Hamburg. Torhüter Sébastien Caron ist für die Hamburg Freezers im Play-off-Viertelfinale gegen Düsseldorf der Schlüsselspieler.

Die These, dass Torhütern eine gewisse Verrücktheit nachgesagt wird, ist Sébastien Caron durchaus schon einmal zu Ohren gekommen. Wenn der Torhüter der Hamburg Freezers mit seinen Teamkollegen an diesem Freitag (19.30 Uhr, O2 World, ServusTV live) zum fünften Play-off-Viertelfinal-Duell mit der Düsseldorfer EG antritt, verzichtet der 34-Jährige auf irgendwelche Rituale.

Derartiger Aberglaube, so sagt Caron, lenkt eher ab. „Ich bin für einen Keeper wirklich ziemlich normal. Ich esse vor dem Spiel gesund, und dann kann es losgehen. Klingt langweilig, oder?“, scherzt der Frankokanadier, der jedoch alles andere als das ist. Caron ist die personifizierte Lebensversicherung der Freezers.

Nach dem Ausfall von Dimitrij Kotschnew, der aufgrund einer schweren Adduktorenverletzung in dieser Saison wohl kein Spiel mehr machen wird, ist der 34-Jährige der einzig erfahrene Keeper im Kader der Hamburger. Mit Niklas Deske, 20, und Eigengewächs Maximilian Franzreb stehen lediglich zwei Youngster als Ersatz bereit. Hinter vorgehaltener Hand wird längst überspitzt formuliert, dass man den Spielbetrieb in den Play-offs einstellen könne, sollte Caron etwas passieren. Daher passen die Feldspieler auf den Topkeeper auf. Gerade zu Beginn der Serie versuchten die Düsseldorfer Caron zu bedrängen. „Sollen sie es doch probieren. Mich interessiert das alles nicht. So etwas lenkt mich nicht im Geringsten ab. Wir haben ziemlich große, toughe Verteidiger und Stürmer im Kader, die dafür sorgen, dass mir nichts passiert“, sagt Caron, den es nicht stört, in Abwesenheit von Kotschnew die alleinige Verantwortung im Tor zu tragen. In den Play-offs der Vorsaison ließ Ex-Trainer Benoît Laporte zwischen den Pfosten rotieren. Eine Maßnahme, die dafür sorgte, dass keiner der beiden Keeper in einen Rhythmus kam. Weder Kotschnew noch Caron spielten vor einem Jahr überragende Play-offs.

Man bekommt den Eindruck, der Frankokanadier braucht das uneingeschränkte Vertrauen, um Topleistungen zu bringen. „Für mich ist es kein Problem, alle zwei, drei Tage zu spielen. Dafür versuche ich mein Training entsprechend zu dosieren. Seien wir doch mal ehrlich. Play-offs zu spielen, bringt doch Spaß“, sagt Caron.

Bemerkenswerte Ruhe

Es ist ohnehin bemerkenswert, wie selten sich Caron aus der Ruhe bringen lässt und Gegentore einfach wegsteckt. Darüber hinaus nimmt kein DEL-Schlussmann derart aktiv am Spielaufbau teil wie Caron. Nicht selten lässt er nach einer Parade den Puck aus seinem Handschuh fallen, um das Spiel im besten Manuel-Neuer-Stil schnell zu machen. Damit überrascht er gerne Gegner und hin und wieder auch die eigenen Mitspieler. „Das habe ich mir über die Jahre in meiner Karriere angewöhnt. Ich finde, ein Torhüter muss auch mit der Scheibe am Schläger etwas anfangen können. Gerade weil wir verletzungsbedingt so viele Ausfälle haben, will ich die Jungs so unterstützen“, sagt Caron, der sich von der Spielweise her von seinem Mitstreiter Kotschnew deutlich unterscheidet.

Während der Ex-Nationalkeeper sehr viel mit Stellungsspiel arbeitet und versucht, immer mittig zum Schützen zu stehen, ist Caron ein Instinkt-Keeper, der von seiner teilweise unorthodoxen Spielweise und seinen überragenden Reflexen lebt. Manchmal erinnert er mit seinen Hechtsprüngen mehr an einen Fußballtorhüter als an einen Eishockey-Schlussmann. „Sébastien ist schon ein besonderer Typ Torwart, der aber über eine hohe Qualität verfügt. Er wirkt jetzt vielleicht nicht wie ein Trainingsweltmeister, aber im Spiel ist er da. Caron ist ein ‚Gamer‘“, wie wir in Kanada sagen“, sagt Torwarttrainer Boris Rousson.

Eine derart extrovertierte Art wurde ihm bei den Iserlohn Roosters auch abseits der Eisfläche attestiert. Der Familienvater galt bei seinem Ex-Club als Diva und Stinkstiefel, der, wenn er keine Extrawürste bekommt, das Klima in der Kabine vergiften kann. Beobachtet man Caron jedoch im Kreise seiner Hamburger Mitspieler, so muss man sich fragen, wie ein solches Image entstehen konnte. Caron ist ein Spaßvogel, der bestens im Team integriert ist und zu seinen Torhüterkollegen ein sehr positives Verhältnis pflegt. „Sébastien ist ein guter Typ, der für das Innenleben der Mannschaft sehr wichtig ist. Wir sind froh, ihn zu haben“, sagt Trainer Serge Aubin.