Der FC Bayern ärgert sich über das Unentschieden gegen den deutschen Meister und richtet eine Kampfansage in Richtung Borussia.

München. Die Stimmung in der Kabine des FC Bayern pendelt gerne zwischen den Extremen. Nach anstrengenden Trainingseinheiten bewerfen sich die Stars des FC Bayern gern mit ihren vollgeschwitzten Stutzen. Franck Ribéry taucht seine vorher extra ins Eiswasserbecken. Die gleiche Ausgelassenheit herrscht nach Siegen, nach bitteren Niederlagen ist dagegen der Frust fast zum Greifen nah.

Aber so eine Stimmung wie nach diesem 1:1 (0:0) gegen Borussia Dortmund? Gibt es fast nie beim FC Bayern. Kurz war da Ratlosigkeit. "Du sitzt in der Kabine, schaust dich um und fragst dich, ob du dich ärgern oder das Ergebnis einfach mitnehmen sollst", erzählte Stürmer Mario Gomez.

Nach dem Duschen sahen sie beim Tabellenführer schon klarer. Sie realisierten, dass sie eine große Chance verpasst hatten. Trotz der Führung von Toni Kroos (67. Minute) zum sechsten Mal in Folge in einem Pflichtspiel kein Sieg über den Rivalen, sie hatten Mario Götze ausgleichen lassen (74.). Den Vorsprung auf die Borussia haben die Münchner gehalten, die elf Punkte lassen sie sehr ruhig schlafen. Mit 14 Zählern Abstand zu dem Tabellendritten hätte sie wohl auch ein Erdbeben nicht wecken können. Sie mögen Superlative, diese Situation wäre so dermaßen Mia-san-Mia gewesen. Die Bayern haben in 15 Ligaspielen 41 Tore geschossen, sind für die Achtelfinals der Champions League und des DFB-Pokals qualifiziert. Jetzt verpasste Chancen zu sehen ist Meckern auf hohem Niveau. Aber der FC Bayern ist eben Perfektionist, er will immer höchstes Niveau.

Am Sonnabend ging es auch um seine Ehre, das Selbstverständnis des Klubs. Wir wollen wieder die deutsche Nummer eins werden! Das hatten die Bayern vor dem Anpfiff gesagt. Gemessen an Titeln, an Prestige, an Geld, an Tradition sind sie es - aber sportlich liegt Dortmund seit Jahren nicht mehr hinter dem Rekordmeister. Es sei ein Spiel auf Augenhöhe gewesen, sagte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef des FC Bayern. Stimmt. Doch genau das hatte es aus Sicht der Gastgeber nicht werden sollen.

Es sollte eine Machtdemonstration des Rekordmeisters werden. Aber die Münchner konnten ihr Ego nicht befriedigen. BVB-Torhüter Roman Weidenfeller legte nach seiner starken Leistung den Finger in die Wunde: "Bayern München hat es wieder nicht geschafft, uns zu besiegen." Die Betonung lag auf wieder. Es klang wie ein Ätsch. Ihr packt uns einfach nicht!

Der schwarz-gelbe Stachel bleibt stecken. Nationaltorwart Manuel Neuer fand, dass seine Mannschaft besser war und deshalb zwei Punkte habe liegen lassen. Mittelfeldspieler Thomas Müller sagte: "Es ist ärgerlich, dass es nicht zu mehr gereicht hat. Wir hätten gern gesiegt, um zu zeigen, dass wir gegen Dortmund auch gewinnen können. Das tut ein bisschen weh." Die Dortmunder hätten gezeigt, dass auch sie "eine deutsche Fußballmacht sind".

Doch auch der FC Bayern hat einiges bewiesen. Dass er mit dem Gerede ums Dortmund-Trauma zurechtkommt. Dass er Mittel gegen die starke Offensive gefunden hat. Dass er in Toni Kroos und Franck Ribéry zwei Spieler hat, die entscheidend für eine erfolgreiche Saison sein werden.

Die Mannschaft trat vor allem in der zweiten Hälfte sicherer und dynamischer auf als in den vergangenen Partien gegen den BVB. Sie ist in dieser Spielzeit stabiler als in der Vorsaison, als sie den Vorsprung auf den BVB verspielte. Verständlich, dass Präsident Uli Hoeneß sagt: "Wir wollen mal nicht unzufrieden sein. Es war ein tolles Spiel."

Der Respekt der Mannschaften voreinander war in den 90 Minuten groß. Die Dortmunder sind mit ihrer Leistung weitestgehend zufrieden, nennen das Remis ein Erfolgserlebnis. Sie wissen aber auch, dass ihre Chancen auf den Meistertitel nicht gerade gestiegen sind. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sagte: "Die Bayern werden dieses Jahr wohl kaum zu stoppen sein. Vielleicht wenn sie in ein Leistungstief fallen, aber das ist unwahrscheinlich."

Philipp Lahm und Kroos versicherten, dass diese Sieglosserie gegen Dortmund nun wirklich nicht so wichtig sei. Wie tief der Stachel tatsächlich sitzt, zeigt aber Müller. In den vergangenen Jahren habe die Borussia ihn zur Weißglut getrieben. Geht es nach seinem Präsidenten Hoeneß, soll es bald wieder umgekehrt sein. "Ich denke, dass wir sie jetzt die nächsten Jahre zur Weißglut bringen. Die Voraussetzungen sind jetzt ja alle ganz gut", sagte der Vereinsvorsitzende. Die Mannschaft könne diesen Vorsprung nicht verspielen.

Allerdings ist Dortmund nicht der einzige Konkurrent. Da ist ja auch noch Bayer Leverkusen, Tabellenzweiter und lediglich acht Punkte hinter den Bayern. Müller ist nicht nur Fußballprofi. Er ist auch Hobbyhistoriker mit dem Spezialgebiet Bundesliga. Er erinnert mit Blick auf Leverkusen an die Saison 2008/2009, als Hertha BSC völlig überraschend bis zwei Spieltage vor Schluss die Chance hatte, Meister zu werden. "Da hat auch niemand damit gerechnet, dass die so lange oben bleiben."