Der Gastgeber der Fußball-WM 2014 war gegen die „Sqaudra Azzurra“ auf bestem Wege, die Stimmen der Kritiker im eigenen Land verstummen zu lassen. Doch dann kam Italiens Enfant Terrible.

Genf/Rio de Janeiro. Der Witz der Stunde in Brasilien ist eigentlich eine Frage. Was ist zuerst fertig? Die Stadien mit ihren Bauverzögerungen oder die Selecao für die Fußball-WM 2014? Das 2:2 (2:0) am Donnerstag in Genf im Klassiker gegen Italien war zum Leidwesen der brasilianischen Fans ein Fingerzeig in die falsche Richtung. Den Italienern gab das Unentschieden dagegen Rückenwind – vor allem, weil das Enfant terrible Mario Balotelli mit einem Traumtor mal wieder sportliche Schlagzeilen schrieb.

Die Leistung der Brasilianer gab keinerlei Anlass zur Euphorie. „Wie sollen wir da für den Confed Cup in Stimmung kommen?“, fragte die Sportzeitung Lance höhnisch. Denn vor der WM-Generalprobe vom 15. bis 30. Juni erweisen sich für den Rekord-Weltmeister, mittlerweile nur noch 18. der FIFA-Weltrangliste, alle anderen Weltmeister regelmäßig als eine Nummer zu groß. Gegen Argentinien, Frankreich, Deutschland und zuletzt England hagelte es Niederlagen, der letzte Sieg datiert aus dem November 2009 (1:0 gegen England).

Nach dem Schlusspfiff im Stade de Genève war vor allem Torhüter Julio César die Wut angesichts der aus der Hand gegebenen 2:0-Führung anzumerken. „Den zwei Gegentoren gingen Fehler von uns voraus. Nach außen sage ich dazu nichts mehr, aber intern werde ich den Mund aufmachen“, sagte der 33-Jährige.

Auch Jungstar Neymar war „ziemlich angefressen“. Dabei hatte der Dribbelkünstler den Angriff zum 1:0 durch Fred (33.) eingeleitet und Oscar (41.) bei dessen 2:0 nach sehenswertem Solo mustergültig bedient. Am Ende huschte dem 21-Jährigen dennoch ein Lächeln über die Lippen, als er sich Balotellis Trikot schnappte. „Ich bin ein Fan von ihm“, sagte Brasiliens Teenie-Idol.

Und der umstrittene Balotelli zeigte am Donnerstagabend, warum. Mit einem Traumtor (57.) führte er sein Team noch zum Unentschieden. „Mario hat das Potenzial, bald zu den fünf stärksten Spielern der Welt zu gehören. Dafür muss er aber Kontinuität beweisen. Er hat unzählige Torgelegenheiten kreiert und auch die Abwehr unterstützt“, sagte Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli, der von einer der stärksten Leistungen der Squadra Azzurra sprach.

Dante kommt beim Anschlusstor zu spät

Vor Balotellis Ausgleich hatte Daniele de Rossi (54.) nach einer Ecke den Anschlusstreffer erzielt. Bayern-Innenverteidiger Dante, der erneut durchspielte, war dabei zu spät gekommen.

Die italienischen Zeitungen sparten aber auch nicht mit Lob für Prandelli, unter dem die Italiener zu alter Stärke zurückgefunden haben. „Prandelli hat von Anfang an die richtige Strategie gewählt. Die Leistung gibt Italien Mut für den bevorstehenden Weg bis zur WM“, schrieb Tuttosport.

Brasiliens Coach Luiz Felipe Scolari bekommt dagegen in der Heimat schon nach seinem zweiten Auftritt sein Fett weg. Eine Handschrift des 64-Jährigen sei unter seiner Regie noch nicht erkennbar. TV-Kommentator Neto nannte Scolaris Wechsel, vor allem die Herausnahme der beiden Torschützen, „fürchterlich“. Die Gazeta Esportiva schrieb gar, dass Scolari im zweiten Durchgang eine Lehrstunde von Prandelli erhalten habe.

Der Weltmeistertrainer von 2002 kündigte dennoch für den nächsten Auftritt am Montag in London gegen Russland an, am System festzuhalten. „Vielleicht bringe ich zwei, drei neue Spieler“, sagte der Seleção-Chef. Er machte damit Münchens Luiz Gustavo sowie Veteran Kaká, beide gegen Italien spät eingewechselt, Hoffnung auf eine echte Bewährungschance.