Spielberg/Berlin. Die ganz große Strafe für seinem Rammstoß gegen Hamilton ist ausgeblieben. Ein paar Konsequenzen für Vettel gibt es dennoch.

Nach dem "Geburtstagsgeschenk" der FIA ist nun Sebastian Vettel an der Reihe, der Formel 1 etwas zurückgeben. Fairness und Einsicht statt Rambo-Verhalten und Unbelehrbarkeit sind vom viermaligen Formel-1-Weltmeister nach dem Gnadenakt des Automobil-Weltverbandes gefordert. "Von jetzt an muss er die Nerven unter Kontrolle halten", schrieb selbst die dem Ferrari-Rennstall nahe stehende italienische Sporttageszeitung Gazzetta dello Sport passend.

Anstatt einer nachträglichen Disqualifikation oder Rennsperre gab es für den Heppenheimer in der Rammstoß-Affäre von Baku lediglich einen Rüffel. "Vettel kommt mit einer einfachen Rüge davon. Für seinen 30. Geburtstag hätte Sebastian kein besseres Geschenk bekommen können, auch wenn er sicher lieber anders gefeiert hätte", schrieb die Gazzetta weiter. Corriere dello Sport urteilte: "Zu seinem 30. Geburtstag erhält Sebastian die schlimmste Rüge seines Lebens."

Pressestimmen zum Zoff Vettel vs. Hamilton

Telegraph (England)

In der Hitze von Baku kochen die Gemüter über. Vettel rammt Hamilton gleich zweimal, der fordert ihn nun auf, die Angelegenheit ohne Autos von Angesicht zu Angesicht zu klären. Lewis sagt, Seb ist eine Schande. Die Formel 1 ist in einem chaotischen Rennen zum Leben erwacht.

Daily Mirror (England)

Was zur Hölle ist hier los? Vettel und Hamilton duellieren sich in wilder Wut. Nun fordert Hamilton den Deutschen auf, die Sache wie Männer zu klären, und erinnert an all die jugendlichen Autofahrer, denen Vettel ein fatales Beispiel ist. Ricciardo gewinnt fast unbemerkt sein fünftes Rennen.

Daily Mail (England)

Sebastian Vettel außer Kontrolle! Er hätte die schwarze Flagge sehen müssen, schließlich hat er sich ja auch wie ein Pirat benommen. Eine unglaubliche Attacke gegen Hamilton, dafür sind zehn Sekunden lächerlich. Ein billiges Manöver eines Hochbegabten, der zur Belohnung auch noch seine WM-Führung ausbauen durfte. Ach ja, wer hat eigentlich gewonnen? Glückwunsch, Danny Ricciardo.

The Guardian (England)

Und dann kommt er auch noch mit Platz vier davon - Seb, das war nicht weltmeisterlich! Wenn er beweisen will, dass er ein echter Kerl ist, können wir das gerne ohne Autos ausfechten, sagt Lew. Ricciardo gewinnt ein Rennen, in dem er nie im Mittelpunkt steht.

Sun (England)

Vergesst Formel 1, das war Wacky Races (US-Zeichentrickserie, d. Red.) mit Sebastian Vettel in der Rolle des Bösewichtes Dick Dastardly. Bisher haben sich Seb und Lew gemocht, das können wir auch vergessen, jetzt herrscht Krieg zwischen den beiden. Einen Sieger hatte dieses verrückte Rennen auch, er heißt Daniel Ricciardo und fährt einen Red Bull.

L'Equipe (Frankreich)

Das ist ja hier wie beim IndyCar, schimpfte Lewis Hamilton in den Boxenfunk, und der Mercedes-Pilot hatte nicht unrecht. Der Grand Prix in Baku hatte ein Podium, das man so kaum vorhersehen konnte. Die beiden WM-Leader Sebastian Vettel und Lewis Hamilton mussten sich mit den Plätzen vier und fünf begnügen.

Gazzetta dello Sport (Italien)

Das große WM-Duell zwischen Hamilton und Vettel wird zu einer billigen Rauferei. Der GP in Baku war eine Formel Wrestling, ein Rodeo mit Unfällen und Theater zwischen Mercedes und Ferrari, aus dem überraschend Daniel Ricciardo als Sieger hervorging. Was für ein Stiefkampf! Vettel verliert die Nerven, im zweiten Teil des Rennens wird er zur Furie.

Corriere dello Sport (Italien)

Verkehrsrowdys! Beim GP in Baku haben Hamilton und Vettel das Schlechteste aus ihrem Repertoire zur Schau gestellt. Knallhart und schlau sind die Piloten, doch bestimmte Prinzipien korrekten Verhaltens sollten respektiert werden. In einem chaotischen Match verliert Vettel wie ein Teenager den Kopf. Schade für ihn und für Ferrari, sie hätten gewinnen können.

Tuttosport (Italien)

Alles Mögliche geschieht beim GP in Baku, bei dem ein Spitzenpilot wie Sebastian Vettel einfach die Nerven verliert. Aus einem chaotischen Rennen, wie man es lange nicht erlebt hat, geht Ricciardo als Sieger hervor. Vettel kann sich trotz eines katastrophalen Tages über nun 14 Punkte Vorsprung auf Hamilton freuen.

Corriere della Sera (Italien)

Vettel vs Hamilton: Ein Streit wie auf einer Hauptstraße mitten im innerstädtischen Verkehr. Beim GP in Baku verhalten sich die beiden Starpiloten wie zwei undisziplinierte Autofahrer. Nach dem wahnsinnigen Sonntag in Aserbaidschan wird der Kampf um den WM-Titel zu einer billigen Schlägerei. Zwischen Hamilton und Vettel wird nichts mehr sein wie früher. Ihre Gesichter sagen mehr als tausend Worte und sind voller Wut und Rachelust.

Repubblica (Italien)

Baku wird zu einem brutalen Rennen zwischen Vettel und Hamilton. Bei der großen Schlägerei verlieren die Sieger, und die Außenseiter erobern die Spitze. Die Straßen in Baku werden zu einer Großstadt-Peripherie, in der sich Vettel und Hamilton wie Straßenschläger benehmen. Bei einem Fußball-Match hätten beide rot gesehen.

Kronenzeitung (Österreich)

Baku endet mit Krieg zwischen Hamilton und Vettel. Dass Daniel Ricciardo vor Valtteri Bottas und Sensationsmann Lance Stroll siegte, verkam fast zur Nebensache.

Blick (Schweiz)

Ricciardo gewinnt Chaos-GP - Vettel rammt Hamilton. Ein verrücktes Rennen in Aserbaidschan geht an Daniel Ricciardo im Red Bull. Als Dritter sorgt der Kanadier Lance Stroll für eine Sensation. Zu diskutieren gibt es ein grobes Foul von Vettel an Hamilton.

Marca (Spanien)

Ricciardo ist der Sieger der Schlägerei. Vettel haut Hamilton das Auto weg! Vettels Aktion hätte ganz klar eine Disqualifikation zur Folge haben müssen. Alonsos Punkte in einem Spielzeugauto sind ein echtes Wunder.

As (Spanien)

Ricciardo gewinnt ein verrücktes Rennen. Kaum zu fassen: Vettel knallt Hamilton absichlich ins Auto. Vettel spielt plötzlich verrückt, aber auch Hamiltons Aktion war wenig elegant und nicht vertretbar. Trotzdem darf man nicht einfach so in ein anderes Auto reinfahren. Vettels Aktion hätte eine Disqualifikation sein können - oder müssen.

Sport (Spanien)

Ricciardo regiert im Chaos von Baku. Hamilton bremst zu stark, und Vettel fährt in Rage auf ihn drauf - ein elektrisierendes Duell zwischen dem Deutschen und dem Engländer. Es war das Rennen, das viele erwartet hatten: chaotisch, verrückt,unvorhersehbar, polemisch.

El Mundo Deportivo (Spanien)

Ricciardo gewinnt in Baku, er war der Abgezockteste. Hamilton bremst unerwartet an der Grenze des Erlaubten, das führt zu einer heftigen Reaktion von Vettel. Das Theater geht weiter: Nun fordert Hamilton Vettel zu einem Zweikampf heraus.

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Vettel erhält Kampagnen-Verbot

WM-Spitzenreiter Vettel muss nun den Beweis erbringen, dass seine Worte der Entschuldigung an Mercedes-Widersacher Lewis Hamilton und die FIA nicht bloß ein Lippenbekenntnis waren. "Ich liebe diesen Sport, und ich bin gewillt, ihn auf eine Weise zu repräsentieren, die ein gutes Beispiel für die nächsten Generationen sein kann", schrieb Vettel auf seiner Homepage: "In der Hitze des Gefechts habe ich überreagiert und deshalb möchte ich mich bei Lewis direkt entschuldigen und auch bei all jenen Menschen, die das Rennen gesehen haben."

Nur weil er so öffentlich Abbitte leistete, wurde Vettel an seinem Ehrentag von einem härteren Urteil verschont. Die FIA um Präsident Jean Todt verurteilte Vettel nach einer persönlichen Anhörung in Paris lediglich dazu, in den kommenden zwölf Monaten "erzieherische Aktivitäten" in den Nachwuchs-Rennserien zu erfüllen. Außerdem wurde er bis Ende des Jahres von den Kampagnen für Straßenverkehrssicherheit ausgeschlossen.

Vettel ist eigentlich Wiederholungstäter

Die FIA-Entscheidung überrascht, denn der Heißsporn aus Hessen ist ein Wiederholungstäter und zeigte sich auch in Baku zunächst uneinsichtig und bockig wie ein kleines Kind. Erst am Montag, acht Tage nach der Entgleisung, nahm er doch noch die volle Schuld für den Vorfall auf sich. "Mir ist klar, dass ich kein gutes Beispiel abgegeben habe", so Vettel.

Der Heppenheimer dürfte die Erklärung allerdings nicht ganz aus freien Stücken abgegeben haben. Der Druck war in den vergangenen Tagen enorm gestiegen. Zweifel an seinem Gesinnungswandel sind nach den zahlreichen Verfehlungen in der Vergangenheit durchaus angebracht. Nicht vergessen sind die drastischen Beschimpfungen gegen Red-Bull-Fahrer Max Verstappen und Rennleiter Charlie Whiting ("Fuck you Charlie, fuck you") beim Großen Preis von Mexiko. Erst in diesem Jahr zeigte er in Sotschi Williams-Pilot Felipe Massa aus seinem Cockpit den Mittelfinger.

Hamilton hält sich mit Reaktion zurück

Nun war in Baku Lewis Hamilton dran, dem er mit voller Absicht ins Auto gefahren war. Der in den sozialen Medien normalerweise recht mitteilungsfreudige Hamilton, der in der WM 14 Punkte hinter Vettel liegt, reagierte auf Vettels Bitte um Verzeihung bislang noch nicht. Auch der Mercedes-Rennstall wollte sich am Dienstag auf SID-Anfrage nicht äußern. Hamilton dürfte am Donnerstag beim Medientag vor dem Großen Preis von Österreich erstmals Stellung beziehen.

Beim nächsten ähnlichen Vorfall dürfte Vettel direkt beim Weltrat der FIA vorgeladen werden, außerdem hat er bereits neun Strafpunkte in den vergangenen zwölf Monaten gesammelt, bei zwölf innerhalb eines Jahres folgt automatisch eine Sperre für ein Rennen. Am Sonntag (14.00 Uhr/RTL und Sky) steht der Hesse in Spielberg unter besonderer Beobachtung.