Felix Magath, erfolgreicher Fußballprofi und Trainer, wird am Freitag 60. Ein Gespräch über die Bundesliga, den HSV und den Abschied vom Fußball.

Hamburg. Wer in diesen Tagen dem Fußballtrainer Felix Magath begegnet, trifft einen ganz anderen Menschen als noch vor neun Monaten. Damals wurde er beim VfL Wolfsburg beurlaubt. Seitdem ist er arbeitslos. Magath wirkt heute gelöst, entspannt, mitteilsam. Sein früher oft süffisantes Lächeln ist einem herzhaften Lachen gewichen. „Ich bin mit mir restlos im Reinen“, sagt er. Am Freitag wird einer der erfolgreichsten Fußballprofis des Hamburger SV 60 Jahre alt.

Hamburger Abendblatt: Herr Magath, Fußball war Ihr Leben, was kommt jetzt? Ein neuer Verein oder eine ganz andere Aufgabe?

Felix Magath: Ich mache mir über meine spezielle Situation mehr Gedanken, als ich mir das vor einem halben Jahr hätte vorstellen können. Als ich in Wolfsburg gehen musste, wollte ich nach einer gewissen Auszeit wieder eine Mannschaft übernehmen. Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich das wirklich noch will. Zurück in diese Mühle aus permanentem internem und öffentlichem Druck, zurück in diese zum Teil ohnmächtige Abhängigkeit von Zufälligkeiten, ob Spieler X an diesem Tag den Ball nun trifft oder nicht.

Sie haben finanziell ausgesorgt. Warum legen Sie nicht die Füße hoch?

Magath: Ich war mein Leben lang aktiv, war Fußballtrainer und -spieler aus Leidenschaft. Ich fühle mich fit, auch wenn mein 15-jähriger Sohn mir am Sonntag am Berg weggelaufen ist. Die Frage ist vielmehr: Will ich noch einmal mit aller Gewalt von meiner Familie weg, die in München lebt, wo meine drei Kinder ihre Freunde haben und zur Schule gehen? Will ich noch einmal darauf verzichten, ihre Entwicklung hautnah mitzuerleben? Ich habe bei meinen drei Kindern aus erster Ehe schon bereut, dass ich als Fußballprofi beim HSV kaum Zeit für sie hatte. Also: Bin ich so bekloppt, dass ich das noch mal mache? Ich vermisse schließlich nichts.

Das klingt nach Ihrem Abschied vom Fußball.

Magath: Man soll nie Nie sagen. Dass ich noch einmal als Trainer arbeiten werde, kann ich mir aber im Augenblick nicht vorstellen. Den Job, der mich derart reizen würde, mich noch mal von meiner Familie zu trennen, den sehe ich nicht, in Deutschland schon gar nicht. Hier habe ich vom FC Bremerhaven in der Verbandsliga bis zum FC Bayern München eigentlich alles trainiert. Ich wollte immer mal ins Ausland gehen. Aber dann sollte man als Trainer auch die jeweilige Landessprache sprechen. Ich kann leidlich Englisch. Die Neigung der Clubs in der Premier League, einen deutschen Coach zu holen, ist indes nicht gerade groß.

Haben Sie denn Angebote?

Magath: Das Geschäft funktioniert ja so: Es gibt Vereine, die Trainer suchen, es gibt Trainer die Vereine suchen, und es gibt Vermittler und Berater, die beide Parteien zusammenbringen wollen. Also bin ich irgendwo immer mal wieder im Gespräch und werde gefragt, ob ich mir dieses oder jenes vorstellen könnte. Konkrete Verhandlungen habe ich zuletzt nicht mehr geführt.

Sie sind einer der erfolgreichsten Trainer in der Geschichte der Bundesliga. Schmerzt es Sie nicht, dass jetzt das letzte Kapitel Ihrer Karriere ein Rausschmiss wäre?

Magath: Ich bin mit mir absolut im Reinen, auch was die Diskussion über meine Trainingsmethoden betrifft oder wie ich Mannschaften zusammengestellt habe. Ich habe stets den Auftrag meiner Arbeitgeber sehr ernst genommen. Alle Clubs wollten Erfolge sehen, und die möglichst sofort. Ich denke, ich habe immer prompt geliefert, abgesehen von meinen letzten Monaten beim VfL Wolfsburg. Dafür gab es Gründe, die ich aber nicht öffentlich diskutiere.

Und was machen Sie nun?

Magath: Ich bin weiter viel unterwegs, jetzt vor allem für die Phytokids-Stifung, deren Aufsichtsratsvorsitzender ich seit sechs Jahren bin. Die Stiftung ist aus einer Arzneimittelfirma hervorgegangen, die Medikamente auf rein pflanzlicher Basis herstellt. Wir setzen uns für benachteiligte Kinder ein, speziell in Krankenhäusern, in Deutschland, in strukturschwachen Gebieten, aber auch in Osteuropa und Asien. Wir versuchen Räume für Kinder bereitzustellen, in denen sie sich wohl fühlen. Fehlt es an Ärzten, Betreuung, Erziehern, Hilfe für Schularbeiten, zahlen wir sie. Für die Stiftung war ich in den vergangenen Monaten in Kasachstan und Kirgisien. Es ist für uns unvorstellbar, erschreckend und nicht hinzunehmen, unter welchen Bedingungen Kinder, besonders kranke Kinder in anderen Teilen der Welt, manchmal auch bei uns, leben müssen.

Wie ist die Verbindung zu Phytokids entstanden?

Magath: Ich habe mich schon immer für Naturprodukte interessiert, für gesunde Ernährung und schonende Formen der Medizin. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns mit der Natur gut stellen müssen, wollen wir als Menschheit überleben. Und Kinder liegen mir besonders am Herzen. Wobei wir es bislang nicht geschafft haben, unsere eigenen Kinder dafür zu begeistern, regelmäßig Gemüse, Salate und Obst zu essen. Wer einmal als Kind an einer Cola genippt hat, kommt offenbar von dieser Droge nicht mehr los.

Wie recht Sie haben!

Magath: Das Thema Ernährung gehört für mich deshalb in der Schule von der ersten Klasse an auf den Stundenplan. Es ist erschreckend, wie viel Zucker in Lebensmitteln für Kinder steckt. Da ist für mich auch der Staat gefragt.

Ihr Plädoyer für die Natur überrascht. Sie fahren große Autos, und die oft schneller als die Polizei erlaubt.

Magath: Da bin ich in der Tat noch nicht so konsequent, wie ich es sein sollte.

Wie konsequent sind Sie dann bei Ihrem Abschied vom Fußball? Beim HSV liebäugeln offenbar einige Personen des Aufsichtsrats mit Ihnen als Vorsitzenden einer ausgegliederten Profiabteilung.

Magath: Das ist für mich momentan kein Thema. Mir hat bislang niemand erklären können, wie es beim HSV aussieht. Ich kann in diesem Verein keine Strukturen erkennen. Und was derzeit öffentlich zwischen Vorstand und Aufsichtsrat abläuft, irritiert mich. Grundsätzlich kann ich mir jedoch vorstellen, einen Club zu führen.

In der Bundesliga haben die Bayern weiter aufgerüstet. Droht deren Überlegenheit eine Gefahr für die Liga zu werden?

Magath: Die Bayern haben immer das Prinzip gehabt, mit Spielereinkäufen die direkte Konkurrenz zu schwächen, um damit ihre Position auszubauen. Das ist natürlich ihr gutes Recht, denn sie haben sich ihre Vormachtstellung mit einer klugen Vereinspolitik über die Jahre verdient. Die Bundesliga aber hat in der Vergangenheit ihre Stärke daraus gezogen, dass sie ausgeglichener war als andere europäischen Spitzenligen. Mit dieser Ausgeglichenheit ist es vorbei. Die Bayern werden in dieser Bundesligasaison wahrscheinlich kein Spiel verlieren. Und ein Ende ihrer Dominanz ist nicht abzusehen. Das ist auf Dauer ungesund, auch für die Bayern.

Was ist zu tun?

Magath: Die amerikanischen Profiligen sind darauf bedacht, die Wettbewerbsfähigkeit aller Clubs auf hohem Niveau zu halten. Deshalb darf sich etwa der am schlechtesten platzierte Club der Vorsaison für die neue Spielzeit den besten Nachwuchsspieler auswählen. Ob solch ein Modell auf die Bundesliga übertragbar wäre, weiß ich nicht. Aber es lohnt sich nachzudenken, wie man im Interesse des Gesamtprodukts für mehr Chancengleichheit sorgt.