Endspiel 2020 in der britischen Hauptstadt. Deutschland soll nach Absprachen hinter der Kulissen zugunsten des EM-Turniers 2024 verzichtet haben, schmälert damit aber seine Olympiachancen.

Genf. Nach vielen Gesprächen hinter den Kulissen, nach Absprachen, Abwägungen und Planspielen darf sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als ein Sieger bei der Vergabe der Austragungsorte für die EM 2020 fühlen – obwohl das Endspiel und die beiden Halbfinals zum Ende einer langen Europareise in London stattfinden werden und nicht in München. Dort finden „nur“ drei Vorrundenpartien und ein Viertelfinale statt. Der DFB hatte kurz vor der Entscheidung in Genf am Freitag die Bewerbung Münchens für die Endspiele nicht aufrechterhalten und zugunsten der britischen Hauptstadt verzichtet. Das bestätigte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nach der Bekanntgabe der 13 Schauplätze der ersten gesamteuropäische Europameisterschaft.

Das eigentliche Ziel des DFB bleibt die Ausrichtung des gesamten Turniers vier Jahre später, im Sommer 2024. Dem scheint der größte Fußballverband der Welt am Freitag deutlich näher gekommen. „Wir werden uns für 2024 nicht bewerben, das wäre ja Zeitverschwendung”, sagte bereits Englands Verbandschef Greg Dyke.

„Ich habe in der Exekutivsitzung unsere Bewerbung für das Finale zurückgezogen, sodass es keine Kampfabstimmung gab, und wir unser Ziel erreicht haben, auch wenn die Entscheidung noch nicht den Zuschlag für die ganze EM 2024 bedeutet“, sagte Niersbach beim Pay-TV-Sender Sky: „Es liegt zwar ein Teppich, aber es ist noch kein roter, über den wir nur noch schreiten müssten. Das wird ein neues Projekt, aber es ist auch ein persönliches Ziel, noch einmal ein weiteres Großereignis nach Deutschland zu holen. Aber erst einmal freuen wir uns, dass wir auch bei der EM 2020 auf der europäischen Landkarte vertreten sein werden.“

Zu den Gründen der deutschen Entscheidung wollte sich Platini auf der nachfolgenden Pressekonferenz nicht äußern. „Ich weiß nicht, warum sich Deutschland zurückgezogen hat. Ich hätte auch so für London gestimmt“, sagte der Uefa-Boss. „Vielleicht gibt es ja eine Absprache zwischen den Engländern und den Deutschen?“ Dies wollte Englands Bewerbungs-Boss Dyke nicht bestätigen: „Es gab Gespräche, aber wir haben hier keinen Deal gemacht. Es war klar, wer 2020 gewinnen würde, würde sich 2024 heraushalten.“

„Es ist sicher ein Vorteil, dass unsere Mannschaft in der Vorrunde vor eigenem Publikum spielen und mit Rückenwind ins Turnier starten kann”, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Zwei Vorrundenspiele des deutschen Teams würden in München ausgetragen, wenn sich die Mannschaft für die Endrunde qualifiziert – daran kann bei 24 Teams kein vernünftiger Zweifel bestehen.

Generalsekretär Helmut Sandrock hatten vor der Bekanntgabe durch die Uefa deutlich gemacht, dass mit den Engländern über eine einvernehmliche Lösung für die kommenden kontinentalen Turniere gesprochen wurde. Neben Deutschland ist nur noch die Türkei als Mitbewerber im Rennen. Die Entscheidung fällt im Spätsommer 2017. „Aber da sind wir ganz relaxt. Wir haben unser erstes Ziel erreicht. Warten wir es mal ab”, erklärte Niersbach.

Drei Monate vorher wird das Internationale Olympische Komitee (IOC) über den Ausrichter der Sommerspiele 2024 entschieden, für die sich Hamburg und Berlin interessieren. Eine Austragung beider Großereignisse in einem Land im selben Jahr galt bislang als undenkbar, ist nach den Stauten des IOC aber möglich, wenn genügend Zeit, mindestens vier, besser sechs Wochen, dazwischen liegt. Sollte sich Hamburg Ende dieses Jahres im Wettstreit um den deutschen Olympiakandidaten für 2024 gegen Berlin durchsetzen, will es von vornherein darauf verzichten, auch Austragungsort von Spielen der Fußball-EM 2024 zu sein. Das haben Vertreter der Stadt dem Deutschen Olympischen Sportbund bereits erklärt. Berlin wiederum könnte mit dem EM-Endspiel entschädigt werden und Zentrum der Europameisterschaft werden.

Neben all den sport-politischen Gebahren hinter den Kulissen konnte man fast vergessen, dass in Genf die erste paneuropäische EM im Mittelpunkt stand. Uefa-Präsident Platini hatte die Idee zum Abschluss des Turniers 2012 geäußert. Das Exekutivkomitee folgte seinem Vorschlag. Platini will damit den 60. Geburtstag der Europameisterschaften feiern. „Es war erst ein Traum, jetzt ist er Realität”, sagte der Franzose bei der Bekanntgabe der EM-Länder. Ein geeintes Europa mit einem Turnier, verstreut über den gesamten Kontinent zu feiern, scheint ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke. Doch neben der Romantik stehen insbesondere wirtschaftliche Bedenken im Vordergrund.

Endspiel- und Halbfinalstadien müssen 70.000 Zuschauern Platz bieten. Stadien mit einer Netto-Mindestkapazität von 30.000 sind auch in Gruppenspielen nur in Ausnahmen zugelassen. Abgesehen von England, Deutschland und Frankreich ist kaum eine europäische Nation in der Lage, ein auf 24 Teilnehmer-Länder aufgeblähtes Turnier wie die EM allein zu stemmen.

Skeptiker der EM in mehreren Ländern befürchten hohe Reisekosten und fehlende Turnierstimmung. Aus diesem Grund sollen die Gruppen der EM 2020 in sechs bis acht geografische Zonen mit zwei Spielorten eingeteilt werden. Die Endrundengruppen werden weiter auf der Grundlage eines Setzsystems ausgelost. Allerdings wird bei der Einteilung der Ausrichterteams in die Gruppen den Reisedistanzen Rechnung getragen. So sollen die Flüge zwischen den Austragungsstädten nicht länger als zwei Stunden dauern, um mitreisenden Fans entgegenzukommen.

Anders als bei Europameisterschaften üblich, müssen sich alle Teams, auch die 13 Gastgeber, für die Endrunde qualifizieren. 20 Mannschaften kommen über die EM-Qualifikation. Vier Teilnehmer sollen über die zur Saison 2018/19 neu eingeführte Nations League und die Play-offs ermittelt werden. In allen sechs Endrundengruppen können maximal zwei Ausrichterverbände vertreten sein. Jeder qualifizierte Ausrichter darf in der Gruppenphase zwei Heimspiele bestreiten.