Spanien gewinnt das Finale gegen die Niederlande mit 1:0 nach Verlängerung. Iniesta lässt den Europameister erstmals bei einer WM jubeln.

Johannesburg. Andres Iniesta sank jubelnd auf die Knie, Torhüter Iker Casillas vergoss Freudentränen, und auf der Tribüne nahm Spaniens Königin Sofia die Glückwünsche von Hollands Kronprinz Willem-Alexander entgegen. Mit seinem späten Treffer in der 116. Minute zum 1:0-(0:0)-Sieg gegen die Niederlande hat der Mittelfeldregisseur des FC Barcelona den Iberern einen historischen WM-Triumph beschert, den Krake Paul in Oberhausen vorhergesagt hatte. "Weltmeister! Das ist unglaublich, unfassbar, einfach ohne Worte. Wir werden das jetzt genießen", sagte der überwältigte Iniesta. Erstmals in der 80-jährigen WM-Geschichte und als achtes Team überhaupt eroberten die Spanier den Titel, den auch Trainer Vicente del Bosque ausgelassen bejubelte: "Es war ein hart umkämpfter Sieg, aber wir haben fantastische Spieler. Wir hätten das eine oder andere Tor mehr schießen können. Der Sieg war hoch verdient. Für mich ist das ein ganz glücklicher Tag. Ich bin stolz."

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Wie 1974 gegen Deutschland (1:2) und 1978 gegen Argentinien (1:3 n. V.) standen die Holländer, die zuvor 25 Spiele nicht verloren hatten, mit leeren Händen da. Konsterniert verfolgten sie, wie die Spanier aus den Händen von Südafrikas Präsident Jacob Zuma und Fifa-Chef Joseph Blatter den WM-Pokal in Empfang nahmen und danach ausgelassen auf dem Rasen feierten. Als drittes Team nach Deutschland (1972/1974) und Frankreich (1998/2000) können sich die Südeuropäer gleichzeitig mit den zwei wichtigsten Titeln schmücken: Sie sind nun Welt- und Europameister. Zudem sind sie die erste Mannschaft, die nach einer Auftaktniederlage den großen Coup landen konnte.

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32 Jahre hatten die Holländer auf ein Finale warten müssen, die Spanier standen gar erstmals im Endspiel. Doch ein rauschendes Fußballfest wurde es nicht. Statt hoher Spielkunst erlebten die 84 490 erwartungsfrohen Zuschauer eine zum Teil üble Treterei mit zwölf Gelben Karten - so viele wie in keinem der vorangegangenen 18 WM-Endspiele - und Gelb-Rot für den Niederländer John Heitinga (109.). Erst in der Verlängerung, als beide Teams dem erbitterten Kampf um jeden Zentimeter Tribut zollen mussten, ergaben sich Räume und mehr Chancen. Bei einem Foul an Xavi (92.) gab Schiedsrichter Howard Webb zum Unmut der Spanier keinen Elfmeter. Cesc Fabregas (95.) scheiterte frei an Holland-Keeper Maarten Stekelenburg. Auf der Gegenseite verpasste HSV-Profi Joris Mathijsen (96.) das ersehnte Tor, welches auch Jesus Navas (101.) verwehrt blieb. Von spielerischer Leichtigkeit war auf beiden Seiten nichts zu sehen, stattdessen ging es rustikal zur Sache. Härte und viele Nickligkeiten bestimmten die Szenerie. Webb, der als vierter Engländer ein WM-Finale leiten durfte, hatte alle Hände voll zu tun und verteilte vor Ablauf der ersten halben Stunde bereits fünf Gelbe Karten. Die der Niederländer Mark van Bommel und vor allem die Nigel de Jongs, der Xabi Alonso mit einem Kung-Fu-Tritt niederstreckte, schimmerten Rot. "Das war übertriebene Härte, die auf dem Platz nichts zu suchen hat", kritisierte TV-Experte Oliver Kahn.

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Ehe Iniesta traf, hatte die größten Chancen des gesamten Spiels Arjen Robben. Der Angreifer des FC Bayern scheiterte aber zweimal freistehend nach einem Sololauf an Torhüter Casillas (62, 83.). "Das ist ganz bitter", sagte Robben, "ich hätte das Spiel entscheiden können, doch beide Male hat Iker Casillas fantastisch reagiert."

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Der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft stürzte ganz Spanien in einen Freudentaumel. Von Santander im Norden bis Tarifa im Süden rannten Millionen Menschen mit rot-gelben Flaggen auf die Straße, um den Sieg über die Niederlande zu feiern. Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero dankte den Spielern dafür, die Stimmung im von der Wirtschaftskrise erschütterten Land gehoben zu haben. Die Spieler der "Roja" (Roten) werden heute nach ihrer Ankunft in Madrid zunächst von Zapatero und wohl auch von König Juan Carlos empfangen. Anschließend fahren sie mit einem offenen Doppeldeckerbus durch die Hauptstadt.

Niederlande: Stekelenburg - van der Wiel, Heitinga, Mathijsen, van Bronckhorst (105. Braafheid) - van Bommel, de Jong (99. van der Vaart) - Robben, Sneijder, Kuyt (71. Elia) - van Persie.

Spanien: Casillas - Ramos, Pique, Puyol, Capdevila - Busquets, Xabi Alonso (87. Fabregas) - Pedro (60. Jesus Navas), Xavi, Iniesta - Villa (116. Torres).

Tor: 0:1 Iniesta (116.). Schiedsrichter: Howard Webb (England). Zuschauer in Johannesburg: 84 490 (ausverkauft). Gelb-Rote Karte: Heitinga wegen wiederholten Foulspiels (109.). Gelbe Karten: van Persie, van Bommel, de Jong, van Bronckhorst, Robben, van der Wiel, Mathijsen - Puyol, Ramos, Capdevila, Iniesta, Xavi.