Wer Ulrich Mann (72) heute auf den 21. September 1978 anspricht, dem antwortet der ehemalige Mannschaftsarzt des HSV (1976-2000) erst einmal mit einem Schmunzeln. Dann sagt er: "Für die Sache habe ich damals viel Haue einstecken müssen. Ich galt in der Bundesliga plötzlich als Schlächter." Der Grund: Welt- und Europameister Uli Hoeneß, beim FC Bayern nach zahlreichen Knieverletzungen nur noch Ersatz, wollte zum HSV wechseln. "Beim Training hatte er einen hervorragenden Eindruck hinterlassen, beim anschließenden Medizincheck nicht. Sein Knie war instabil, ein Wackelknie", erinnert sich Mann, "ohne weitergehende Untersuchungen konnte ich dem neuen HSV-Manager Günter Netzer kein grünes Licht für Hoeneß' Verpflichtung geben."

Mann schlug Hoeneß eine Arthroskopie unter Vollnarkose vor, eine Spiegelung des Kniegelenks, um die mutmaßlichen Knorpelschäden genau diagnostizieren zu können. "Das war Ende der 1970er-Jahre eine relativ neue Methode, heute würde man eine Kernspintomographie machen, aber ich hatte seit 1977 rund 150 Arthroskopien durchgeführt, und bei keiner gab es einen Zwischenfall oder irgendwelche nachteiligen Folgen. Hoeneß lehnte meinen Vorschlag brüsk ab. Das teilte ich Netzer mit. Der sagte Hoeneß sofort ab. Der Wechsel war geplatzt. Netzer hatte zu Hoeneß gesagt: ,Ich kann dich nicht über den Kopf meines Vereinsarztes verpflichten.' Hoeneß flog nach München zurück und ließ seiner Empörung in den Medien freien Lauf. Im ,Aktuellen Sportstudio' des ZDF sollte ich mit ihm diskutieren, doch meine Frau hatte Geburtstag, ich musste leider absagen. In der Sendung wurde dann sehr viel Unsinn erzählt."

"Später", sagt Mann, "habe ich Uli Hoeneß noch oft getroffen, unser Verhältnis hat sich mit den Jahren entspannt. Als ich hörte, dass Hoeneß als Manager des FC Bayern vor dem Kauf älterer Spieler auch schon mal auf einer Kniespiegelung bestanden haben soll, musste ich doch grinsen."