Leiser Abgang nach 14 Jahren: Drei Tage vor dem letzten Bundesliga-Spieltag trennen sich Thomas Schaaf und Werder Bremen. Der Trainer zeigt sich in einer Videobotschaft tief bewegt.

Bremen. Am Mittwochvormittag, 10 Uhr, endete die Ära. Mit einer knappen Presserklärung beendete Werder Bremen die Zusammenarbeit mit Thomas Schaaf. "Einvernehmlich" sei die Entscheidung getroffen worden, auf eigenen Wunsch werde der 52-Jährige beim letzten Saisonspiel in Nürnberg nicht mehr auf der Bank sitzen, hieß es. Schaaf habe sich am Mittwochmorgen von den Spielern und seinen Trainerkollegen verabschiedet und seinen Arbeitsplatz verlassen. So endete jene einmalige Partnerschaft zwischen Schaaf und Werder, die stets als Leuchtfeuer der Vernunft galt, wenn anderswo wieder Trainer mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt wurden.

Irgendwie war es lausig, dass es so zu Ende gehen musste. Wer in den vergangenen Jahren einen Gedanken daran verschwendet hat, dass Schaaf tatsächlich irgendwann einmal in Bremen aufhören würde, dem schwebten große Bilder vor dem inneren Auge. Ein grün-weißer Rausch, und mittendrin im Farbenmeer taucht unregelmäßig der Schnauzbart von Schaaf auf, den die Liebe und die Tränen der Fans dann irgendwann aus dem Stadion spült.

Und nun? Fast fühlt es s ich an, als wäre er davon gejagt worden, was so natürlich nicht stimmt. Im Gegenteil: Er soll selbst darum gebeten haben, schon vor dem letzten Spiel gehen zu dürfen. Er war entkräftet vom zehrenden Abstiegskampf, dem die Bremer erst mit dem 1:1 gegen Eintracht Frankfurt entronnen waren. Nicht einmal die Aussicht, sich von den phänomenalen Fans zu verabschieden, die ihm und dem Team trotz des Niedergangs die Treue gehalten hatten, konnte ihn motivieren. Und er war bockig. Schaaf hat gemerkt, wie die Vereinsbosse langsam von ihm abrückten, wie sie der sportliche Niedergang störte und die Schuld dafür offenbar bei Schaaf abluden, der seinerseits mit ansehen musste, wie die besten Spieler verkauft wurden. "Wer in den vergangenen Wochen gesehen hat, wie kämpferisch Thomas Schaaf war, der kann sich vorstellen, dass er das Verhältnis nicht jetzt beenden wollte", sagte Sportchef Thomas Eichin. Offenbar kam es dann während des Gesprächs zum Bruch, und Schaaf schmiss von sich aus hin. "Für uns war das auch überraschend. Wir hätten es gern gesehen, wenn er die Mannschaft gegen Nürnberg noch betreut hätte", sagte Eichin.

Es wirkte dann auch wie eine Flucht, als er seine Sachen packte und den Ort verließ, den er 14 Jahre lang geprägt hatte wie kein Zweiter. Als am Mittag eine Pressekonferenz einberufen wurde, fehlte er. Das Handy? Aus. Nur über die Pressestelle ließ er ausrichten, er habe "eine außergewöhnliche Zeit" in Bremen gehabt, "verbunden mit vielen positiven Erlebnissen und großen Erfolgen". Und natürlich bedankte er sich artig "bei allen, die mich auf diesem Weg begleitet und unterstützt haben". Aber es las sich wie ein Abschiedsbrief, den der Ehemann nach langer Zweisamkeit auf dem Tisch liegen gelassen hat, um wortlos zu gehen.

Schaaf zeigt sich tief bewegt

Tief bewegt zeigt sich Schaaf später in einer Videobotschaft: "Wir haben gemeinsam unheimlich schöne Momente erlebt und Erfolge eingefahren, genauso aber auch schwierige Zeiten durchgemacht", sagte der bedröppelt dreinschauende Trainer mit belegter Stimme in dem Abschiedsgruß an die Fans.

Wie angekündigt hatte der Vorstand in den vergangenen Tagen die sportliche Entwicklung analysiert und kam zu dem Schluss, "dass wir einen Neuanfang wagen wollen", sagte Eichin. Nach dem Kraftakt zum Klassenverbleib "sind wir der gemeinsamen Überzeugung, dass eine einvernehmliche Trennung für den geplanten Neustart das Beste ist". Die vergangen drei Jahre seien nicht rosig gewesen, sagte Eichin, seit Februar in Bremen im Amt: "Für uns galt es nun, eine positivere Situation zu schaffen."

So verlässt also der dienstälteste Bundesligatrainer seinen Arbeitsplatz, der im Laufe der Zeit wie zu einem natürlichen Biotop für ihn geworden war. Schaaf, der knurrige und doch so sensible Mensch. Und der SV Werder, dieser ruhige, gemächliche Club. Schwer zu sagen, wer wen mehr geprägt hat. Erfolgreich war die Zeit: Drei Pokalsiege (1999, 2004, 2009) holte Schaaf, 2004 mit Spielern wie Ailton, Johan Micoud und Valerien Ismael sogar die Meisterschaft. Um die Dauer seiner Amtszeit zu würdigen, braucht man nur nach Hamburg schauen: Während der Schaaf-Ära gab es beim HSV 14 Chef-Trainer.

Seit 1972 war Schaaf im Verein, er spielte selbst 281-mal in der Bundesliga für den Club und übernahm im Mai 1999 die Mannschaft von Felix Magath. Sein Vorgänger überrascht der Abschied von Schaaf nicht besonders: "Er wollte es wohl so. Wenn einer so lange in einem Verein ist, ist es doch schön, das Ende selbst bestimmen zu können", sagte Magath. Er habe keinen Zweifel, dass Schaaf schnell einen neuen Verein finden werde."Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass er erst einmal eine Pause einlegt." Magath ist seit seiner Entlassung beim VfL Wolfsburg im Oktober 2012 ohne Job. Mit einem Anruf aus Bremen rechnet er allerdings nicht.

Nein, einen Typen wie Magath wird Werder nicht in den Verein holen. Zwei Namen werden für die Nachfolge kolportiert: Mehmet Scholl und Holger Stanislawski. Scholl hat allerdings kaum Erfahrung, trainierte bislang lediglich die Amateure des FC Bayern München. Und Stanislawskis Karriere war zuletzt auch eher Dorfstraße als Königsallee. In Hoffenheim hielt er nur ein halbes Jahr durch. Und mit Köln verpasste er gerade den Erstlliga-Aufstieg. Es wird also ein hartes Stück Arbeit, die Legende Thomas Schaaf würdig zu ersetzen.