Topscorer Jerome Flaake von den Hamburg Freezers spricht über den Reiz der am Sonntag beginnenden Play-offs, den Druck als Titelfavorit, die laufende Saison und seine Entwicklung.

Hamburg. Dass die Play-offs in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) alle Beteiligten elektrisieren, war in den vergangenen Tagen im Umfeld der Hamburg Freezers deutlich zu spüren. Als Hauptrundenmeister starten die „Eisschränke“ an diesem Sonntag (14.30 Uhr/O2 World) in die Best-of-seven-Viertelfinalserie. „Play-offs sind einfach viel intensiver als die Hauptrunde. Man bereitet sich noch konzentrierter vor, arbeitet noch professioneller und ernährt sich auch besser“, sagt Jerome Flaake. Der 24-Jährige, der die Hauptrunde mit 25 Toren und 19 Assists als Topscorer der Hamburger abschloss, hat große Ziele, die er im Abendblatt-Gespräch in der Eisbar der Volksbank-Arena verrät.

Hamburger Abendblatt: Herr Flaake, Sie spielen Ihre vierte Saison in Hamburg und haben bislang noch keine erfolgreichen Play-offs erlebt. Im ersten Jahr waren die Freezers gar nicht dabei, im zweiten Jahr konnten Sie gegen Mannheim nicht überzeugen, im vergangenen Jahr brachen Sie sich im Viertelfinale gegen Berlin das Wadenbein. Warum sind für Sie aller guten Dinge vier?

Jerome Flaake: Es geht ja in erster Linie nicht um mich persönlich, sondern um die Mannschaft. Und ich glaube, dass wir uns in diesem Jahr nur selbst besiegen können. Wenn wir an uns glauben und jeder weiter für den anderen arbeitet, dann werden wir sehr gute Play-offs spielen.

Dennoch ist man doch erst ein gestandener Spieler, wenn man auch in den Play-offs seine Topleistung bringt, oder?

Flaake: Das ist richtig, und natürlich ist das auch mein Ziel. Aber letztlich kommt es darauf an, dass jeder die Rolle ausfüllt, die der Trainer vorgesehen hat. Wenn ich das tue, werde auch ich gute Play-offs spielen.

Wie sehen Sie denn Ihre Rolle? Es heißt ja, dass Sie sich als kreativer Spieler durchaus mal Freiheiten nehmen, die dem Trainer nicht immer gefallen.

Flaake: Das stimmt, ich bin ein kreativer Spieler, der Freiheiten braucht, aber die bekomme ich auch, weil der Trainer weiß, was ich kann. Aber mir fällt es nicht schwer, die mir zugeteilte Rolle einzuhalten. Mein Spiel ist es, als Power Forward tief zu checken und Tore zu schießen. In der Defensive muss ich die Scheibe konsequent aus unserer Zone herausbringen. Hinten auch mal rumzocken, so wie in der Hauptrunde, das werde ich in den Play-offs nicht machen, denn dort werden Fehler sofort bestraft.

Was ist denn für Sie dieser besondere Reiz, den die Play-offs ausstrahlen?

Flaake: Play-offs sind einfach viel intensiver als die Hauptrunde. Ich bin in einer positiven Weise angespannter und fokussierter. Vor allem aber muss man es schaffen, die Spiele schnell abzuhaken, egal ob es positive oder negative Erlebnisse gab. Man darf nicht nervös werden, auch wenn man in der Serie mal zurückliegt. Wer vom Kopf her bereiter ist, wird am Ende gewinnen.

Wie schaffen Sie es, vom Kopf her bereit zu sein? Machen Sie ein spezielles Mentaltraining?

Flaake: Nein, ich versuche mich trotz der immensen Anspannung auch nicht allzu sehr zu verkrampfen. Ich bin ein Typ, der aktive Erholung braucht. Das heißt, ich gehe auch während der Play-offs spazieren, mal in die Stadt, einen Kaffee trinken. Alkohol ist natürlich tabu, aber wenn ich nur noch an den Sport denken würde, würde ich kaputt gehen. Ein spezielles Mentaltraining mache ich grundsätzlich nicht, wenn ich im Bett liege, gehe ich aber im Kopf Spielsituationen durch. Vielleicht passiert das in den Play-offs noch intensiver.

Ist Ihre schwere Verletzung aus dem Vorjahr noch im Kopf?

Flaake: Ganz aus dem Kopf ist sie nicht, da ich ja noch immer manchmal Probleme habe. Aber das ist nichts, was mich behindert. Ich hatte monatelang Schmerzen, und die Reha hat mich richtig genervt. Aber ich habe das abgehakt, es gehört zum Sport dazu.

Aktuell fällt Ihr Sturmpartner David Wolf aus, einer der wichtigsten Leistungsträger. Was bedeutet sein Ausfall für Ihre Reihe, und wie kann man ihn kompensieren?

Flaake: Natürlich ist es blöd, wenn Wolfi fehlt, weil Garrett Festerling, David und ich uns blind verstehen. Wir alle hoffen, dass er so schnell wie möglich wieder fit wird. Aber Freddy Cabana macht seinen Job als Ersatzmann sehr gut, und ich denke, dass wir mittlerweile eine solche Tiefe im Kader haben, dass wir jeden Ausfall kompensieren könnten. Das ist es, was uns in dieser Saison so stark macht: Dass wir vier Reihen haben, die Tore schießen können. Dass wir eine Abwehr haben, in der es passt. Und dass wir zwei goldene Torhüter haben, die uns die Spiele gewinnen. Das Team hat sich über die vier Jahre, die ich hier bin, enorm entwickelt, es reifen immer mehr Spieler zu Führungspersönlichkeiten heran, und wir haben jetzt viele deutsche Spieler, die als Anführer taugen. Das braucht man, um Meister zu werden. Die Eisbären Berlin haben das jahrelang vorgemacht.

Andererseits haben die Freezers in dieser Saison erstmals den Druck, als Titelfavorit in die Play-offs zu starten. Wie werden Sie damit umgehen?

Flaake: Es stimmt, dass die Erwartungen hoch sind, aber wir waren in den vergangenen Wochen immer die Gejagten und sind damit souverän umgegangen. Wir haben uns vom letzten Tabellenplatz zur Hauptrundenmeisterschaft hochgearbeitet, wir wissen also, was Druck ist. Dennoch gebe ich Ihnen recht: Wenn wir jetzt im Viertelfinale rausfliegen, können wir uns für die tolle Hauptrunde nichts kaufen. Deshalb ist es mir auch ganz egal, gegen wen wir jetzt im Viertelfinale spielen. Man muss jeden schlagen, wenn man den Titel holen will. Die Hauptrunde ist abgehakt, die Saison beginnt von vorn.

Finden Sie dieses Play-off-System eigentlich gut, oder wäre es gerechter, wenn der Meister wie im Fußball in einer normalen Runde ermittelt werden würde?

Flaake: Natürlich ist es bitter, wenn man als Hauptrundenmeister im Viertelfinale rausfliegt. Aber ich finde die Play-offs total spannend, die Fans mögen sie auch, und das beste Team wird sich am Ende auch durchsetzen. Wir haben bewiesen, dass wir nach Niederlagen schnell zurückkommen und sehr konstant spielen können. Das müssen wir jetzt eben noch ein paar Wochen länger beweisen. Ich freue mich darauf.

Die Fans auch, in den vergangenen Wochen war die Stimmung in der Arena wie in alten Zeiten. Nimmt man das als Spieler wahr?

Flaake: Na klar! Als ich bei den letzten Heimspielen aufs Eis gekommen bin, da habe ich mich manchmal gefragt, ob das wahr sein kann. Wir freuen uns sehr über den Boom, den wir ausgelöst haben, wir haben ihn uns als gesamtes Team erarbeitet und sind stolz darauf. Ich bin auch in den vergangenen Wochen viel häufiger in der Stadt erkannt und um Fotos oder Autogramme gebeten worden. Das fand ich erstaunlich, aber das hat mir gezeigt, was wir bewirkt haben.

Tatsächlich stehen Sie trotz Ihrer 25 Tore längst nicht so im Fokus wie andere Spieler. Stört Sie das eigentlich?

Flaake: Überhaupt nicht, im Gegenteil, ich bin ganz froh, dass ich in Ruhe mein Ding machen kann. Ich war schon immer eher ein zurückhaltender Typ, der in der Kabine mal einen Witz macht, aber nicht der Wortführer ist. Da gibt es andere, die das viel besser machen. Den Wolfi sieht man mit seinen blonden Haaren und dem bulligen Körper ja schon aus einem Kilometer Entfernung. Unser Kapitän Christoph Schubert oder Thomas Oppenheimer, die sagen beide in der Kabine was. Ich bin nicht der Typ fürs Rampenlicht, ich wüsste gar nicht, was ich da machen soll.

Sehen Sie sich also nicht als Star?

Flaake: Star? Bestimmt nicht! Wenn ich ein Star wäre, würde ich Crosby oder Owetschkin heißen und nicht in der DEL spielen.

Es gibt viele, die glauben, dass Sie das nicht mehr lang tun werden. Mitspieler sagen, dass Sie bislang maximal 50 Prozent Ihres Talentes ausnutzen. Stimmt das?

Flaake: Wahrscheinlich stimmt es, denn ich bin ja noch immer am Anfang meiner Entwicklung. Die besten Jahre kommen mit 28, heißt es, und natürlich habe ich noch vieles zu lernen. Ich sehe bei mir kein Limit, ich könnte noch viel mehr Tore schießen. Für diese Saison hatte ich mir eigentlich 30 vorgenommen.

Dann sind 25 ja enttäuschend.

Flaake: Naja, ich habe immerhin wieder den Freezers-Rekord gebrochen. Aber es stimmt, eigentlich bedeuten mir die 25 Tore nicht viel. Das Wichtigste ist, dass ich lerne, auch an schlechten Tagen noch gut zu spielen. Das ist mein nächstes Ziel, da will ich hin.

Wenn man bedenkt, dass Sie in Ihrem ersten Jahr in Hamburg vier Tore geschossen haben, ist Ihre Entwicklung ziemlich rasant gegangen in den vergangenen Jahren.

Flaake: Das stimmt. Als ich aus Köln nach Hamburg kam, galt ich als Riesentalent, hatte mich aber bei den Haien gefühlt, als würde ich an der Leine gehalten. Die Trainer dort haben mich nie losgelassen. In Hamburg habe ich dann das Vertrauen bekommen und konnte mich kontinuierlich entwickeln. Wenn man das Vertrauen vom Trainer hat, wird vieles leichter, deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass ich bei den Freezers reifen durfte. Wer weiß, wo ich wäre, wenn ich dieses Vertrauen nicht bekommen hätte.

Dann können Sie es dem Club ja nicht antun, dass im Sommer neben David Wolf auch der Toptorjäger geht.

Flaake: Ich will natürlich auch weiterkommen in meiner Karriere, und ich suche immer neue Herausforderungen. Ich will irgendwann zu den besten Spielern der Welt gehören, und die Freezers würden mir sicherlich keine Steine in den Weg legen, wenn ich ein Angebot aus Nordamerika oder Russland bekäme. Aber momentan ist das kein Thema, ich denke nur an die Play-offs und kann versichern, dass die Chancen sehr gut stehen, dass ich auch in der nächsten Saison in Hamburg spiele.

Man hat bei Ihnen das Gefühl, dass Sie sehr heimatverbunden sind und sich in Hamburg extrem wohl fühlen. Wäre das Ausland überhaupt etwas für Sie?

Flaake: Grundsätzlich bin ich schon abenteuerlustig, aber ob ich im Ausland klar käme, müsste ich ausprobieren. Das Schönste wäre, wenn Hamburg in der NHL spielen würde, dann könnte alles für immer so bleiben, wie es jetzt ist.

Viele glauben, dass die russische KHL vom Spielstil her besser zu Ihnen passen würde als die NHL.

Flaake: Das glaube ich auch. Die KHL ist technischer, und das ist eher mein Spiel. Ich bin ein Spieler für die ersten beiden Reihen, weil mir das körperliche Spiel nicht so liegt, ich bin ja keiner, der sich prügelt oder der besonders hart checkt. Aber in der NHL in eine der ersten beiden Reihen zu kommen, das ist unglaublich schwer. Letztlich muss man das Angebot nehmen, das kommt, und so halte ich es auch. Einen Karriereplan habe ich nicht.

Aber einen Plan für diesen Sommer. Nach dem Meistertitel mit den Freezers wollen Sie endlich ihre erste WM für Deutschland spielen.

Flaake: Das wäre natürlich ein Traum, wenn es so kommt. Bislang bin ich zweimal kurz vor WM-Beginn aus dem Kader gestrichen worden, im vergangenen Jahr war ich dann verletzt. Deshalb bin ich schon heiß darauf, mich mal der Welt zu präsentieren. Und ich träume davon, 2018 bei Olympia dabei zu sein. Das ist für jeden Sportler das Größte. Aber das alles ist jetzt nicht interessant. Jetzt zählen nur die Play-offs.