Das 5:4 gegen Wolfsburg war für Hamburgs Eishockeyteam ein Willenstriumph. Verstärkung für die Abwehr ist nötig

Hamburg. Es war ein Bild mit Symbolcharakter, das sich in der Kabine der Hamburg Freezers am späten Sonntagnachmittag bot. Aus den Boxen donnerte Musik, als Garrett Festerling in seinem grauen, schweißdurchtränkten T-Shirt und mit breitem Grinsen in den Raum grölte: „Was für ein großer Sieg! Ein Charaktersieg!“ Das 5:4 (1:3, 2:0, 2:1) im Nordderby gegen die Grizzly Adams Wolfsburg war in der Tat ein 60-minütiger Kraftakt mit Happy End für die Mannschaft von Trainer Serge Aubin. „Das war purer Wille. Wir sind alle über die Schmerzgrenze gegangen. Solche Siege fühlen sich unglaublich an. Daraus können wir verdammt viel ziehen für die Zukunft. Wolfsburg steht vor uns, und die Partie war ein gefühltes Zwölf-Punkte-Spiel“, sagte Festerling.

In der Tat waren es erkenntnisreiche drei Drittel für die Hamburger gewesen. Trainer Aubin freute sich vor allem darüber, dass sein Team eine deutliche Reaktion auf das schwache 1:5 gegen die Kölner Haie vom Freitag gezeigt hatte und sich selbst von einem 0:2- und 1:3-Rückstand nicht hatte schocken lassen. „Das war ein gutes Wiedergutmachungsspiel von uns. Wir wussten, dass der Charakter in diesem Team stimmt, und das haben wir heute wieder bewiesen“, sagte der dänische Doppeltorschütze Morten Madsen.

Vor allem aber machte das intensive Spiel gegen giftige und laufstarke Wolfsburger deutlich, dass die Freezers im Moment körperlich am Limit spielen. Dem Kader fehlt es in Abwesenheit der Leistungsträger Duvie Westcott (Fingerbruch), Philippe Dupuis (Gehirnerschütterung) und Frédérik Cabana (Rückenprobleme) an Tiefe. Gegen Wolfsburg bot Trainer Aubin nur drei Sturmreihen auf. Patrick Pohl bekam als zehnter Stürmer kaum Eiszeit. „Um im Fluss zu bleiben, habe ich mich dazu entschieden, auf drei Reihen zu setzen. Wenn wir unser System schlau umsetzen, sind die Spieler in der Lage, viele Minuten abzureißen“, sagte Aubin, der aber keinen Hehl daraus macht, dass vor allem in der Abwehr keine weiteren Ausfälle passieren dürfen.

Lediglich fünf gesunde Verteidiger sowie der vom Stürmer zum Abwehrmann umfunktionierte Matt Pettinger stehen zur Verfügung. Die vier Gegentore gegen die Niedersachsen offenbarten, dass es den Hamburgern häufig an geistiger Frische fehlt. Die Folge: Ungewöhnlich viele Abstimmungs- und Abspielfehler. „Wir dürfen nicht immer vier Gegentore und mehr kassieren. Das wissen wir. Man kann nicht jedes Spiel fünf Tore schießen“, mahnte Nationalspieler Thomas Oppenheimer.

Da es unwahrscheinlich ist, dass einer der drei Langzeitverletzten vor dem Jahreswechsel zurückkehrt, beobachtet Sportdirektor Stéphane Richer intensiv den Transfermarkt. Angesichts der Tatsache, dass die Hamburger bis zum Jahresende noch 14 richtungsweisende Partien auf dem Programm haben, ist zu erwarten, dass zeitnah ein neuer Spieler verpflichtet wird.

Das Anforderungsprofil ist klar definiert. Es muss ein Verteidiger sein, der dem Team sofort hilft und charakterlich in die homogene Gemeinschaft der Freezers passt. Der Markt für solche Spielertypen ist aber ebenso übersichtlich wie das noch vorhandene Budget. Im Gegensatz zu den Finanzgroßmächten aus Mannheim und München verfügen die Hamburger über deutlich geringere Mittel. Trainer Aubin beobachtet das Treiben des Sportchefs ohnehin mit der für ihn so typischen Gelassenheit. Öffentlich nach Verstärkungen zu schreien, das ist nicht die Sache des 39-Jährigen. „Ich vertraue der Gruppe, die ich hier im Moment zusammen habe. Neue Spieler sind immer eine Option, und ich bin mir sicher, dass Richer den Markt im Auge hat. Aber es gibt keinen Grund zur Eile“, sagte Aubin.

Bis zum Heimspiel an diesem Dienstagabend (19.30 Uhr, O2 World) gegen den amtierenden deutschen Meister ERC Ingolstadt sind keine personellen Veränderungen zu erwarten. So muss das vorhandene Personal erneut an die Leistungsgrenze gehen, um, wie es Garrett Festerling sagte, den nächsten großen Sieg einzufahren.

Tore: 0:1 (9:06) Haskins (Likens, Dzieduszycki), 0:2 (11:22) Aubin, 1:2 (14:24) Clark (G. Festerling, Schubert) 5-4, 1:3 (16:14) Aubin (Bina, Voakes) 5-4, 2:3 (27:55) Madsen (Sertich, Klassen), 3:3 (37:10) Oppenheimer (Roy, Sertich) 5-4, 4:3 (43:23) Flaake (Festerling, Clark), 5:3 (50:18) Madsen (Festerling), 5:4 (58:39) Dzieduszycki (Likens, Haskins) 6-5. Strafminuten: 6/10. Schiedsrichter: Krawinkel/Oswald (Moers/Kaufbeuren). Zuschauer: 7490.