Trainer Hamren berichtet von „sehr guter“ Ansprache seines Stars in der Halbzeitpause – So wurde aus 0:4 noch ein 4:4

Berlin. Einmal nicht herauszuragen, fällt Zlatan Ibrahimovic grundsätzlich schwer. Er genießt es, dass er geliebt oder gehasst wird, er ist ein Flegel, der als Engel seine Heimat in Freude versetzt und schon im nächsten Moment als Teufel alles Leid über seine Landsleute bringen kann. Doch in der dritten Minute der Nachspielzeit dieses schon jetzt legendären Fußballspiels gegen Deutschland war auch Ibrahimovic aus Herzenslust gerne einmal: nur einer von vielen. Einer inmitten des Getümmels schwedischer Fußballer in gelben Hemden und blauen Hosen, die das Glück ihres späten Ausgleichstreffers zum Endstand von 4:4 (0:3) kaum fassen konnten.

+++ Kommentar zu Deutschland gegen Schweden +++

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Freilich war von herausragender Bedeutung für dieses Ergebnis Ibrahimovic, der sechsmalige „Fußballer des Jahres“ von Schweden. Nach zwischenzeitlichem Vier-Tore-Rückstand „war es quasi ein Sieg für uns“, sagte der 30-Jährige und ordnete den Spielverlauf entsprechend ein: „In der zweiten Halbzeit ist ein Wunder geschehen.“ Eines, an dessen Entstehung „Ibrakadabra“ in den 15 Minuten Pause zuvor kräftig mitgewirkt haben muss. So jedenfalls erzählte es Erik Hamren („Ein Punkt in Deutschland gegen eine der besten Mannschaften der Welt zu holen, ist grandios“), Schwedens Trainer, in dessen ureigensten Tätigkeitsbereich Ibrahimovic offensichtlich ungestört hatte eingreifen dürfen. „Er hat sehr gut gesprochen in der Halbzeitpause, er hat die anderen Spieler sehr gut gecoacht“, erzählte Coach Hamren.

Auch den späten Ausgleich machte Ibrahimovic mit einem wenigstens als robust zu bezeichnenden Körpereinsatz gegen Deutschlands Abwehrspieler Per Mertesacker erst möglich. Doch da war es längst das Spiel der Schweden. „Irgendetwas passierte mit dem Tor zum 2:4“, sagte Hamren: „Deutschland hörte das Fußballspielen auf und wurde nervös. Selbst Weltklassespieler können irritiert sein. Sie waren so gut, dann steht es 4:4, das muss furchtbar für sie sein.“

Als diese deutschen Weltklassefußballer zur Pause 3:0 führten, wechselte Hamren – oder war es Ibrahimovic? – zwei Offensivkräfte ein. „In der ersten Halbzeit hat Deutschland fantastisch Fußball gespielt. Wir hatten vielleicht nicht Angst, aber wir waren zu vorsichtig“, sagte Ibrahimovic, ehe er den aus seiner Sicht weitaus erfreulicheren Teil des Geschehens so schilderte: „Die Aufgabe in der zweiten Halbzeit war 'heavy', aber nach dem 1:4 begannen wir an uns zu glauben.“ Unnötig zu erwähnen, dass Ibrahimovic höchstpersönlich es war, der nach 62 Minuten dieses erste schwedische Tor im Spiel erzielte – und es bejubelte, als sei Schweden soeben Weltmeister geworden.

Aber er vergaß bei aller Freude auch nicht die Botschaft an seine Mitspieler. Er holte den Ball aus dem Netz und legte ihn zielgenau auf dem Anstoßpunkt wieder ab – die Zeit drängte schließlich. Der Rest ist Geschichte, schwedische wie deutsche Länderspielgeschichte gleichermaßen. Nie zuvor in über 104 Jahren hat eine deutsche Mannschaft noch vier Tore Führung hergeschenkt, wie sie es diesmal tat. „Wir haben das mehr als fantastisch hinbekommen“, schwärmte Ibrahimovic, und sein Trainer schwärmte vor allem von ihm. „Er ist unser Kapitän und bester Spieler. Als wir Probleme hatten, hat man gesehen, wie gut Zlatan wirklich ist“, sagte Hamren. „Er hat ein fantastisches Tor geschossen, er hat mit seinem Kampf auch die Energie der Mitspieler freigesetzt.“

Zuletzt mochte Hamren aber immerhin doch auch einen kleinen Anteil am schwedischen Gesamtkunstwerk für sich reklamieren. Auch er, sagte der Trainer, habe in der Pause durchaus das Wort ergriffen. „Ich habe gesagt: 'Die Qualifikation ist heute nicht zu Ende, wir wollen noch ein gutes Gefühl für die nächsten Spiele mitnehmen.'“ Das Gefühl der Schweden muss nach dem 4:4 ziemlich gut sein.

Internationale Pressestimmen

Schweden

„Áftonbladet“: „Schweden braucht kein neues Nationalstadion in Stockholm. Wir haben schon eins in Berlin, wo wir von der Bahre wieder auferstanden sind. Das war wie ein Traum.“

„Expressen“: „Nie zuvor haben wir eine solche Berg- und Talfahrt erlebt. Nie zuvor war Schweden so erdrückt, erniedrigt und verzweifelt wie in der ersten Halbzeit. Was dabei wie ein unerreichbarer Wunschtraum schien, wurde nach 90 Minuten Wirklichkeit.“

„Svenska Dagbladet“: „Sagenhaft, Schweden. Die Urkraft bei der Auferstehung war unfassbar. Das 4:4 im Berliner Olympiastadion gehört jetzt zu unseren Sportklassikern. Eigentlich war das Spiel ja nach 15 Minuten vorbei.“

„Dagens Nyheter“: „Das war der größte Kracher der schwedischen Sportgeschichte. Die Deutschen sind eigentlich die falsche Mannschaft, um einen 4:0-Vorsprung herzugeben. Aber Schweden war diesmal die falsche Mannschaft zur Aufgabe. Danke für alles!“

England

„Daily Mirror“: „Die Deutschen haben sich am Schwedenhappen verschluckt. Den Schweden gelang eines der großartigsten Resultate im internationalen Fußball überhaupt, als sie nach 0:4-Rückstand gegen Deutschland noch zurückkamen und sich ein Unentschieden verdienten.“

„The Independent“: „Deutschland verspielt Vier-Tore-Vorsprung - Ibrahimovic inspiriert Schweden zu einem Comeback. (...) Nachdem man Irland am Freitag 6:1 besiegt hatte, schien Joachim Löws Elf vor heimischem Publikum bereit für den nächsten stolzen Abend. Aber Miroslav Kloses Kunststück, bis auf einen Treffer auf Gerd Müllers ewigen Torrekord aufzuschließen, wurde von einer Kapitulation seiner Mannschaft überschattet.“

„The Daily Telegraph“: „Deutschland hat in einer atemberaubenden Manier seine 100-prozentige Punkte-Ausbeute in der WM-Qualifikation eingebüßt. Schweden hat in Berlin ein bemerkenswertes Comeback nach 0:4 dargeboten.“

Spanien

„El País“: „Schweden zerlegt Deutschland.“

„El Mundo“: „Schweden von der Demütigung zum Heldentum: Ibrahimovic stachelte seine Leute zu einer sozialen Revolte an, die sogar die Proteste gegen die Besuche von Angela Merkel in Euro-Krisenstaaten in den Schatten stellte.“

„Marca“: „Aus einem 4:0 wird ein 4:4 – einfach unglaublich! Berlin erlebt eine der erstaunlichsten Aufholjagden der letzten Jahrzehnte.“

„As“: „Acht Tore in einem Spiel kommen schon ziemlich selten vor. Aber in 30 Minuten aus einem 0:4 ein 4:4 zu machen, ist extrem ungewöhnlich. Dies gelang den Schweden in Berlin.“

Italien

„La Gazzetta dello Sport“: „30 Alptraum-Minuten für Deutschland gegen Schweden. Was für eine Aufholjagd! Angela Merkel verging das Lächeln. Nach Ibrahimovics Tor stand nur noch ein Team auf dem Platz.“

„Corriere dello Sport“: „Unglaublich: Schweden holt gegen Deutschland ein 0:4 auf. Klose allein reicht nicht.“

„Tuttosport“: „Was für eine Show!“

„La Repubblica“: „Unglaublich diese Schweden!“

Österreich

„Österreich“: Neue Turbulenzen vorprogrammiert. Was für ein Drama in Berlin: Deutschland verspielte gegen Schweden eine 4:0-Führung - am Ende hieß es 4:4 in einem irren Match... Abwehr war katastrophal. Leichtsinn – Fehler luden die Schweden zum Toreschießen ein.“

„Kronen Zeitung“: „4:4-Schock nach 4:0! Historische 'Schweden-Bomben' (Anm. d. Red.: so werden in Österreich Schokoküsse genannt) in der letzten halben Stunde trafen Deutschland ins Herz - Löw und seine Spieler fanden keine Erklärung.“

„Kurier“: „Unglaubliche Wende – Deutschland verspielt ein 4:0. Schweden war einem Debakel nahe, jubelte nach vier Toren in der letzten halben Stunde in Berlin aber über ein 4:4 und einen Punkt.“

Schweiz

„Neue Zürcher Zeitung“: „Fassungslosigkeit in Berlin. Berlin hat am Dienstag eine verrückte Fußballnacht erlebt.“

„Blick.ch“. „Presse spottet über DFB-Elf: 'War das dämlich!'. Wie unglaublich das Spiel war, zeigt die Tatsache, dass Schweden exakt viermal aufs Tor schoss und jedes Mal traf. Goalie Manuel Neuer hielt tatsächlich keinen einzigen Ball!“

„Tages-Anzeiger“: „Furiose schwedische Aufholjagd – Vom 0:4 zum 4:4 in einer halben Stunde: Schweden bot in Deutschland ein wahres Spektakel.“

Portugal

„Público“: „In Berlin sind die Fans von der Euphorie in die Depression gestürzt. Zwei Tore von Klose und ein Treffer von Mertesacker ließen vor der Pause einen ruhigen Abend erwarten. Özils Tor gleich zu Beginn der zweiten Hälfte schien den Sieg dann endgültig besiegelt zu haben. Aber da war ja noch Ibrahimovic. Er traf und weckte Schweden zu einer schwindelerregenden letzten halben Stunde auf.“

Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Badstuber, Lahm - Kroos, Schweinsteiger - Müller (67. Müller), Özil, Reus (88. Podolski) - Klose.

Schweden: Isaksson - Lustig, Granqvist, J. Olsson, Safari - Wernbloom (46. Källström), Elm - Larsson (78. Sana), Ibrahimovic, Holmen (46. Kacaniklic) - Elmander.

Tore: 1:0 Klose (8.), 2:0 Klose (15.), 3:0 Mertesacker (39.), 4:0 Özil (55.), 4:1 Ibrahimovic (62.), 4:2 Lustig (64.), 4:3 Elmander (76.), 4:4 Elm (90.+3).

Gelb: Reus (2), Lahm, Schweinsteiger / Isaksson.

Schiedsrichter: Pedro Proenca (Portugal).

Zuschauer: 72 369 (ausverkauft).