Wie Babett Peter mithilfe des Fußballs ihrer Krankheit trotzte. Morgen spielt die Verteidigerin im WM-Viertelfinale gegen Japan.

Wolfsburg. Einen Hulk stellt man sich anders vor. Größer, muskelbepackter, lauter. Irgendwie präsenter. Diese junge Frau mit dem blonden Pferdeschwanz allerdings wirkt zurückhaltend, fast schüchtern. Eine Ähnlichkeit mit der Comicfigur, der sie ihren Spitznamen verdankt, ist nicht sichtbar. Vor allem jedoch nicht hörbar. Vor jeder Antwort überlegt sie kurz, lässt ihren Blick durch die Hotellobby schweifen und zieht konzentriert die Augenbrauen zusammen, ganz so, als habe sie eine schwierige Aufgabe zu lösen. Babett Peter, das wird einem schnell bewusst, redet nicht gern. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

Doch jetzt ist WM, die deutschen Spielerinnen sind gefragt bei Fans und bei den Medien, auch die Außenverteidigerin von Turbine Potsdam. Sie muss viel erklären. Etwa ob es tatsächlich an den zahlreichen Zusatzeinheiten im Fitnessstudio liegt, dass ihre Mitspielerinnen sie mitunter "Hulk" rufen. "Das verdanke ich Bianca Schmidt", sagt sie und zeigt den Anflug eines Lächelns. "In meiner Zeit als Sportsoldatin musste ich oft grüne Tarnkleidung tragen. Das inspirierte meine Teamkollegin zu diesem Scherz."

Richtig etabliert habe sich der Name nicht, etwas Wahres ist dennoch im Kern enthalten. Denn Babett Peter lernte früh, sich gegen Widerstände zu behaupten, die weit schwerer wiegen als Hanteln. Seit dem fünften Lebensjahr leidet die 23-Jährige an Fazialisparese, einer Krankheit, die Lähmungen in der Gesichtsmuskulatur hervorruft. Die verzogenen Mundwinkel fallen auf, heute noch, trotz einiger Therapieversuche. Mittlerweile, sagt sie, könne sie damit umgehen. Früher, als Kind, sei es ihr weit schwerer gefallen, sie musste Hänseleien auf dem Schulhof erdulden. Nur beim Kicken war all das vergessen, hier zählte das Talent. Und das hatte sie. "Mein Leben lang habe ich Sport betrieben. Da habe ich Anerkennung erfahren, gelernt, mich auch gegen Jungs durchzusetzen und Selbstbewusstsein gesammelt." Der Sport, sagt Babett Peter, half ihr, zu ihrer Persönlichkeit zu stehen. Fußball bedeutet ihr deshalb viel. Weil sie ihm viel zu verdanken hat.

Auf dem Platz kämpft Babett Peter. Nicht gegen sich, sondern für die Mannschaft. "Meine größte Kritikerin bin ich selbst", sagt sie. "Ich bin eine schlechte Verliererin, sehr schlecht. Nach einem verlorenen Spiel sollte man mich am besten nicht ansprechen." Sie nickt bedächtig, wie um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Dabei schimmert etwas durch von der Fußballerin Babett Peter, von ihrer ausgeprägten Willensstärke. Dieser Ehrgeiz hat sie ganz nach oben geführt, vom Bolzplatz im sächsischen Oschatz über den 1. FC Lokomotive Leipzig hin zu Turbine Potsdam. Viermal feierte sie dort bereits den Meistertitel, gewann die Champions League und den DFB-Pokal. 2006 debütiert sie im Nationaltrikot, ein Jahr später wird sie Weltmeisterin. Sie arbeitet hart, an ihrer Karriere und an sich. Verlässt als Jugendliche ohne zu zögern ihr Elternhaus, um zunächst das Sportgymnasium in Leipzig, dann das in Potsdam zu besuchen. Ein Schritt, den sie nie bereut hat, weil er sie da hinführte, wo sie jetzt erfolgreich ist: in die Nationalmannschaft, in die Startelf.

In den vergangenen Spielen hat sie bewiesen, dass sie eine wichtige Stütze für das Team ist. Eine, auf die Verlass ist, die mit Souveränität glänzt. Ihr Freistoß leitete in der Partie gegen Frankreich das 1:0 durch Kerstin Garefrekes ein. Als "Philipp Lahm der Mannschaft" wird sie mittlerweile in der Presse tituliert. Eine Ehre sei das schon, bekennt sie. Wenngleich sie von den ständigen Vergleichen mit den Männern nichts halte. In diesem Fall macht sie eine Ausnahme. "Schließlich handelt es sich bei Philipp Lahm um einen Führungsspieler, der zudem noch abseits des Platzes eine angenehme Persönlichkeit zu sein scheint."

Von einem Führungsspieler wird verlangt, dass er den Ton angibt. Ob sie das könne? Babett Peter stockt, sagt dann: "Keine Sorge, ich spreche Dinge schon an, wenn sie gesagt werden müssen. Das mache ich aber nicht über die Medien, sondern innerhalb der Mannschaft." Für die Sache diskutiere sie gern - und nur für die. "An sich bin ich eher ein harmonischer Mensch." Eng ist sie mit ihrer Familie und ihren Freunden verbunden - und mit ihrem Mops Jayjay. Ein "gemütlicher Zeitgenosse" sei der, habe trotzdem einen nicht zu unterschätzenden Durchsetzungswillen. Das kommt bekannt vor.