Seine beiden Nationalstürmer sammeln vor den letzten zwei WM-Qualifikationsspielen zu wenig Spielpraxis.

Hamburg. Mario Gomez musste wissen, was auf ihn zukommen würde, als er im Sommer für die horrende Ablöse von 30 Millionen Euro vom VfB Stuttgart zu Branchenprimus Bayern München wechselte. Der 24-Jährige war ab sofort der deutsche Nationalstürmer, der besonders kritisch beäugt werden würde: Ist er sein Geld wirklich wert? Jetzt muss Gomez erstmals kräftig einstecken.

Beim Gastspiel in Hamburg wurde der Angreifer zum wiederholten Mal nur eingewechselt, durfte nur noch 25 Minuten sein Glück versuchen - vergebens. Auch beim Gegentor, als ihn Zé Roberto umkurvte, sah er nicht gut aus.

Auffälliger jedoch, dass die vereinsinterne Kritik am Millionen-Einkauf nun auch öffentlich zunimmt. So hat Karl-Heinz Rummenigge Gomez eindringlich ermahnt, mit Vollgas im Training statt öffentlicher Klagen auf seine Reservistenrolle in München zu reagieren. "Ich habe vor ein paar Tagen mit seinem Agenten gesprochen und ihm gesagt, ich rate Mario dringend aufzuhören, sich zu beklagen oder in irgendeiner Weise die Dinge falsch zu bewerten. Wenn man beim FC Bayern spielt, muss man hart arbeiten und Vollgas geben", sagte der Vorstandsvorsitzende in der "Welt am Sonntag". Gomez müsse den Unterschied zwischen Stuttgart und Bayern begreifen, forderte der Bayern-Chef: "Bei Bayern München heißt es, in jedem Spiel hundert Prozent und darüber zu geben. Es gilt, diesen Kampf in jedem Spiel zu bestehen."

Auch Günter Netzer nahm sich in seiner "Bild am Sonntag"-Kolumne Gomez zur Brust. Es sei berechtigt, dass der Nationalstürmer im Moment bei van Gaal nicht erste Wahl sei. "Er muss lernen, dass Stammspieler beim FC Bayern zu sein mehr bedeutet, als ab und an ein Tor zu schießen - gerade bei diesem Top-Angebot an offensiven Spielern", schrieb der Ex-Nationalspieler. Gomez müsse sich unter anderem mehr ins Kombinationsspiel einbringen.

Wenn man Uli Hoeneß' Worten in Hamburg nach der 0:1-Niederlage gegen den HSV Glauben schenken darf - und wer mag dem mächtigen Bayern-Manager widersprechen - dann kann Gomez den auf ihm lastenden Druck nicht einfach abschütteln. "Bei Mario sieht man, dass die 30 Millionen Euro Ablöse auf ihm lasten. Er ist nicht mehr so frei wie in Stuttgart. Es wird noch einige Zeit dauern, bis er das verarbeitet hat."

Die Situation für Gomez dürfte sich in den kommenden Wochen allerdings noch verschärfen. Experten fragen sich, ob der Schwabe im von van Gaal favorisierten System mit drei Spitzen überhaupt die richtige Wahl ist, da Gomez für sein Spiel Platz benötigt. Zudem wird sich mit der Rückkehr von Luca Toni der Konkurrenzdruck noch verschärfen.

Da auch Miroslav Klose in den vergangenen Wochen nicht häufig zum Einsatz kam, entwickelt sich die Situation beim FC Bayern zum "Bank-Problem" für Joachim Löw. Der Bundestrainer wünscht sich gerade vor den letzten beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Russland und Finnland Spielpraxis für seine in der Idealvorstellung selbstbewussten Nationalspieler.

Immerhin: Trotz der Kritik ist der Glaube an Gomez bei den Bayern ungebrochen, der bisher sechs Pflichtspieltore für den deutschen Rekordmeister erzielt hat. "Er wird nicht nur Tore machen, sondern auch großartigen Fußball spielen", meint Rummenigge. Und der Protagonist selbst? "Meine Torquote hat gestimmt und stimmt immer noch. Aber der Trainer hat anders entschieden", sagte Gomez fast trotzig über sein erneutes Reservistendasein. Und dass er Steher-Qualitäten hat, bewies er bekanntlich auch in der Nationalmannschaft, wo er trotz einer mehrmonatigen torlosen Phase nie den Glauben an sich verlor.

Es sind sowohl der ungeheure Stolz als auch seine Zuversicht, weshalb die Bayern im Sommer diese fast unmoralisch hohe Ablösesumme für den Deutsch-Spanier bezahlt haben.