NHL-Star Jamie Benn, 23, spricht über seinen Teilzeitjob bei den Hamburg Freezers, sechs Millionen Dollar und die „Pizza Benneroni“.

Hamburg. Er sieht schon sehr entspannt aus, als er sich im Aufenthaltsraum seines Hamburger Hotels niederlässt. New-York-Yankees-Mütze, graues Polohemd, kurze Hose und Badelatschen – das also ist der Eishockeyprofi Jamie Benn, mit 23 Jahren bereits einer der herausragenden Spieler der nordamerikanischen Liga NHL. Hier in Hamburg lebt er, solange der Tarifstreit in der NHL andauert und er für die Hamburg Freezers aufs Eis geht. Das freundliche Jungengesicht mag über die Fähigkeiten des Kanadiers hinwegtäuschen, der muskulöse Oberkörper mit gewaltigen Oberarmen gibt schon eher Anhaltspunkte. Ein Kaffee, ein Wasser, Jamie? „Nein danke, alles gut“, sagt er und beantwortet, höflich gelassen und ohne Zeitdruck alle Fragen. Über Dallas, Deutschland und die These, dass man als kanadischer Junge zwangsläufig Eishockeyspieler werden muss.

Hamburger Abendblatt: Mr. Benn, Ihr Outfit ist sehr sommerlich und gewagt. In Dallas, wo Sie die vergangenen drei Jahre gespielt haben, sind gerade 26 Grad. Haben Sie die Klima-Umstellung schon geschafft?

Jamie Benn: (lacht) Ich gehe in Dallas immer in Shorts und Flip-Flops zum Training. Hier lasse ich das wohl besser bleiben. Das ist hier mein Hotel-Outfit. Ich habe gehört, dass es hier relativ oft regnet.

Wo wir schon bei Vorurteilen sind. Welche kennen Sie noch über Deutschland?

Benn: Ehrlich gesagt fallen mir gar nicht so viele ein. Aber ihr Deutschen liebt euren Fußball, oder?

Ja, das stimmt. Fußball ist hier Sportart Nummer eins. Mit welchen Erwartungen sind sie nach Deutschland gekommen?

Benn: Ich wusste wirklich nicht viel über Deutschland. Ein paar Kumpels von mir waren schon mal in Berlin. Über Hamburg habe ich mir vor dem Abflug noch ein paar Infos im Internet geholt. Was ich bisher gesehen habe, gefällt mir sehr gut. Vor allem der Hafen hat es mir angetan. Für mich ist es ein großes Abenteuer, hier zu sein. Ich versuche jeden Tag etwas mehr von der Stadt zu sehen. Bisher fühle ich mich sehr wohl hier.

Wie hat Ihre Familie reagiert, als Sie von Ihrem Abenteuer in Hamburg erzählt haben?

Benn: Meine Mutter wollte mich erst gar nicht so weit weglassen. Aber mein Dad hat sich sehr für mich gefreut. Er weiß, wie sehr ich Eishockey liebe, und dass ich in Hamburg endlich wieder spielen kann. Einer meiner besten Freunde ist Bayne Pettinger. Als ich Mutter dann erzählt habe, dass sein Bruder Matt für die Freezers spielt, war es für sie dann auch okay. Ich glaube, es ist bei meinen Eltern ohne mich ein wenig langweilig.

Sie stammen aus Victoria in British Columbia in Kanada, leben seit drei Jahren in Dallas. Was ist für Sie Heimat?

Benn: Ich mag Dallas sehr und könnte mir gut vorstellen, bis ans Ende meiner Karriere dort zu spielen. Viele Vereinswechsel sind nicht so mein Ding. Aber meine Heimat ist Victoria. Dort verbringe ich die Zeit, wenn die Saison vorbei ist. Es geht nichts über den Ort, an dem man geboren wurde und seine Kindheit verbracht hat. Ich habe eine recht große Familie, habe einen Bruder und eine Schwester, mit denen ich ein sehr inniges Verhältnis habe.

Ohnehin wirken Sie sehr bodenständig, Star-Allüren haben wir noch nicht beobachtet. Dabei haben sie mit 23 schon 222 Spiele in der NHL absolviert, der besten Liga der Welt.

Benn: Na und? Wir sind alle Eishockey-Spieler. Ich bin nichts Besseres, weil ich aus der NHL komme. Die Kameradschaft bei den Freezers ist richtig gut. Alle sind total nett zu mir, haben mich sofort in die Gruppe aufgenommen. Es gibt keinen Grund, hier arrogant zu sein. Das passt nicht zu mir. Die Mitspieler sind während der Saison doch so etwas wie eine zweite Familie. Es ist leicht, sich hier zu integrieren.

Trotzdem: In der NHL gelten Sie als einer der Shootingstars. Können Sie etwas mit dem Wort Superstar anfangen?

Benn: Klar, mag ich das Wort. Aber ich sehe mich nicht als Einzelspieler. Ohne meine Mitspieler kann ich meine Leistung gar nicht bringen oder gar zum Gesicht eines Klubs werden. Ich habe immer den Teamgedanken gelebt. Ob ich dann wirklich ein Superstar bin oder werde, sollen andere Menschen beurteilen. Ich bin niemand, der viel redet oder von Interview zu Interview rennt. Ich lasse lieber meine Leistung für mich sprechen. Das liegt mir mehr. Es gibt in Dallas aber auch nicht so viele Reporter. Vielleicht zwei, die regelmäßig beim Training sind, und mal ein Kamerateam.

Wie gehen Sie mit dem Druck um, der auf Ihnen lastet? Bei den Dallas Stars gelten Sie als das Gesicht eines ganzen Klubs.

Benn: Ganz ehrlich? Ich mache mir überhaupt keinen Druck. Wenn ich auf dem Eis bin, denke ich nur daran, dass ich mit meinem Team das Spiel gewinne. Ich kann den Druck, der von den Medien und den Fans kommt, ganz gut ausblenden. Ich freue mich aber sehr, dass ich bei den Anhängern in Dallas gut ankomme. Das macht mich stolz.

Stimmt es, dass in Dallas in einem Restaurant eine Pizza nach Ihnen benannt ist?

Benn: Ja, das ist tatsächlich so. Es gibt die Pizza „Benneroni“. Ich muss gestehen, dass ich sie noch nie probiert habe. Soweit ich weiß, ist auf jeden Fall Pepperoni drauf. Aber ist schon cool, dass eine Pizza nach mir benannt wurde. Das bedeutet mir fast so viel, wie ein Stanley-Cup-Sieg. (lacht)

Ihr Sportdirektor in Dallas scheint auch auf den Geschmack gekommen zu sein. Ihr Vertrag ist im Sommer ausgelaufen, Sie sind ein „Restricted Free Agent“. Angeblich wollen die Stars Ihnen bis zu sechs Millionen Dollar bieten. Sind Sie wirklich so viel wert?

Benn: Puh, that´s a tough Question. (Das ist eine harte Frage) Ich weiß auf diese Frage keine Antwort. Es geht wirklich um viel Geld. Wenn man verhandelt, will man das Beste für sich rausholen. Das ist Teil des Geschäfts. Jeder Spieler bekommt am Ende das was er verdient.

Was bedeutet Ihnen Geld?

Benn: In erster Linie bedeutet es mir Sicherheit für die Zukunft. Ich kann meine Familie, die mich bei meiner Karriere immer gefördert hat, unterstützen. Aber ehrlich gesagt spiele ich for the love of the Game. Es ist nicht so, dass man in der NHL in der Kabine über Geld redet und so einen Wettstreit hat. Insgesamt ist es ein netter Bonus dafür, dass man sein Hobby zum Beruf machen konnte.

Müssen Sie sich manchmal kneifen, wenn Sie ihre rasante Entwicklung sehen?

Benn: Ehrlich gesagt ja. Ich kann mich noch daran erinnern, wie surreal es war, als ich den NHL-Draft mit meiner Familie vom Fernseher saß und meinen Namen dort gelesen habe. Plötzlich habe ich realisiert: Wow, ich bin jetzt ein NHL-Spieler. Davon habe ich immer geträumt. Es gab eine spontane Party bei uns zu Hause. Mit 20 war ich dann Stammspieler in der NHL und drei Jahre später im Allstar-Team

Wie war es für Sie, im Kreise der Topspielern im Allstar-Team auflaufen zu dürfen?

Benn: Als ich hörte, dass ich zum Allstar gewählt wurde, war ich erst mal völlig geschockt. Damit hätte ich nicht gerechnet. Beinahe hätte ich das Allstar-Weekend verpasst. Mir wurde kurz davor der Blinddarm rausoperiert. Gott sei Dank heilte alles gut. Es war eine große Ehre. Das Spiel fand in Ottawa statt und ich habe die „Skill-Competition“ im Bereich Zielgenauigkeit gewonnen. Das war richtig mein Highlight.

Haben Sie für Ihre Zielgenauigkeit einen Pokal bekommen?

Benn: Leider nein, aber immerhin kann ich damit angeben, dass ich die Competition gewonnen habe.

Gab es für Sie immer nur Eishockey, oder haben Sie auch andere sportliche Talente?

Benn: Ich war ein ziemlich guter Baseball-Spieler. Bis ich 16 Jahre alt war, habe ich im Winter Eishockey gespielt, im Sommer Baseball. Das hat mir Spaß gebracht. Als ich dann aber gedraftet wurde, habe ich den Baseball-Handschuh für immer an den Nagel gehängt. Für eine Profikarriere hätte es sicher nicht gereicht. Aber ich bin ohnehin ein Sportverrückter. Ich bin Fan der New York Yankees (Baseball-Team, d.Red.), stehe auf Football. Auch Basketball mag ich.

Dann haben Sie in Dallas ja hautnah miterlebt, welcher Hype um Dirk Nowitzki nach der Meisterschaft entstanden ist. Haben Sie ihn treffen können?

Benn: Nein, leider habe ich ihn nicht persönlich kennenlernen dürfen. Ich habe Dirk natürlich spielen sehen. Er hat sich durch den Gewinn der Meisterschaft unsterblich gemacht. Es war toll für die Stadt Dallas. Nowitzki ist ein Superstar. Es gibt leider wenig Berührungspunkte zwischen den Mavericks und den Stars. Wir teilen uns nur die Arena und die Trainingsstätte.

Was bedeutet Ihnen Eishockey?

Benn: Ich wüsste nicht, was ich nun tun würde, wenn ich es nicht geschafft hätte. Ehrlich gesagt fand ich die Schule ziemlich blöd. Na ja, Sportunterricht hat Spaß gebracht. Ich hätte meinen Lehrern vielleicht sagen sollen, dass ich hier nicht hingehöre, da ich NHL-Profi werde. Ich hatte keinen Plan B. Gott sei Dank ist Plan A in Kraft getreten. Darauf habe ich mein Leben lang hingearbeitet. Harte Arbeit zahlt sich aus.

Ihr Bruder Jordie spielt auch für die Dallas Stars, lief zuletzt aber für das Farmteam Texas Stars auf. Welche Erinnerungen haben Sie an die drei gemeinsamen NHL-Spiele?

Benn: Das war etwas ganz Besonderes. Unsere Eltern sind extra aus Kanada nach Dallas geflogen, um ihre beiden Söhne in einem Team zu sehen. Für die Familie Benn war es ein spezieller Tag.

Sie sind Stürmer, Ihr Bruder Abwehrspieler. Klingt nach harten Duellen in der Jugend.

Benn: Worauf Sie sich verlassen können. Er war früher immer größer als ich. Vielleicht hat es mir ja geholfen, dass er mir früher auf dem Eis immer in den Hintern getreten hat. Das würde er heute natürlich nicht mehr schaffen.

Leider können Sie im Moment nicht Ihrem Job in der NHL nachgehen. Gerade wurden wegen des Lockouts 82 Saisonspiele abgesagt. Was bedeutet der Streik für das Image der Liga.

Benn: Es ist hart für alle. Der Lockout tut jedem weh. Den Spielern, den Klubs, denen Einahmen verloren gehen. Aber vor allem trifft es die Fans, die auf ihren geliebten Sport verzichten müssen.

Wie lassen Sie sich über den Lockout informieren?

Benn: Jeder Klub stellt für die NHLPA (Spielergewerkschaft, Anm. Red) einen Vertreter ab. Ich bekomme täglich Updates, aber im Moment gibt es wenig Bewegung in den Verhandlungen zwischen Spielern und der NHL.

Befürchten Sie den Ausfall der gesamten Saison?

Benn: Ich hoffe nicht, dass das passiert. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir um Weihnachten herum beginnen werden.

Bis dahin sind Sie bei den Freezers unter Vertrag. Mal Hand auf Herz: Sind die Unterschiede zwischen NHL und DEL wirklich so groß?

Benn: Nein, ich finde überhaupt nicht. Hier gibt es sehr viele talentierte Spieler. Die Mannschaften arbeiten sehr hart, treten als Team auf. Alle Spiele sind sehr eng, das spricht für die Liga. Meine ersten beiden Partien gegen Mannheim und Berlin haben mir die Augen geöffnet, wie stark die DEL wirklich ist.

Das zeigt ja auch die Tatsache, dass immer mehr Top-NHL-Spieler während des Lockouts in die Liga kommen. Das Image der DEL scheint gut zu sein.

Benn: Es ist ein tolles Zeichen für das deutsche Eishockey. Ich würde jedem meiner NHL-Mitspieler die DEL ans Herz legen. Wenn es mal wieder einen Lockout geben sollte, würde ich sofort wiederkommen.

Sie sind in der NHL nicht nur für Ihre Tore bekannt. Auf YouTube sieht man auch sehr beeindruckende Faustkämpfe.

Benn: Ich bin niemand, der auf dem Eis Streit sucht, aber wenn ich mich für einen Mitspieler einsetzen kann, mache ich es. Wenn jemand sich schlagen will, laufe ich sicher nicht weg.

Im Eishockey wird derzeit mit dem Thema Gehirnerschütterung sehr sensibel umgegangen. Wie kann man die Verletzung verhindern?

Benn: Ganz verhindern kann man sie nicht. Das Spiel wird immer athletischer, schneller. Es liegt an uns Spielern, dafür zu sorgen, dass es nicht so häufig vorkommt. Wir haben eine Verantwortung und dürfen einfach nicht Gegenspieler fahrlässig gefährden.

Was bringt Ihnen die Europa-Erfahrung persönlich?

Benn: Ich lerne etwas komplett Neues kennen. Es wird mich menschlich weiterbringen. Deshalb bin ich hier. Es ist ein Neu-Start weit weg von Zuhause. Die DEL hat mich einfach gereizt. Dass, was ich gehört habe, hat mir gefallen. Die Stimmung hier ist total verrückt, einfach überragend. Alles ist sehr laut. So etwas kenne ich nicht Nordamerika. Ich habe noch nie die Laola-Welle nach einem Spiel mit den Fans gemacht. Das war cool.

Sie brauchten nur 60 Minuten, um Publikumsliebling zu werden.

Benn: Das freut mich total, dass mich die Fans hier so angenommen haben. Das habe ich so nicht erwartet. Ich hoffe, ich kann die Sympathie weiter mit Leistung zurückzahlen.

Welche Ziele haben Sie für die kommenden Jahre?

Benn: Es ist klar, dass ich irgendwann den Stanley-Cup gewinnen will. Das ist das ultimative Ziel. Darüber hinaus möchte ich zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014. Es bedeutet mir wahnsinnig viel, das Trikot mit dem Ahornblatt überzustreifen und mein Land zu repräsentieren. Ich bin noch jung. Meine besten Jahre liegen noch vor mir. Mein Ziel ist es bis Ende 30 Spielen zu können.

Eishockey-Spieler gelten als sehr abergläubisch. Haben sie einen speziellen Ablauf vor einem Spiel?

Benn: Vor jedem Spiel esse ich Pasta mit Hühnchen, trinke dazu ein Glas Wasser. Dann geht es zurück ins Hotel, ein kurzes Nickerchen und dann kann das Spiel kommen. Aber egal, ob ich gut oder schlecht spiele, ich behalte meine Rituale. Ohne Pasta und Hühnchen geht es nicht bei mir. In der Nähe meines Hotels in Hamburg habe ich schon einen guten Italiener gefunden.

Vor allem die weiblichen Fans machen sich Gedanken um Ihre Frisur. Sie sehen mit den langen Haaren aus wie ein Surfer…

Benn: Es gibt keine besondere Geschichte um meine Frisur. Ich wollte einfach etwas Neues probieren. Inzwischen ist es schon fast ein Erkennungsmerkmal. Und ich finde ohnehin, dass ich eine totale Eishockey-Frisur habe.