Nach dem 5:0-Sieg des VfL Wolfsburg gegen Hannover 96 zweifelt kaum jemand an der Meisterschaft der “Wölfe“. Doch Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste...

Hamburg. Das Abendblatt dokumentiert in einer vierteiligen Meisterschaftsserie, wie Titelträume noch auf der Zielgeraden platzen können.

Folge 1: Leverkusens Trauma

In der Saison 1999/2000 schien 90 Minuten vor dem Saisonende bereits alles entschieden zu sein: Während sich Leverkusens Spieler locker warmliefen, glänzte die Original-Meisterschale am Spielfeldrand in Unterhachings Sportpark in der Sonne. Die Ausgangslage war klar: Bayer lag vor dem 34. Spieltag drei Punkte vor Bayern. Während München im heimischen Olympiastadion gegen Werder Bremen antreten musste, brauchte Leverkusen im letzten Spiel der Saison nur einen Punkt in Unterhaching, um erstmals die deutsche Meisterschaft zu feiern.

Doch manchmal kommt es anders, und zweitens als man denkt. So wirkte Bayer von der ersten Minute an verunsichert, fast schon ängstlich. "Bei den Leverkusenern ist an diesem Tag nix zusammengelaufen - und bei uns alles", erinnert sich Markus Oberleitner, der damals für Unterhaching auf dem Platz stand. Und nach 21 Minuten trat dann das ein, was niemals hätte passieren dürfen: Unterhachings Danny Schwarz flankte in den Bayer-Strafraum, Michael Ballack wollte mit dem linken Fuß klären - aber der Ball flog vorbei an Bayer-Torhüter Adam Matysek ins eigene Tor. Ballack sank zu Boden, hielt die Hände vor sein Gesicht. Für Bayer war das der Anfang vom Ende.

Nach 72 Minuten versetzte Unterhaching den Leverkusenern den endgültigen Knock-out. "Alex Strehmel leitet mit einem weiten Ball auf Jochen Seitz einen Konter ein, der flankt fast von der Grundlinie, da halt' ich meinen Schädel hin, und dann zappelte der Ball im Netz", beschreibt Torschütze Oberleitner seinen Treffer zum 2:0-Endstand, der Bayer endgültig den Titel kostete. Bayern siegte nur 20 Kilometer weiter im Olympiastadion 3:1 gegen Bremen und feierte dank des besseren Torverhältnisses die nicht mehr erwartete Meisterschaft. Und während FCB-Trainer Ottmar Hitzfeld vor Glück weinte, stand in Unterhaching Bayer-Coach Christoph Daum mit seinem Sohn Marcel im Kabinengang und heulte ebenfalls hemmungslos - vor Enttäuschung. "Für ihn und seine Spieler ist damals eine Welt zusammengebrochen", erinnert sich Oberleitner. "Ich will nur nach Hause - und dort die Kissen voll heulen", sagte der enttäuschte Michael Ballack damals in die Fernsehkameras - und ließ dann wenig später ähnlich wie Daum seinen Tränen freien Lauf.

Besonders der spätere Nationalmannschaftskapitän verfolgt Leverkusens Titeltrauma bis heute. Denn obwohl der 32-Jährige mittlerweile bereits vier deutsche Meisterschaften feiern durfte, wird bei jedem verlorenen Finale an das Spiel in Unterhaching erinnert, als aus Leverkusen Vizekusen wurde.

Lesen Sie morgen: Wie ein verschossener Elfmeter in der 88. Minute Werder Bremen den Titel kostete - und wieder die Bayern profitierten.