Hamburg. Anders als auf dem Fußballfeld, wo ein Spiel bekanntermaßen 90 Minuten dauert, brauchte Jens Lehmann gestern Nachmittag in Hamburg nur 20 Minuten, um als Sieger vom Platz zu gehen. Der Torhüter des VfB Stuttgart, der nach seinem Platzverweis im Spiel beim FSV Mainz 05 und der anschießenden Flucht aus dem Stadion am vergangenen Wochenende seit Tagen die Schlagzeilen beherrscht, nutzte die Einladung von Johannes B. Kerner, um in dessen gleichnamiger Talkshow sein angekratztes Image gerade zu rücken. "Mir ist im Spiel gegen Mainz ein Fehler unterlaufen", gab Lehmann ohne Umschweife zu Anfang der Aufzeichnung, die gestern Abend auf Sat 1 ausgestrahlt worden ist, zu.

Der Nationaltorhüter, der kurz vor der Sendung um 15.45 Uhr mit einem Privatflugzeug im Geschäftsfliegerzentrum des Hamburger Flughafen gelandet war, präsentierte sich - anders als zuletzt auf und abseits des Fußballplatzes - im Atelier 5 des Studios Hamburg in Tonndorf höflich und bestens gelaunt. Seinen Ausraster vom Wochenende, als er Stürmer Aristide Bancé auf den Fuß getreten war, erklärte Lehmann, der vom DFB für drei Partien gesperrt wurde, mit der besonderen Atmosphäre auf dem Platz: "Im Fußballstadion kommen immer viele Emotionen hoch und gerade in der Situation, in der sich der VfB gerade befindet, wo viel verlangt wird und man keine Fehler machen darf." Die Aktion sei ihm mittlerweile "peinlich" und "unangenehm". Lehmann, adrett mit grauem Pullover, dunkler Hose und schwarzen Schuhen, betonte, dass ihm sein Verhalten für seine Mannschaft leid tue, wollte sich aber nicht bei dem Anhänger entschuldigen, dem er im Anschluss der Partie in Mainz die Brille von der Nase genommen hatte: "Der Fan hat meiner Meinung nach nicht das Recht, mich direkt nach dem Spiel so zu konfrontieren."

Moderator Kerner, der sichtlich darum bemüht war, das zuletzt eher bescheidene Verhältnis zwischen Journalisten und Lehmann zu verbessern, konnte dem Torhüter nur wenige überraschenden Aussagen entlocken. Die Frage, ob der 40-Jährige mit seinem Verhalten seinen Rauswurf beim VFB provozieren wollte, verneinte Lehmann, der nun sogar die vom VfB-Vorstand angedrohte Geldstrafe ("eine hohe Summe") zahlen will. Der Keeper und die Stuttgarter Verantwortliche hatten sich bereits zu Wochenbeginn bei einem Treffen ausgesprochen. "Ich habe ihm gesagt, dass ihm eine Portion Gelassenheit gut anstünde", kommentierte Stuttgarts neuer Trainer Christian Gross den erfolgreichen Friedensgipfel.

Bei Lehmanns Blitzbesuch in Hamburg überraschte der ehemalige Schalker lediglich mit dem Bekenntnis, nicht zwangläufig schon nach dieser Saison aufhören zu wollen: "Im Fußball ist alles möglich. Ich bin kein Mensch, der sagt 'Ich höre zu 100 Prozent auf'." Dabei hatte der 61-fache Nationalspieler zuletzt immer wieder betont, im kommenden Sommer aufhören zu wollen.

Nach der Aufzeichnung verschwand Lehmann - erneut von einer dunklen BMW-Limousine kutschiert - genauso schnell wie er zuvor gekommen war. Beim für heute in Stuttgart angesetzten Geheimtraining dürfte der Schlussmann aufgrund einer Knieverletztung allerdings ebenso fehlen wie am Wochenende gegen Hoffenheim. 90 Minuten Fußball spielen darf Lehmann erst wieder am 31. Januar gegen seinen Ex-Verein Borussia Dortmund. Bleibt abzuwarten, ob er dann auch vom Fußballfeld als Sieger vom Platz gehen kann.