich habe mit so vielen Türken im Verein Fußball gespielt, aber bei uns gab es keine Türken oder Deutsche, sondern nur Schalker.

Finden Sie die aktuellen Debatten also übertrieben?

Neuer:

Wenn jemand so ein Buch veröffentlicht, dann ist es normal, dass die Leute darüber sprechen.

Fühlen Sie sich als deutscher Nationalspieler verpflichtet, sich auch mit derartigen Themen abseits des Fußballplatzes zu beschäftigen?

Neuer:

Eigentlich bin ich ja Fußballprofi und kein Politiker. Aber diese Debatte lässt natürlich niemanden kalt. Dabei ist unsere Nationalmannschaft das beste Beispiel für gelungene Integration. Wir haben so viele Spieler mit unterschiedlichen Wurzeln, aber wir spielen alle für Deutschland. Vielleicht sollte man mehr darüber sprechen als nur über die angeblichen Probleme.