Was die verletzungsgeplagten Hamburg Freezers tun, um die Defensive zu stärken und dennoch Kräfte zu schonen

Hamburg. Am Sonntagabend, als die Schlachten des Wochenendes geschlagen – und mit 3:6 gegen München und 1:4 in Düsseldorf verloren – waren, hätte Mathieu Roy einen neuen Körper brauchen können. Bis über die Grenzen der physischen und mentalen Leistungsfähigkeit hatte sich der kanadische Eishockeyprofi für seine Hamburg Freezers aufgeopfert. Trotz eines gebrochenen Zehs und eines geprellten Arms hatte der 31-Jährige mehrfach Doppelschichten fahren müssen, weil neben ihm nur noch Sam Klassen und Kevin Schmidt als gelernte Abwehrspieler zur Verfügung standen.

In der Regel stehen mindestens sechs Verteidiger im Aufgebot, aber die Ausfälle von Christoph Schubert (Innenbandriss im Knie), Brett Festerling (Muskelfaserriss im Oberschenkel) und Duvie Westcott (Sperre) zwangen Cheftrainer Benoît Laporte nicht nur dazu, das verbliebene Defensivtrio zu überlasten, sondern auch dazu, die Angreifer Matt Pettinger und Julian Jakobsen zu Abwehrspielern umzufunktionieren.

Dass ein Trainer seine Abwehr umbauen muss, kommt im Verlauf einer Spielzeit mit allein 52 Hauptrundenpartien mehrfach vor. Wenn jedoch die Hälfte der Defensive schon zum Saisonstart nicht zur Verfügung steht, ist mehr gefragt als bloße Improvisation. Besonders belastend ist dabei für das Abwehrgefüge, dass die neuen Pärchen nicht aufeinander abgestimmt sind. „Zwei Dinge sind dann ganz besonders wichtig“, erläutert Westcott, der zum Gastspiel bei den Eisbären Berlin am Freitag (19.30 Uhr) nach Absitzen seiner Sperre aus der Vorsaison zurückkehrt, „man muss so viel wie möglich kommunizieren und das Spiel einfach halten.“

Jakobsen, der in Düsseldorf erstmals in seiner Profikarriere als Verteidiger eingesetzt wurde, hat das versucht. Dennoch sei er schnell an seine Grenzen gestoßen: „Wir haben alle versucht, unser Bestes zu geben. Aber wir haben zu viele Fehler gemacht. Besonders das richtige Timing beim Attackieren fehlte mir.“ Den von Westcott ausgemachten Vorteil, ein verteidigender Stürmer könne die Bewegungen des Gegenspielers besser nachvollziehen und dessen Gedanken schneller antizipieren, wollte der Däne nicht bestätigen: „Ich hatte überhaupt keine Zeit zum Antizipieren, dafür ging alles zu schnell, und ich hatte zu viele Wechsel“, sagt er.

Erschwerend kommt hinzu, dass durch die zu dieser Saison vorgenommene Verlängerung der Angriffszonen um jeweils 1,53 Meter die Kommunikation untereinander noch wichtiger geworden ist, um die Abstimmung zu optimieren. „Gerade mit den größeren Zonen sind Absprachen noch wichtiger, damit sich kein Stürmer im Rücken des Verteidigers wegschleicht. Es muss uns gelingen, die Gefahr zu eliminieren, bevor sie entsteht. In den ersten beiden Spielen haben wir zu viele Schüsse aus gefährlichen Regionen zugelassen. Gerade direkt vor dem Tor müssen wir einfach stabiler und präsenter sein“, sagt Kevin Schmidt, der wie Roy fast doppelt so viel Eiszeit bekam wie in Spielen mit einem normalen Aufgebot.

Den Teufelskreis, in dem sich die gesunden Abwehrspieler befinden, skizziert Stefan Reuter anschaulich. Der Physiotherapeut des Teams kennt Spieler wie Roy und Schmidt sehr genau und hat am Sonntagabend den Grad der Überlastung sofort gespürt. „Wer ständig Doppelschichten fährt, ist weniger konzentriert und dadurch anfälliger für Verletzungen oder Fehler. Und für die Muskeln ist die Beanspruchung immens, was ebenfalls Blessuren fördert“, sagt er. Den körperlichen Folgen könne man mit Eisbädern, intensiverem Auslockern nach den Spielen und der Gabe von Elektrolyten und Kohlenhydraten beikommen. Die mentale Erschöpfung sei jedoch kaum zu kompensieren. Umso wichtiger also, dass mit Westcott ein Führungsspieler die Abwehr verstärkt, der durch seine körperliche Präsenz ein Element einbringen kann, das in den ersten beiden Saisonspielen fehlte. „Ich bin froh, dass ich etwas zur Entspannung der Lage beitragen kann“, sagt der Kanadier, „meine Aufgabe ist, den Jungs dabei zu helfen, dass wir defensiver denken und energieschonender spielen als zuletzt.“

Auch Laporte hat seine Konsequenz aus 1:10 Toren zum Saisonstart gezogen und will das Defensivsystem leicht modifizieren. „Wir müssen in unserer Abwehrzone in der ersten Welle aggressiver auf die Gegner draufgehen und sie mit mehr Druck in die Ecken zwingen, um dort bei den Kämpfen um den Puck Überzahl zu schaffen“, sagt er. Die Bedenken, dieses Spiel könnte noch kraftintensiver sein und somit die Spieler noch mehr belasten, teilt er nicht. „Wir sparen dadurch viel Kraft, die wir zuletzt durch Hinterherlaufen vergeudet haben“, sagt er.

Die letzte Patrone, die Verpflichtung eines neuen Spielers, soll dagegen erst verschossen werden, wenn ein weiterer Verteidiger langfristig ausfiele. „Noch sehen wir keinen Grund zum Handeln“, sagt Sportchef Stéphane Richer. Sieht also ganz so aus, als müssten die verbliebenen Spieler noch drei Wochen über ihre Grenzen gehen.