Oligarch Alexander Jaroslawski hat Charkow zur EM-Bühne gemacht. Im Gegenzug will er im Westen Anerkennung und Geschäftspartner finden.

Charkow/Hamburg. Alexander Jaroslawski, 52, wird viele Hände schütteln. Gäste aus Deutschland und den Niederlanden werden kommen, Politiker, Unternehmer, Sponsoren, die Uefa-Delegation - sie alle werden Platz nehmen in seinem "Wohnzimmer", dem frisch umgebauten Stadion des FC Metalist, wenn Deutschland heute Abend in der Gruppe B auf die Niederlande trifft. Alexander Jaroslawski, Oligarch und Präsident des Fußballklubs Metalist Charkow, der immer auf seinem Logenplatz genau in der Verlängerung der Mittellinie sitzt, hat gern Gäste aus dem Westen.

Das beweist er an einem Tag Ende April, als er eine Gruppe deutscher Journalisten im Konferenzraum des Stadions empfängt. Der Inhaber der Unternehmensgruppe DCH, in der er Bauunternehmen, Banken und Immobilien vereint, kommt in Jeans und leger geöffnetem schwarz-weiß karierten Hemd, die Lederjacke trägt er unter dem Arm. Rasierte graue Haare, tiefe Augenhöhlen, das kantige Gesicht leicht gebräunt, keine Armbanduhr. Mal zieht er verdutzt die Augenbrauen hoch, mal lacht er, ständig versprüht er sein Charisma in dem kargen Raum, in dem außer ihm der einzige Blickfang ein Wasserspender ist. Es sei das erste Mal, dass Herr Jaroslawski deutsche Journalisten empfange, erzählt einer seiner Mitarbeiter im vereinsfarbenen blaugelben Trainingsanzug. Um die Früchte seiner Arbeit zu ernten, nutzt der Milliardär gern die Bühne, die er sich selbst geschaffen hat.

Der "König von Charkow", wie er in der Dokumentation einer polnischen Journalistin genannt wird, hat nach eigenen Angaben 300 Millionen Dollar in die Vorbereitung der EM gepumpt. Er hat nicht nur das Stadion des FC Metalist umgebaut, er ließ auch den neuen Flughafenterminal und ein protziges Fünfsternehotel in der Innenstadt bauen. Während der EM ist das Hotel für die Uefa-Delegation reserviert, danach wird es wohl nie wieder ausgelastet sein. Kaum ein Ukrainer kann sich dort eine Übernachtung leisten. Wenn die Delegierten von der Terrasse der Sky-Bar im elften Stock schauen, blicken sie hinunter auf die Lenin-Statue, die auf dem Freiheitsplatz steht, einem der größten innerstädtischen Plätze Europas und Fanmeile während der EM.

+++ Was ist ein Oligarch? +++

Wenn man Jaroslawski fragt, wie er denn ein solches Imperium aufbauen konnte, lacht der Oligarch. Dann erzählt er vom Zerfall der Sowjetunion, davon, dass die Wirtschaft am Boden war und dass er den Wandel gewittert habe und vielleicht etwas schneller gewesen sei als andere. Heute ist er einer der reichsten Männer des Landes. Vor sechs Jahren stieg er beim FC Metalist und ins Fußballgeschäft ein. Das EM-Turnier in der Ukraine soll seine Popularität nun über die Landesgrenzen hinaus steigern. Denn noch ist der promovierte Akademiker im Ausland weitgehend unbekannt - ganz im Gegensatz zu Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch, der gerade die Champions League gewonnen hat. Jaroslawski hat es mit seinem Klub, in dem hauptsächlich Südamerikaner spielen, in der vergangenen Saison immerhin schon ins Viertelfinale der Europa League geschafft, ansonsten sind seine Kontakte ins westliche Europa eher bescheiden. "Ich habe keine großen Erfahrungen mit der deutschen Wirtschaft", sagt er. "Ich fahre Mercedes, und der Einkauf dieser Autos ist mein einziger Kontakt nach Deutschland." Das soll sich nach dem heutigen Spiel ändern.

"Ich habe fünf Jahre lang große Anstrengungen unternommen, um diese einmaligen Objekte herzustellen", sagt Jaroslawski nicht ohne Stolz. "Sie sind für das weitere Leben in der Stadt sehr wichtig und werden Charkow einen starken Impuls geben." Die zweitgrößte Stadt der Ukraine ist nicht gerade ein Touristenmagnet. Außerhalb der Innenstadt prägen die grauen Fassaden der Wohnblocks, staubige Märkte und mit Schlaglöchern übersäte Straßen das Bild. Bis vor drei Jahren landeten 200 000 Passagiere im Jahr auf dem Flughafen, zu Sowjetzeiten waren es mal 1,5 Millionen. So soll es bald wieder sein, hofft Jaroslawski.

In seiner Stadt ist er durchaus beliebt. Viele Einwohner rechnen ihm an, dass er sein Geld vor Ort investiert. So hat er gleich neben dem Stadion eine Fußballakademie mit 16 Spielfeldern aufgebaut. Die Bauarbeiter, die er beschäftigt, seien alle aus der Umgebung, und er habe sie gut bezahlt. Er sorge dafür, dass das Geld in der Region bleibe. Also bei ihm. Denn vieles, was diese Stadt zu bieten hat, gehört dem Oligarchen. Und so dient sein Engagement vor allem dazu, seinen Reichtum noch weiter zu vergrößern.

Jaroslawski wohnt mit Frau und vier Kindern 60 Kilometer außerhalb in einem Holzhaus. Hört sich bodenständig an, ist in Wahrheit aber ein prunkvolles Anwesen. Das Holz hat Jaroslawski aus Sibirien kommen lassen. Nur selten lässt er sich bei seinen Untertanen blicken. Wer dem "König von Charkow" die Hand schütteln möchte, muss schon etwas zu bieten haben.