Simone Buchholz hatte gestern plötzlich Appetit auf Tintenfisch

Ich hatte gestern Abend Ausgang. Ich durfte mir das Spiel draußen ansehen, mit Freunden und einem Grill. Mein italienischer Freund blieb zu Hause und bewachte unseren Sohn. Merkwürdig, aber er interessiert sich seit dem Ende der Gruppenphase gar nicht mehr so brennend für die Fußballweltmeisterschaft. Na ja. Schwamm drüber.

Ich war also morgens schon ganz aufgeregt. Ich schaltete den Fernseher ein. Ich wollte mich heiß machen fürs Spiel. Ich wollte Spannung, Energie, Vibrationen, Schlachtgesänge. Ich wollte lauter wirbelige Einspieler und kleine Filmchen aus Südafrika und den deutschen Büros, ich wollte Interviews mit Leuten, die genauso aufgeregt sind wie ich. Ich wollte einen verdammten Countdown! Nichts. Nur öde deutsche Fernsehlandschaft.

Durch Michael Steinbrechers Frisur wehte kein Lüftchen. Ein Dresdner Biergarten vermeldete ruhig, doppelt so viel Bier wie sonst gebunkert zu haben. Und im Mittagsmagazin wurde auf bewährte Art gestümpert: Sportreporter vor laufender Kamera abkabeln, Licht aus, Gewackel, Totalabbau. Ich hatte kurz Angst, dass das alles ein Omen für den Abend sein könnte. Und dann wurde es doch noch mal emotional.

Da war Paul, dieser bizarre Tintenfisch. Der in seinem Bassin auf den spanischen Kasten geklettert ist und nicht auf den deutschen. Nachdem ich das gesehen hatte, habe ich ausgeschaltet und bin in die Küche gegangen, mir war so nach Fisch. Sie haben auch Hunger? Bitte schön! In einem großen Topf reichlich Olivenöl erhitzen. Drei Knoblauchzehen schälen und andrücken, eine frische rote Chili in Ringe schneiden, ein paar Stängel Petersilie fein hacken und von einer unbehandelten Zitrone die Schale abreiben. Alles für ein paar Minuten im Olivenöl andünsten. Den ausgenommenen, küchenfertigen Kraken in den Topf setzen, den Topf ein bisschen ruckeln, bis der Krake sich ordentlich hingesetzt hat. Deckel drauf. Bei mittlerer Hitze sieden lassen.

Der Krake gart etwa 15 bis 20 Minuten im eigenen Saft, dann müsste er butterzart sein. Vom fertigen Kraken die Fangarme abtrennen und den Körper in Ringe schneiden. Die Ringe und Fangarme auf gut gewässerte Holzspieße stecken (ganz so, als wollten Sie eine Ziehharmonika bauen). Die Krakenspieße über Holzkohle grillen, beim Wenden mit ein bisschen Zitronensaft beträufeln. Auf einer Platte anrichten, salzen, pfeffern, guten Appetit. Für alle Tierfreunde: Ich habe Paul nicht angerührt.