Interview mit Nationaltorwart Dimitrij Kotschnew, der unmittelbar vor Beginn der WM seinen Wechsel zu den Hamburg Freezers bekanntgab.

Hamburg. Sein Wechsel zu den Hamburg Freezers steht seit Monaten fest. Offziell darüber sprechen durfte allerdings, so legte es sein Arbeitsvertrag mit Atlant Mytischtschi fest, vor Ablauf des Kontrakts am 30.April niemand. Im Abendblatt-Gespräch erklärt der deutsche Nationaltorhüter Dimitrij Kotschnew, 30, nun, warum er nach vier Jahren in Russlands Topliga KHL den Schritt zurück in die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) geht.

Hamburger Abendblatt: Herr Kotschnew, die KHL gilt als sportlich beste Liga Europas, die dort bezahlten Gehälter sind drei- bis viermal so hoch wie in der DEL. Warum geht ein Torhüter in seinen besten Jahren freiwillig zurück nach Deutschland?

Dimitrij Kotschnew: Ich hatte nach vier Jahren in Russland das Gefühl, dass es an der Zeit ist, in meine Heimat zurückzukehren. Ursprünglich wollte ich nur zwei Jahre in Russland spielen. Es war zudem nicht meine alleinige Entscheidung, es gab Personen in meinem engsten Umfeld, die mir nahe gelegt haben, dass es genug sei mit Russland.

Ihre Freundin lebt und arbeitet in Hamburg, Sie haben hier eine Wohnung, in der Sie regelmäßig den Sommer verbringen. Haben Sie nur auf das Angebot der Freezers gewartet?

Kotschnew: Nein, ich habe mich in Russland ja sehr wohl gefühlt. Aber der Verein und ich haben seit längerem Kontakt. Im Frühjahr 2011 hatte ich ein Treffen mit Trainer Benoît Laporte, Sportdirektor Stéphane Richer und Geschäftsführer Michael Pfad. Damals war ich aber noch vertraglich gebunden, deshalb kam der Wechsel nicht zustande. Ich habe aber meinem Berater immer gesagt, dass für eine Rückkehr in die DEL nur Hamburg infrage kommt.

Hatten Sie denn andere Angebote?

Kotschnew: Damit habe ich mich nicht beschäftigt. Ich hätte auf jeden Fall problemlos in Russland bleiben können. Aber als das Interesse der Freezers konkret wurde, habe ich zugegriffen.

Hat Ihre Entscheidung, Russland zu verlassen, auch mit dem schlimmen Flugzeugunglück im September zu tun, als die Mannschaft Ihres Exklubs Jaroslawl ums Leben kam?

Kotschnew: Nein, das war ein schreckliches Unglück, aber letztlich kann das überall passieren. Eher ist es so, dass mir die vielen langen Reisen nicht gerade viel Spaß gemacht haben. Aber das war nur ein Randaspekt.

Sie haben in Mytischtschi sportlich einen schweren Stand gehabt, Ihr Konkurrent war der russische Nationalkeeper, Sie haben nur jedes vierte Spiel gemacht. Hat das Ihre Entscheidung beeinflusst?

Kotschnew: Auch wenn das komisch klingen mag: überhaupt nicht. Im Großen und Ganzen war es nicht so schlimm, ich habe viel gelernt. Ich kannte es nicht, Ersatzmann zu sein, und man gewinnt von der Bank andere Einblicke. Deshalb würde ich sagen, dass mich auch diese Erfahrung weitergebracht hat. Meine Entscheidung für Hamburg hat rein persönliche Gründe. Meine Freundin hat für meine Karriere sehr viel geopfert, jetzt war ich einfach mal dran, etwas zurückzugeben.

Sie kommen nach vier Jahren in Russland durchaus mit einem finanziellen Polster nach Hamburg. Ermöglicht Ihnen der Verdienst, nun nur noch das tun zu können, worauf Sie Lust haben?

Kotschnew: Ich habe sicherlich eine gute Basis, aber ausgesorgt bis ans Lebensende habe ich nicht. Und eins will ich mal klarstellen: Die Hamburg Freezers sind auch ein toller Klub mit sportlichen Ambitionen, und ich habe mir immer gewünscht, mal hier spielen zu dürfen. Ich komme ja nicht her, um mich zurückzulehnen. Der Klub hat hohe Ziele, und ich werde alles geben, um meinen Teil zum Erreichen beizutragen. Ich bin kein Typ, der nur sein Leben genießen kann. Ich möchte mich immer weiterentwickeln.

Sie kennen Trainer Laporte aus gemeinsamen Zeiten in Nürnberg. Sind Sie auch wegen ihm hier?

Kotschnew: Ich habe Laporte als harten, aber sehr fairen und ehrlichen Coach kennen gelernt, und ich schätze solche Typen, die alles für den Erfolg tun.

Wen aus dem Team kennen Sie noch?

Kotschnew: Bis auf die Jungs, mit denen ich in der Nationalmannschaft zusammenspiele, kenne ich keinen. Aber ich weiß, dass wir ein starkes Team haben, das sich in der vergangenen Saison stark entwickelt hat. Die Leistungsträger sind geblieben, auf der Führungsebene herrscht Kontinuität, das sind gute Voraussetzungen dafür, dass wir auch nächste Saison Erfolg haben können.

Torhüter haben in Hamburg einen besonderen Status, waren fast alle Publikumsliebling. Freuen Sie sich darauf?

Kotschnew: Diesen Status muss ich mir erst erarbeiten. Die Torhüter, die hier gefeiert wurden, haben auch alle etwas geleistet. Letztlich ist es mir aber nicht so wichtig, dass mein Name gerufen wird. Wichtig ist, dass wir mit dem Team unsere Ziele erreichen.

Die Geschäftsleitung will die Verwurzelung der Spieler mit Hamburg stärken und setzt darauf, dass sich die Fans mehr mit Spielern identifizieren können, die den Klub im Herzen tragen. Sie als Kind dieser Stadt passen bestens in dieses Raster. Andererseits gelten Sie als zurückhaltend. Fühlen Sie sich bereit, ein Gesicht der Freezers zu werden?

Kotschnew: Ich kann mit solchen Begriffen wenig anfangen. Wichtig ist für mich, dass Spieler mit Leistung überzeugen, nicht mit Worten. Ich werde mich sicherlich nicht vor jede Kamera drängeln und alles kommentieren. Ich werde das tun, was die Freezers von mir verlangen, um sie nach vorn zu bringen. Aber ein Gesicht des Klubs? Das muss ich nicht unbedingt haben. Ich bin keiner, den es ins Rampenlicht zieht.

Aber ein Führungsspieler wollen Sie schon sein?

Kotschnew: Ich muss doch erst einmal gucken, wie die Chemie im neuen Team ist und wie ich mich einbringen kann. Führungsspieler wird man nicht durch Worte, sondern durch Leistung. Ich werde meine Rolle neu finden müssen, aber das macht mir keine Sorgen.

Sie haben nur für ein Jahr unterschrieben, obwohl Hamburg Ihr Wunschverein war. Warum? Liebäugeln Sie doch noch mit Nordamerikas Topliga NHL?

Kotschnew: Die NHL war vor zehn Jahren mal ein Thema, aber es hat sich nie etwas Konkretes ergeben. Und jetzt bin ich 30, da ist der Zug abgefahren. Nein, ich würde gern in Hamburg sesshaft werden, ich bin kein Wandervogel. Aber ich denke, dass beide Seiten erst einmal schauen können, ob es passt. Ich habe daran keine grundsätzlichen Zweifel, ich kenne ja die Liga, und die Verantwortlichen kennen mich, ich habe sieben Jahre in der DEL gespielt. Aber ich halte Einjahresverträge in unserer schnelllebigen Zeit für fair und gut.

Worauf freuen Sie sich in Ihrem neuen Umfald am meisten?

Kotschnew: Oh, auf vieles. Ich habe als Gegner immer sehr ungern in Hamburg gespielt und freue mich jetzt, dass die tollen Fans für mich statt gegen mich sein werden. Aber am meisten freue ich mich darauf, nach dem Training in die Wohnung zu kommen, in der ich mich wirklich heimisch fühle. Das Gefühl, das ganze Jahr bei demselben Bäcker Brötchen zu kaufen, das ist für mich Heimat, und das ist es, was ich am meisten vermisst habe.

Was bleibt von vier Jahren Russland?

Kotschnew: Dass ich gesehen habe, in einer Topliga wie der KHL mithalten zu können, hat mir sportlich viel gegeben. Außerdem war es toll, die Sprache und Kultur meiner Kindheit aufzufrischen. Ich bin als Zehnjähriger aus Kasachstan nach Deutschland gekommen und habe hier schnell meine Heimat gefunden. Aber in Russland zu leben und mich dort zu behaupten, das hat meine charakterliche Entwicklung sehr gefördert.

Ist auch eine Rückkehr denkbar?

Kotschnew: Ich sage niemals nie, aber jetzt zählen nur die Freezers.