Trainer Christian Streich hat ein Team gefordert, das das internationale Geschäft erreichen kann. Platz entspricht nicht den Vorgaben.

Freiburg. Es geht um 4,50 Meter. Ungefähr so lang ist der neue Golf VII. Das ist nicht viel. Aber sollte sich der Tabellenfünfte für die Europa League qualifizieren, hat er ein Längenproblem. Der Platz in Freiburg misst derzeit nur 100,5 Meter. Laut der Uefa-Statuten würde diese Länge gerade noch reichen, die Qualifikationsrunden für die Europa League zu spielen. Aber von der Gruppenphase an schreiben die Regeln einen Platz mit mindestens 105 Meter Länge und 69 Meter Breite vor. Nun gut, werden sie in Freiburg sagen, noch ist es nicht so weit. Aber für den Fall der Fälle sollten sie schon mal nach einer Lösung schauen. So schnell, wie man in dieser Bundesligasaison bei der Leistungsdichte im Mittelfeld durchgereicht werden kann, so einfach ist es, sich mit zwei, drei guten Spielen im oberen Drittel festzusetzen.

Nach dem 3:2 (1:1) in Bremen wollte beim SC zwar niemand über das internationale Geschäft sprechen. Aber dass der Abstiegskampf mit 34 Punkten aus 22 Spielen so gut wie bestanden ist, konnte selbst Trainer Christian Streich nicht dementieren: "Wir werden wohl unser Saisonziel erreichen."

Im gleichen Atemzug ein neues Saisonziel auszugeben, erschien ihm ungeachtet des beeindruckenden Auftritts jedoch anmaßend. "Das wäre von dieser jungen Truppe zu viel verlangt", sagte Streich, der auch der Partie am Freitag gegen den Tabellenvierten Frankfurt betont gelassen entgegensieht, denn: "In Freiburg gibt es keinen Hype."

Mittelfeldspieler Cedric Makiadi räumte zwar ein, dass sich mit Sicherheit alle Fans über einen fünften Platz freuen würden: "Aber über Rang zehn würde sich auch niemand ärgern."

Sie geben sich bescheiden. Wie immer in Freiburg. 1993 war der SC erstaufgestiegen. Plötzlich schaute die Fußballnation auf eine Stadt, die zuvor eher für ihre Idylle bekannt war. Für eine Universität, deren Studienplätze sehr begehrt sind. Nun aber gab es da einen kleinen Fußballverein, der sich in der Bundesliga einrichten wollte. Im Establishment.

Und das klappt seither mit Abstrichen ganz gut. Der SC Freiburg steht für guten Offensivfußball - ist aber auch speziell. Lange Zeit, bevor auch der Letzte in Deutschland ein Umweltbewusstsein entwickelt hatte, ging der SC schon mit gutem Beispiel voran. Für die Stromerzeugung installierte der Club 1995 Solartechnik auf dem Stadiondach. Jahre später fand die Idee viele Nachahmer. 1995 und 2001 gelang dem SC Freiburg schon mal die Qualifikation für den Uefa-Cup, dem gegenüber stehen aber auch drei Abstiege: 1997, 2002 und 2005. Seit knapp sechs Jahren sind die Breisgauer wieder erstklassig.

Vor allem in dieser Saison läuft es sportlich wieder. Und das trotz eines kleinen Budgets. Der "Spiegel" hat kürzlich vorgerechnet, dass der Etat der Profiabteilung mit 18 Millionen Euro - Trainer, medizinische Abteilung und Betreuer mit eingerechnet - dem Gehalt der drei Topverdiener beim VfL Wolfsburg entspricht. Bei solchen Voraussetzungen sind die Freiburger zwingend darauf angewiesen, selber für Nachschub zu sorgen. Seine Fußballschule lässt sich der SC 3,3 Millionen Euro im Jahr kosten. Das zahlt sich aus. Zehn im Verein ausgebildete Spieler stehen mittlerweile im Profikader. Sechs davon standen beim 3:2 in Bremen auf dem Platz.

Doch über allem steht seit dem 29. Dezember 2011 der Trainer. Da übernahm Christian Streich, der seit 1995 im Verein ist, das Amt von Marcus Sorg. Weil Streich jahrelang die Jugendabteilung leitete, kennt er Freiburgs talentierte Nachwuchskräfte am besten. "Wir wissen, was auf dem Platz zu tun ist", sagt Verteidiger Oliver Sorg. Sportdirektor Dirk Dufner ergänzt: "Die Jungs glauben, was er ihnen vermittelt. In der Gruppe ist Feuer drin."

Unter Dauerfeuer steht auch ständig der Trainer. So zurückhaltend und bedächtig er sich meistens bei Interviews gibt, so temperamentvoll agiert er in der Coachingzone. Streich gestikuliert wild, rudert mit den Armen, pfeift und tobt mit sympathisch zerzausten Haaren. Als in Bremen der Abpfiff ertönte, rannte Streich elektrisiert über den Platz, um die Spieler zu herzen.

Streich ist ein anerkannter Fachmann, aber auch eine Attraktion der Liga, weil er so anders ist als die anderen Trainer: kauzig, schnörkellos, authentisch. Der Mainzer Trainer Thomas Tuchel sagt: "Er ist der beste Fußballausbilder in Deutschland." Unter Streich hat Freiburg eine Spielidee verwirklicht: kurze Pässe, kurze Kontaktzeiten, viele Spieler in Ballnähe, Disziplin, Teamfähigkeit. Mal schauen, wohin der Weg mit dem Trainer führt. Wenn es nach Europa geht, sollten die Verantwortlichen schon mal das Schreiben für die Ausnahmegenehmigung vorbereiten. An 4,50 Metern sollten europäische Träume nicht scheitern.