Eine Glosse von Alexander Berthold

Stellen Sie sich vor, der VfL Wolfsburg reist zum Auswärtsspiel beim HSV und die Partie muss ins Olympiastadion Berlin verlegt werden, weil derart viele Gästefans mitreisen, dass die Kapazität der Imtech Arena nicht ausreicht. So viel Fantasie haben Sie nicht? Sie lachen an dieser Stelle? Verständlich! Der Lüneburger SK aber steckt in einem solchen Dilemma. Das Duell mit der U23 von Hannover 96 muss am Sonnabend (14 Uhr) von Bardowick, ohnehin nur Ausweichort für die eigentlich obdachlosen LSK-Kicker, ins größere Stadion des SC Victoria nach Hamburg umziehen.

Zu verdanken hat Lüneburg diesen Umzug Martin Kind, Präsident von Hannover 96. Der hat sich in den vergangenen Monaten dermaßen mit den Ultras der Niedersachsen zerstritten, dass rund 1000 Fans dem Bundesligaderby zwischen Hannover und Wolfsburg fernbleiben, um lieber nach Hamburg zu reisen. Das ist kein Einzelfall, es ist ein Trend!

Da ein Teil der Fans mit dem HSV nach der Ausgliederung der Profimannschaft gebrochen hat, spielte die dritte Mannschaft des HSV in dieser Saison in der Bezirksliga vor 900 (!) Fans. Frei nach dem Motto: Authentischen Fußball gibt es nur unterklassig. Dort, wo es keine herumstolzierenden Millionäre und Chipkarten zur Bezahlung der leicht angebrannten Bratwurst gibt. Die eigentlichen Profiteure der Ausgliederungen und zunehmenden Kommerzialisierung im Fußball sind also: die Amateurkicker.

Die können sich darüber freuen, dass die Traditionalisten unter den Fans auf den Sportplatz von nebenan pilgern, und so den vermeintlich „Kleinen“ eine große Bühne bieten.