Hamburg. Maximilian Franzreb ist der Shootingstar beim Club der Deutschen Eishockey-Liga. Wie es der erst 19-Jährige zu den Freezers schaffte.

Wenn es noch eines Beispiels bedurft hätte, dass Maximilian Franzreb nichts aus der Ruhe bringt, so lieferte der Torhüter der Hamburg Freezers diesen am Dienstagnachmittag. Völlig tiefentspannt schlenderte der 19-Jährige zum Termin mit dem Abendblatt in die Barclaycard-Arena. Dabei hatte es der vermeintlich freie Tag des Eishockeyprofis in sich. „Ich komme direkt von der Nachhilfe in Deutsch und Englisch. Nächstes Jahr will ich mein Abitur in Elmshorn machen. Außerdem hat meine Mutter heute ihren 49. Geburtstag. Da wird später noch gefeiert“, erzählte der Shootingstar des Clubs aus der Deutschen Eishockey-Liga mit ruhiger Stimme. „Aber wenn ich gebraucht werde, bin ich immer da. Auch fürs Abendblatt“, sagte Franzreb und lacht.

Es sind Worte, die das vergangene Wochenende nicht besser hätten beschreiben können. In Abwesenheit der Stammtorhüter Sébastien Caron (Bandscheibenvorfall), Dimitrij Kotschnew (Adduktoren) und Cal Heeter (Innenband) schlug die Stunde jenes Mannes, dem es als erstes Eigengewächs bei den Freezers gelungen ist, den Sprung in den Profikader zu schaffen. Der Teenie liefert eine dieser Geschichten, die den Profisport so besonders machen. Bei seinen ersten beiden Einsätzen als Stammkeeper in dieser Saison parierte er beim 2:0-Sieg in Wolfsburg und zwei Tage später bei der Heimpremiere gegen den ERC Ingolstadt 49 von 50 Schüssen. Das bedeutet eine Fangquote von 98 Prozent.

Innerhalb eines Wochenendes avancierte der Schlussmann zum neuen Publikumsliebling der Freezers. Insgesamt 150 Glückwunschnachrichten kamen via Facebook, WhatsApp oder SMS auf das Handy des Torhüters. „Ich habe alle beantwortet. Das gehört sich doch so“, sagte Franzreb und ließ ein Einblick in sein Seelenleben zu. „So langsam realisiere ich, was in den letzten Tagen alles passiert ist. Das war eine geile Erfahrung, in der DEL auflaufen zu dürfen und zu sehen, dass ich auf diesem Niveau spielen kann, sagte Franzreb. „Ich lebe meinen Kindheitstraum.“

Freezers verlieren gegen Köln

Tor zum 1:0: Torschütze Philippe Dupuis mit der 19
Tor zum 1:0: Torschütze Philippe Dupuis mit der 19 © WITTERS | TimGroothuis
Philippe Dupuis dreht ab
Philippe Dupuis dreht ab © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf
Das Tor zum 2:0 durch Michael Davies
Das Tor zum 2:0 durch Michael Davies © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf
Jubel nach dem 2:0: Torschütze Michael Davies von den Freezers
Jubel nach dem 2:0: Torschütze Michael Davies von den Freezers © WITTERS | TimGroothuis
Der Ausgleich durch die Freezers zum 3:3
Der Ausgleich durch die Freezers zum 3:3 © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf
Torwart Gustaf Wesslau aus Köln
Torwart Gustaf Wesslau aus Köln © WITTERS | TimGroothuis
Torwart Dimitrij Kotschnew mit einem Save
Torwart Dimitrij Kotschnew mit einem Save © WITTERS | TimGroothuis
Sam Klassen (Freezers, l.), im Duell mit Per Aslund
Sam Klassen (Freezers, l.), im Duell mit Per Aslund © WITTERS | TimGroothuis
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Und dieser entstand vor fast genau zehn Jahren. Gemeinsam mit seinen Eltern schaute sich Franzreb im Oberrang der damaligen Colorline-Arena sein erstes Eishockey-Spiel an. Immer wieder lässt Franzreb seinen Blick in das weite Runde schweifen. „Da oben“, sagte Franzreb und zeigt Richtung Oberrang: hinter der Spielerbank, „da saß ich damals mit einem Trikot vom EC Bad Tölz. Plötzlich sah ich mich auf dem Videowürfel. Das war schon cool“, erinnert sich der angehende Abiturient, der noch bei seinen Eltern in Barmstedt vor den Toren Hamburgs lebt. „Seit diesem Spiel wusste ich, dass ich eines Tages selbst hier spielen und so bejubelt werden will, wie der damalige Keeper Boris Rousson“, sagte Franzreb, dessen Vater Markus einst selbst Zweitligatorhüter in Bad Tölz, Wolfsburg und Bremerhaven war und großer Förderer des Youngsters ist, dessen Karriere in den letzten drei Monaten rasant an Fahrt aufnahm.

Im Juli durfte Franzreb eine Woche im Talentecamp des NHL-Clubs Los Angeles Kings mitmachen und hinterließ bei der sportlichen Leitung des Stanley-Cup-Siegers von 2011 und 2014 einen bleibenden Eindruck. Franzreb ist ein Torhüter modernster Prägung, der über ein gutes Stellungsspiel verfügt und gut mit der Scheibe am Schläger agieren kann. Die Kalifornier verfolgen die Entwicklung des Youngsters genau. Auch für den angehenden Abiturienten war es eine prägende Zeit.

Vor allem die Arbeit mit Torwarttrainer-Choriphäe Bill Ranford hat dem Youngster geholfen. „Ich habe von ihm eine Mappe mit Übungen mitbekommen, die ich heute immer noch mache. In Los Angeles habe ich gesehen, wie NHL-Stars arbeiten und was es bedeutet Profi zu sein“, sagte Franzreb, der am kommenden Montag zum Vier-Länder-Turnier der U-20-Nationalmannschaft in die Slowakei reist. „Mein Ziel ist die U-20-WM in Wien im Dezember. Dafür werde ich jeden Tag alles geben“, sagte Franzreb.

Franzreb wirkt für sein Alter extrem erwachsen. Er hat gelernt, für den Profisport zu leben. Im Sommer legten die Freezers-Verantwortlichen ihm nahe, an Gewicht zu verlieren. „Ich habe meine Ernährung umgestellt, verzichte fast komplett auf Kohlenhydrate. So gibt es zum Mittag manchmal auch nur einen Smoothie aus Grünkohl. Ich fühle mich deutlich beweglicher und schneller“, sagte Franzreb, der mittlerweile zehn Kilo leichter und deutlich definierter ist, als in der Vorsaison.

So gänzlich ohne Laster ist aber auch der Youngster nicht. „Ein Bier habe ich nach dem Wochenende schon getrunken“, scherzte Franzreb, der trotz der jüngsten Erlebnisse nicht vor Euphorie durchdreht und die arrivierten Keeper öffentlich herausfordert. „Lassen wir mal die Kirche im Dorf. Ich bin 19 Jahre alt und habe noch gute 15 Jahre Karriere vor mir. Wenn ich jetzt abhebe, kann man auch schnell wieder fallen. Ich kann meine Situation realistisch einschätzen“, sagte Franzreb.

Ob der Shootingstar am Freitag gegen Augsburg an seiner sportlichen Geschichte weiterschreiben kann, ist noch unklar. „Es ist das Mindeste, dass ich Maxi nach dem letzten Wochenende in Erwägung ziehe“, sagte Trainer Serge Aubin. Franzreb selbst jedenfalls wäre bereit: „Sollte ich spielen freue ich mich, wenn nicht, unterstütze ich meine Jungs von der Bank.“