Fußball-Idol weigert sich, mit der Fifa-Ethikkommission über seine Rolle bei der WM-Vergabe nach Katar zu sprechen. Kurz nach der Wahl waren Korruptionsvorwürfe erhoben worden.

São Paulo. Es sah ein bisschen aus wie Hollywood, als Sepp Blatter am Sonntagabend über die Gänge des Fünf-Sterne-Hotels Grand Hyatt in São Paulo streifte. Dort fand am Wochenende die Sitzung des Exekutivkomitees der Fifa statt, und nach einem Termin im Konferenzraum wurde der Schweizer von fünf Bodyguards in maßgeschneiderten Anzügen durch die Lobby zu seinem Zimmer geführt. Die Männer machten ein Gesicht, als würden sie den Al-Qaida-Boss höchstpersönlich begleiten. Als der Abendblatt-Reporter ihn um ein Gespräch bat, murmelte Blatter bloß: „Nein“ und zog von dannen.

Damit bleibt vorerst unklar, was der Präsident des Fußball-Weltverbands Fifa über den jüngsten Aufreger denkt: die Verweigerungshaltung von Franz Beckenbauer bei der Untersuchung der WM-Vergaben nach Russland (2018) und Katar (2022), die das deutsche Fußballidol zum ersten Mal selbst in Bedrängnis bringt. Beckenbauer, 68, war im Dezember 2010 Mitglied des 22-köpfigen Exekutivkomitees, das über die Austragungsorte abstimmte und zwei umstrittene Entscheidungen fällte.

Weil kurz nach der Wahl Korruptionsvorwürfe erhoben worden waren, leitete die 2012 gegründete Ethikkommission der Fifa eine Untersuchung ein. Der amerikanische Staatsanwalt Michael Garcia, Vorsitzender der ermittelnden Instanz, reiste monatelang kreuz und quer über den Planeten, um Fußballfunktionäre zu verhören.

Blatter gehörte zu jenen, die Katarer und sogar der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger (erst seit 2011 im Exekutivkomitee). Auch Beckenbauer wurde von Garcia kontaktiert, er lehnte eine Kooperation mit dem Ermittler allerdings ab. Auch nachdem Garcia einen zweiten Brief – in forscherem Ton – an Beckenbauer geschickt hatte, rührte sich dieser nicht. Beckenbauer erklärte, einen Fragebogen auf Englisch erhalten zu haben, diesen habe er aber nicht komplett verstanden: „Deshalb habe ich darum gebeten, dass man sich trifft und die Sache auf Deutsch bespricht. Das wurde offenbar nicht gewünscht. Abgesehen davon kann ich zur Aufklärung auch nichts beitragen.“

Beckenbauer war im Frühjahr 2011 aus dem Exekutivkomitee ausgeschieden, als Ehrenpräsident des FC Bayern hat er allerdings weiter ein Amt im Fußballgeschäft inne. Nach Ansicht der Fifa fällt er daher weiter unter die Gerichtsbarkeit der Fifa. Damit darf er sich einer Befragung laut Statuten nicht entziehen. Unter Artikel 42 des Fifa-Ethikreglements heißt es: „Diesem Reglement unterstellte Personen sind verpflichtet, auf Aufforderung der Ethikkommission zur Abklärung des Sachverhalts beizutragen, insbesondere als Zeuge schriftlich oder mündlich Auskunft zu erteilen. Fehlende Kooperation kann zu einer Sanktionierung gemäß diesem Reglement führen.“ Möglich sind unter anderem eine Geldstrafe und ein „Verbot jeglicher in Zusammenhang mit dem Fußball stehenden Tätigkeit“.

Im Gespräch mit dem Abendblatt sagte ein hochrangiger Fifa-Mitarbeiter: „Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass Garcia Beißhemmungen bei Beckenbauer hat. Lichtgestalt, Nationalheld – das interessiert einen amerikanischen Staatsanwalt nicht.“ Und weiter: „Garcia wird mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Strafe beantragen. Alles andere würde unseren Ethikkodex ad absurdum führen.“

Jim Boyce, nordirisches Exekutivkomitee-Mitglied, nannte Beckenbauer nicht beim Namen, forderte aber die Ethikkommission auf, jene Funktionäre zu sperren, die bei der Untersuchung der WM-Vergaben nicht kooperieren. Ein weiterer Mann aus dem Exekutivkomitee bezeichnete Beckenbauers Verhalten als „Schande“. Auch der frühere Welt- und Europameister selbst scheint sich bei der Bewertung der Angelegenheit nicht sicher zu sein. Nach Garcias Kontaktaufnahme soll er Vertraute beim DFB um Rat gefragt haben. Selbst für den Fall, dass ihm jemand empfahl, zu kooperieren – Beckenbauer entschied sich fürs Schweigen.

Dabei lag es nahe, ihm aufgrund seiner Nähe zu Katar und Russland einige Fragen zu stellen. Schließlich war Beckenbauer fünf Monate nach der WM-Vergabe zusammen mit Vorständen der Hamburger Reederei E.R. Capital Holding nach Doha eingeladen worden – von Mohamed Bin Hammam. Dem katarischen Fußballfunktionär und Unternehmer wird unterstellt, die WM für sein Land quasi gekauft zu haben. Das berichtete die „Sunday Times“.

Während Beckenbauers Reise nach Katar nach der WM-Vergabe wurden nach offiziellen Angaben mögliche Investitionen Katars im maritimen Bereich besprochen. Im Mai 2012 war Beckenbauer Botschafter der Russian Gas Society (RGS) geworden, der Vereinigung aller Gas fördernden Unternehmen in Russland. Für ihn sei es eine Ehre, mit der RGS, „einer der wichtigsten Wirtschaftsinstitutionen Europas“ zusammenzuarbeiten, sagte Beckenbauer damals. Wem er bei der Abstimmung über die WM 2022 seine Stimmen gegeben hat, ist nicht bekannt.

Am Montag stellte Garcia seinen Bericht zur Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 fertig, in Kürze wird dieser an Joachim Eckert, den Richter der Ethikkommission, übergeben. Am Mittwoch beim Fifa-Kongress in Brasilien will Garcia dann seine Rede halten. Kennt er die Namen jener, die Geld für ihre Stimme annahmen? Weiß er, ob Katar die WM gekauft hat? Und wie die Wahl Russlands als WM-Gastgeber 2018 zustande kam?