Der Torjäger ist in Bestform, erzielte beim 2:0 in Leverkusen beide Tore. Aber Löw verweigert ihm das Comeback.

Leverkusen. Die Aufforderung war laut und deutlich. "Jogi, mach die Augen auf!", skandierte der Schalker Anhang in Richtung des auf der Tribüne sitzenden Bundestrainers. Der hatte zuvor mit ansehen müssen, wie sich Kevin Kuranyi an die Spitze der Bundesliga-Torjägerliste gesetzt hatte. Beim 2:0 gegen Bayer Leverkusen erzielte der Angreifer seine Saisontore 16 und 17.

Obwohl Kuranyi fraglos die beste Form aller deutschen Stürmer aufweist, will ihn Joachim Löw nicht mit zur WM nach Südafrika nehmen. Eine Entscheidung, die einerseits verständlich ist, schließlich hatte sich Kuranyi 2008 trotz eindringlicher Warnung unerlaubt von der Mannschaft entfernt, um so gegen seine Verbannung auf die Tribüne zu protestieren. Andererseits wird es für Löw immer schwieriger, an dieser Grundsatzentscheidung festzuhalten.

Leverkusens Trainer Jupp Heynckes sagt: "Ich denke, dass es Löw vielleicht noch mal überdenkt, denn so reichlich bestückt sind wir vorn auch nicht, wenn wir sehen, wie andere Nationalspieler momentan spielen." Schalke-Trainer Felix Magath berichtet von einem zufälligen Treffen Kuranyis mit Löw. "Als Trainer musst du ab und zu Entscheidungen wieder zurücknehmen und verändern. Es geht dann immer darum, wie die Mannschaft am besten spielen kann", sagte Magath. Franz Beckenbauer sieht es ähnlich: "Der DFB und die sportliche Leitung sollen sich zusammensetzen und dann wird eine vernünftige Lösung dabei herauskommen." Der Angreifer selbt hält dem Bundestrainer seit Monaten die Hand hin. Er hat sich entschuldigt und um einen Neuanfang gebeten. "Ich bin in der besten Form meiner Karriere, aber ich kann nicht entscheiden", sagte Kuranyi in Leverkusen: "Es kann nur ein Mensch ändern - und ich werde so lange kämpfen, bis der es auch tut."

Am nächsten Sonnabend hat er dazu die nächste Gelegenheit - beim Topspiel der Schalker gegen den FC Bayern. Schalke-Trainer Felix Magath setzte alles daran, die aufkommende Euphorie angesichts der Eroberung der Tabellenspitze zu dämpfen. "Sie wollen doch wohl nicht einen Lukas Schmitz, der in der vergangenen Saison noch in der zweiten Mannschaft des VfL Bochum gespielt hat, oder einen Christoph Moritz, der aus der A-Jugend von Alemannia Aachen kam, mit Mark van Bommel oder Bastian Schweinsteiger vergleichen?", fragte Magath fast schon vorwurfsvoll in die Runde der Journalisten. Im Gegensatz zur Vorsaison, als Magath auf der Zielgeraden der Saison seine Zurückhaltung aufgegeben hatte und dann auch offen davon sprach, mit dem VfL Wolfsburg Meister werden zu wollen, hält er den Zeitpunkt derzeit immer noch nicht für gekommen.

"Nach dem kommenden Wochenende werden wir genauer wissen, was wir am Ende erreichen können", vertröstete er seine Zuhörer. Dessen ist sich Magath bewusst. "Wir wollen immer ganz nach oben, wenn das geht", sagte er: "Aber da haben andere oft etwas dagegen. Nächsten Sonnabend werden die Bayern etwas dagegen haben." Die Bayern, fügte Magath an, könnten grundsätzlich nicht gut damit leben, wenn sie nicht auf Platz eins stehen. Dabei bemühte er sich, ernst zu wirken, und verkniff sich selbst das leicht ironische Lächeln, das er in den vergangenen Wochen oft gezeigt hatte, wenn die Rede auf den Rekordmeister gekommen war.

Es wirkte so, als wollte Magath die angeschlagenen Bayern auf keinen Fall reizen. Einen kleinen Seitenhieb auf Uli Hoeneß konnte er sich jedoch nicht verkneifen. "War der Rasen so schlecht?", hatte er gefragt, als er mit dem Ergebnis aus München konfrontiert worden war. Schließlich hatte Hoeneß Magath nach dem Halbfinale im DFB-Pokal vom Mittwoch unterstellt, den kaputten Rasen in der Veltins-Arena nicht ausgetauscht zu haben, um die technischen Defizite seiner Mannschaft zu kaschieren.

Es könnten die entgegengesetzt verlaufenen Formkurven sein, die das Titelrennen entscheiden. Während die Bayern auf der Suche nach verloren gegangener Dominanz sind, zeigten die Schalker am Sonnabend auch spielerisch ihre beste Saisonleistung. Und Torwart Manuel Neuer schnappte sich nach dem Abpfiff ein Megafon und stimmte ein selbstbewusstes Liedchen vor dem Schalker Fanblock an: "Schalke ist die Macht, wir holen uns die Meisterschaft, das wäre doch gelacht." Die 10 000 mitgereisten Anhänger antworteten lautstark: "Deutscher Meister wird nur der S04."