Fußbruch! Nach dem 3:0 in Ungarn fällt auch Heiko Westermann für die WM aus - Trochowski, Boateng und Aogo sind dabei, Jansen hofft.

Budapest/Eppan. Kurz nach dem leicht herausgespielten 3:0 in Ungarn (Tore: 0:1 Podolski [5., Foulelfmeter], 0:2 Gomez [69.], 0:3 Cacau [72.]) war Joachim Löw im Ferenc-Puskás-Stadion noch zu Scherzen aufgelegt gewesen. Als eine ungarische Dolmetscherin nicht verstand, worum es bei der Nominierung des 23er-Kaders für die WM ging, erklärte er spontan: "Es werden zwei Spieler gestrichen. Der Mann will wissen, ob ich schon weiß, wer es ist. Wenn ich es Ihnen jetzt sage, dürfen Sie es nicht weitersagen ..."

Keine 24 Stunden später, als die deutsche Nationalmannschaft wieder in ihrem Quartier in Eppan angekommen war, verging dem Bundestrainer das Lachen. Die unglaubliche Verletzungsserie des Deutschen Fußballbundes (DFB) ist um ein weiteres Opfer reicher: Heiko Westermann.

Bereits am Sonnabendabend hatte der Schalker über massive Schmerzen im linken Fuß geklagt, die über Nacht immer stärker wurden. Eine Kernspintomografie am Sonntag ergab den bitteren Befund: Kahnbeinfraktur, WM-Aus. Bezeichnend, dass sich der 26-Jährige die Verletzung bei der letzten Aktion des Spiels zugezogen hatte.

"Heiko hätte bei der WM eine wesentliche Rolle in unserem Team gespielt. Er wäre aufgrund seiner Vielseitigkeit für uns wichtig gewesen. Im Training hat er sich in überragender körperlicher Verfassung präsentiert", reagierte Löw bestürzt. In Ungarn hatte er Westermann auf der linken Abwehrreihe eingesetzt und sich für das Duo Per Mertesacker/Arne Friedrich in der Zentrale entschieden. Der 19-fache Nationalspieler ist bereits der fünfte Ausfall nach Simon Rolfes (Knie) und René Adler (Rippe) sowie Michael Ballack (Syndesmoseband) und Christian Träsch (Kapselverletzung).

"Natürlich bin ich total enttäuscht, ich habe mich körperlich im Trainingslager sehr gut gefühlt. Jetzt bleibt mir nur, der Mannschaft von ganzem Herzen alles Gute für die WM zu wünschen", sagte Westermann.

Löws Luxusproblem, aus 27 Spielern vier Fußballer auszusortieren, entwickelt sich nunmehr in eine nie für möglich gehaltene Richtung. Wenn der Bundestrainer am Dienstag um zwölf Uhr dem Weltverband Fifa seine Liste mit dem 23er-Kader meldet, muss der 50-Jährige nur noch einen Namen von seiner dezimierten Liste streichen.

Vor allem für Dennis Aogo hat die heutige Abreise Westermanns Konsequenzen, schließlich musste der HSV-Profi trotz aller Sympathiebekundungen Löws befürchten, die Reise nach Südafrika nicht antreten zu dürfen, nachdem Westermann als Option für die linke Abwehrreihe vorgesehen war. Außerdem drohte Aogo auf der Zielgeraden von Holger Badstuber überholt zu werden. Der Münchner, der seine Länderspielpremiere feierte, kann ebenfalls als Links- oder (besser) Innenverteidiger eingesetzt werden, und hat sich in der Champions League auf hohem Niveau bewährt.

Nun kommt alles auf eine Personaleinschätzung an: Schätzt Löw den Fitnesszustand von Marcell Jansen als ausreichend ein, kann er den neuen Kapitän Philipp Lahm wie vor zwei Wochen angedeutet auf die rechte Seite beordern, was bedeuten würde, dass Andreas Beck als wohl einziger DFB-Akteur unverletzt die Heimreise antreten müsste. In Ungarn war der Hoffenheimer nicht zum Einsatz gekommen.

Innerlich jubeln darf dagegen Dennis Aogo, der als dritter HSV-Profi neben Jerome Boateng und Piotr Trochowski sein WM-Ticket sicher haben dürfte. Wer hätte diese rasante Entwicklung am 13. Mai, vor seinem ersten Länderspiel gegen Malta, für möglich gehalten?

Ebenfalls als Streichkandidat gehandelt worden war Stefan Kießling, weil dieser im favorisierten 4-2-3-1-System mit nur einer Sturmspitze überflüssig sei als dritter Angreifer hinter Mario Gomez und Miroslav Klose. Allerdings machte Löw indirekt deutlich, warum er Letzteren trotz 95 Länderspielen nicht zum Vizekapitän machte: "Wir müssen hart arbeiten, um ihn in WM-Form zu bringen, das kann ein zähes Ringen werden." Deshalb braucht Löw Kießling für den Fall, dass Klose nicht sein früheres Niveau erreicht.

In jedem Fall ist für reichlich Diskussionsstoff gesorgt, wenn heute Abend Angela Merkel im Hotel Weinegg zum gemeinsamen Essen vorfährt. "Ich fahre dorthin, um der Mannschaft und den Trainern Kraft, Glück und Erfolg für die WM zu wünschen", ließ sie wissen. Tipps für die Zusammensetzung seines Teams braucht Löw nun nicht mehr. Vielleicht bleibt ja nun mehr Zeit, um über den Kader der Bundeskanzlerin zu debattieren.