Mustafa Hadid floh vor dem Krieg in Afghanistan. Heute ist der schnelle Verteidiger von Altona 93 in seiner Heimat Nationalspieler und ein Volksheld.

Was er zu seiner Mutter Atefa gesagt hat, weiß Mustafa Hadid noch genau: „Da kann ich etwas für unser Land tun. Das will ich nicht verpassen.“ Hadid, 25, Fußballer bei Oberligist Altona 93, plante Mitte August eine Reise in Afghanistans Hauptstadt Kabul. Zurück in das Land, aus dem Atefa mit dem zweijährigen Mustafa und ihrer Familie 1990 vor dem Krieg flüchtete.

Der Grund für die Rückkehr: Das erste Freundschaftsspiel der afghanischen Nationalmannschaft seit zehn Jahren auf heimischem Boden. Ausgerechnet gegen den Erzrivalen Pakistan. Zur Vorbereitung auf die Südasienmeisterschaft in Nepal. „Am Anfang war meine Mutter total dagegen. Dann habe ich sie überzeugt“, sagt Hadid.

Er strahlt noch heute, wenn er erzählt, wie er in Kabul seine 20 Cousinen und Cousins traf, dass er sich sicher auf den Straßen der Stadt fühlte – und wenn er über das Spiel spricht. Denn trotz des großen öffentlichen Drucks, Pakistan unbedingt zu schlagen, gelang ein 3:0. Es war der Auftakt zu einem Fußballmärchen. Außenseiter Afghanistan, eine Mannschaft ohne Vollprofis, fuhr trotz Verletzungssorgen gestärkt zur Südasienmeisterschaft ins nepalesische Kathmandu.

Als sie nach dem 2:0 im Finale gegen Indien mit dem Titel heimkehrten, rief Präsident Hamid Karsai einen Nationalfeiertag aus. „Die Menschen weinten vor Freude nach so viel Krieg und Leid. Es war Gänsehaut pur“, sagt Hadid. Im Ghazi-Stadion, dem Nationalstadion Afghanistans, feierten 30.000 Menschen die Spieler. An den Jubelbildern hat Hadid großen Anteil. Als Einziger träumte er seit Turnierbeginn vom Titel. Nicht nur seinen bei norddeutschen Vereinen kickenden Teamkollegen Sandjar Ahmadi (vorher Dassendorf, jetzt FC Mumbai ), Mansur Faqiryar (VfB Oldenburg) und Mustafa Azadzoy (TB Uphusen) erzählte er jeden Tag, Afghanistan werde es schaffen.

Doch nicht nur verbal gab er alles. Im letzten Vorrundenspiel gegen die Malediven (0:0) brach sich der schnelle Außenbahnspieler nach 53 Sekunden die linke Hand an. Er spielte trotzdem weiter. Noch heute trägt er eine Manschette. Im Halbfinale vor 30.000 enthusiastischen Zuschauern, beim 1:0 gegen Gastgeber Nepal, lieferte er zusammen mit seinen Kollegen eine dramatische Abwehrschlacht. Torwart Faqiryar hielt dabei zwei Elfmeter. Beim 2:0 im Finale gegen Indien, zu dem das ganze afghanische Kabinett anreiste, bereitete Hadid das 1:0 von Mustafa Azadzoy gekonnt vor.

„Auch für mich ist das natürlich der höchste Titel meiner Karriere, etwas ganz Großes“, erklärt er. Eigentlich wollte Hadid Bundesligastürmer werden. Er spielte in der A-Jugend-Bundesligamannschaft des HSV, schoss bei Eintracht Norderstedt als 19-Jähriger 22 Oberligatore. Das brachte ihm die Empfehlung des früheren Nationalspielers Obaidullah Karimi (früher Hamm United) für die Nationalmannschaft ein, doch der ganz große Sprung gelang ihm in Deutschland nie.

2009 wechselte der technisch beschlagene Angreifer nach Altona – und wurde dort vor zwei Jahren von Trainer Oliver Dittberner zum Außenbahnspieler umfunktioniert. Den Rechtsverteidiger gibt der privat eher ruhige und gelassene Spieler getreu Dittberners Philosophie so forsch, dass er seinen Offensivdrang ausleben kann. In Afghanistan ist der Student der Umwelttechnik an der HAW Bergedorf nun ein Volksheld. Bald wird er das wieder zu spüren bekommen, wenn er erneut in seine Heimat reist. Präsident Karsai hat jedem Spieler als Prämie eine Zweizimmerwohnung in Kabul geschenkt. Hadid weiß noch nicht, was er mit der Wohnung machen will. Wichtiger ist ihm ohnehin das Signal dieses Titels. „In unserer Mannschaft spielen Hazara, Paschtunen, Tadschiken. Wir unterhalten uns meist auf Dari, aber auch auf Englisch oder Deutsch. Und wir alle gemeinsam haben diesen Sieg mit Herz und Leidenschaft errungen.“

Hadid hofft, dass seine Landsleute sehen, was bei guter Zusammenarbeit möglich ist. Den geplanten Abzug der Nato sieht er kritisch. Wie viele seiner Landsleute befürchtet er die erneute Machtübernahme der Taliban.

Auch deshalb will die Mannschaft weitere sportliche Zeichen setzen. Beim Challenge-Cup im März auf den Malediven soll die Qualifikation für die Asienmeisterschaft im Januar 2015 gelingen. „Und vielleicht sind wir 2018 bei der Weltmeisterschaft dabei“, sagt Hadid. Er weiß, wie wichtig Träume sind.

In unserer Mannschaft spielen Hazara, Paschtunen, Tadschiken. Den Sieg haben wir gemeinsam geschafft.