Es war der verzweifelte Versuch, dem matten Treiben der Fußballelite Einhalt zu gebieten und Leistungsgehorsam einzufordern.

Mit dem Pfeifen war es schon immer so eine komische Sache. Weil es für Frauen früher ein Tabu war, solche Laute öffentlich von sich zu geben, ist das eingängige Sprichwort "Mädchen, die pfeifen, und Hühnern, die krähen, soll man beizeiten die Hälse umdrehen" bis heute überliefert. Wenn Männer hingegen Frauen hinterherpfeifen, ist dies unzweideutig als Kompliment der weiblichen Konstitution zu verstehen sowie als Paarungsangebot.

In diversen Kulturen wurde das Pfeifen auch mit Magie oder Aberglauben verbunden, wobei je nach Bedarf Dämonen angelockt oder ausgetrieben werden sollten. Im Falle des armseligen Länderspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen Finnland (1:1, S. 26) in Hamburg galt wohl Letzteres. Mit Inbrunst übten sich einige Tausend Zuschauer - darunter viele weibliche Fans - darin, mittels eines Luftstroms eine akustische Schwingung in einem Resonatorraum, ihrem Mund, zu erzeugen. Also gewaltig zu pfeifen. Es war der verzweifelte Versuch, dem matten Treiben der Fußballelite Einhalt zu gebieten und Leistungsgehorsam einzufordern.

Aber ein Nationalspieler von heute ist eben kein Hund, der nach einem scharfen Anpfiff schwanzwedelnd pariert. Im Gegenteil (Skandal!), er beschwert sich lautstark über die Unmutsäußerungen von den Rängen. Da geht es ihnen wie Cicero im alten Rom, dem die Pfiffe bei öffentlichen Auftritten so gewaltig auf die Nerven gingen, dass er ihr Ausbleiben einmal in einem Brief an Atticus ausdrücklich lobend erwähnte: "sine ulla pastoricia fistula" - ohne irgendeine Hirtenpfeife! Die sich betrogen fühlenden Fans sehen es anders: Wer wie die Nationalspieler große Taten verspricht, diese dann aber verweigert und dann noch greint, man habe sich ja schließlich erst vor ein paar Tagen abgerackert, verdiene es, als Pfeife der Nation bezeichnet zu werden.

Ein Dilemma allerdings ist nicht zu verleugnen: Schließlich erkauft sich der Besucher eines Fußballspiels mit seiner Eintrittskarte grundsätzlich keine Qualitätsgarantie, sondern nur Emotionen. Liebesentzug der Fans führt auf der anderen Seite bei den Spielern womöglich zu Druckanstieg und noch größerem Leistungsabfall.

Was also tun? Vielleicht das: Jeder Spieler wird dazu verdonnert, sich ein auf CD gebranntes, aktuelles Pfeifkonzert zweimal täglich bis zum nächsten Spiel anzuhören. Vielleicht pfeift er dann nicht mehr darauf, was die Basis denkt.