Der Bundestrainer setzt zudem auf Assistent Thomas Schneider – und ein neues Team

Düsseldorf. Als Deutschlands Fußballpapst Joachim Löw am Dienstagmittag pünktlich um 12.30 Uhr erstmals nach dem WM-Finale vor 51 Tagen gegen Argentinien eine öffentliche Audienz in Düsseldorf gewährte, war auf den ersten Blick alles wie immer. Noch vor der Begrüßung durch Pressesprecher Jens Grittner nippte der Weltmeistertrainer an seinem Espresso, viele graue Haare waren in den vergangenen sieben Wochen nicht hinzugekommen und auch die in Brasilien berühmt gewordene Armbanduhr trägt er noch immer am vermeintlich falschen Handgelenk (dem rechten). Löw, ausnahmsweise mal in einer nicht taillierten Trainingsjacke, nickte dem einen oder anderen Medienvertreter zu, griff nach dem Mikrofon und plauderte vor der erwarteten Frage-und-Antwort-Runde zunächst einmal fröhlich drauf los: „Ich habe dieses Turnier und den ganzen Sommer wirklich maximal genossen.“

Wie sich die Zeiten ändern. So ist es gerade mal zwei Jahre her, als sich Löw das letzte Mal nach einem großen Turnier erstmals öffentlich erklärte. Doch damals, in einem extra aufgestellten Pressezelt vor dem Frankfurter Stadion, war die Stimmung eine andere. Das enttäuschende 1:2 gegen Italien im EM-Halbfinale war noch genauso wenig vergessen wie der begeisternde 1:0-Sieg im WM-Finale gegen Argentinien in diesen Tagen. 19 Minuten lang hielt der Bundestrainer seinerzeit in Frankfurt einen Monolog, kritisierte alles und jeden – nur nicht sich selbst.

Der Monolog am Dienstag dauerte acht Minuten und 20 Sekunden. In einem dem Anlass nur wenig entsprechenden Autohaus sprach Löw, umrahmt von Luxuslimousinen, von „magischen Momenten“ und von „Momenten für die Ewigkeit“. Diese historische Nacht von Maracanã am 13. Juli, so Löw, würde er nie vergessen. „Es war wie im Rausch. Ich musste all diese Emotionen und die Freude zunächst mal richtig verarbeiten“, sagte der Bundestrainer.

Doch Löw ist kein Trainer, der zu lange in der Vergangenheit lebt. Das war er nicht 2012, und das ist er auch nicht 2014. Deswegen dauerte es nicht mal zwei Minuten, ehe der Fußballlehrer auf die neuen Herausforderungen zu sprechen kam, die er sich nun stellen wolle. „Das nächste Ziel muss heißen: EM-Finale in Paris“, sagte Löw, der die Neuauflage des WM-Finals an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF und im Liveticker bei abendblatt.de) gegen das messilose Argentinien als „natürlichen Abschluss“ der WM-Feierlichkeiten versteht: „Wir wollten den Leuten noch einmal dieses Gefühl zurückgeben.“

Spätestens nach dem Schlusspfiff in der natürlich ausverkauften Esprit Arena soll es dann aber auch gut sein mit Brasilien, Argentinien und all diesen Weltmeisterlichkeiten. „Es gibt kleine Umwälzungen“, kündigte Löw am Dienstag vorsichtig das Kapitel Zukunft an. Nach den Rücktritten von Kapitän Philipp Lahm, Torjäger Miroslav Klose und Abwehrass Per Mertesacker, sowie der Beförderung von Co-Trainer Hansi Flick zum neuen Sportdirektor gebe es zwar keinen großen Umbruch, aber doch „einen behutsamen Umbruch“, so Löw: „Stillstand darf es nicht geben.“

Und weil das so ist, wollte es der Bundestrainer auch nicht unnötig spannend machen. Lahms Nachfolger als Kapitän werde Bastian Schweinsteiger. Rums. Und neuer Co-Trainer soll Thomas Schneider werden. Rums. Rums.

Zwei Entscheidungen, mit denen nicht jeder gerechnet hatte. Außer dem Bundestrainer, für den es offenbar nie eine echte Alternative gegeben hat. „Bastian ist ein absoluter Leader und Philipps legitimer Nachfolger, das war für mich immer klar“, erklärte Löw auf Nachfrage. Der Münchner, den die „Sportbild“ einst wenig freundlich als „Chefchen“ titulierte, habe „eine immense Erfahrung“, genieße „hohe Akzeptanz“ und sei zudem ein „guter Kommunikator“. Ein echter Chef eben.

Besonders letztgenannten Punkt stellte Schweinsteiger, der mit Manuel Neuer, Mats Hummels, Thomas Müller und Sami Khedira den Mannschaftsrat bildet, umgehend unter Beweis. „Es ist eine Ehre und Freude, aber zugleich eine Verpflichtung. Ich werde mich da reinarbeiten“, ließ der normalerweise wenig auskunftsfreudige Bayer über den DFB ausrichten. „Führen durch Vormachen – so könnte man es nennen“, sagte Schweinsteiger, der beim Duell gegen Argentinien wegen einer Patellasehnenreizung fehlen wird.

Noch nicht dabei sein wird auch Flick-Nachfolger Schneider, der erstmals im Oktober zur Nationalmannschaft stoßen soll. Schneider, natürlich ein Baden-Württemberger, passe ausgezeichnet ins Team und habe eine ähnliche Auffassung von Fußball wie er, so Löw. Zudem habe er bei seinen Erkundigungen, die er sich in Stuttgart und beim DFB eingeholt hat, schnell gemerkt, dass der frühere VfB-Trainer vor allem einen eigenen Kopf habe.

Dieser sei besonders bei dem bevorstehenden Prozess wichtig, aus dem Weltmeister einen Europameister zu formen. „Auch wir müssen einige junge Spieler integrieren“, kündigte Löw einen Umbruch Light an, der bereits beim Freundschaftsspiel gegen Argentinien beginnen soll. So machte er etwa Dortmunds Erik Durm, der diese Woche seinen Vertrag bei der Borussia bis 2019 verlängerte, Hoffnungen auf einen Startelfeinsatz auf der linken Abwehrseite. Auch dessen Vereinskollege Matthias Ginter und der Stuttgarter Antonio Rüdiger sollen nach null WM-Minuten zunehmend langsam herangeführt werden. Im Sturm soll mittelfristig Mario Gomez die Klose-Lücke schließen. Langfristig darf sich wohl auch Hamburgs Pierre-Michel Lasogga Hoffnungen ausrechnen – vorausgesetzt er findet zeitnah zu seiner Topform zurück.

Trotz offensichtlicher Topform beim ersten öffentlichen Auftritt nach der WM war auch für Löw nach 40 Minuten und zwei Tassen Espresso zunächst mal Schluss. Zeit zum Plaudern gebe es ja noch mehr als genug. Zwei Jahre lang. Bis zum EM-Finale in Paris.