Barcelona. Die Formel-1-Testfahrten glichen einem Schattenboxen. Auch zum Ende der Übungsrunden sind die Kräfteverhältnisse nicht völlig klar.

Nach tausenden von Testkilometern sucht Sebastian Vettel noch immer die Antwort auf die wichtigste Frage vor dem Formel-1-Saisonstart. „Es ist alles nur ein Ratespiel, wenn wir darüber urteilen, wer wo in der Hackordnung steht“, sagte der Ferrari-Pilot zum Ende der achttägigen Probefahrten in Barcelona. Eines aber scheint vor dem Auftakt-Grand-Prix in zwei Wochen in Melbourne gewiss: Nur Ferrari kann dem Branchenführer Mercedes um Weltmeister Lewis Hamilton gefährlich werden. „Sie sind viel näher dran, es könnte ein enger Kampf zwischen uns werden“, urteilte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff.

Die Scuderia holte sich mit Tagesbestzeiten von Vettel und Kollege Kimi Räikkönen die Zuversicht, dass der neue SF16-H im Sprint schon stark ist. Mercedes allerdings beeindruckte die Konkurrenz mit rekordverdächtigen Kilometerzahlen. Weit mehr als 1000 Runden drehten Hamilton und Vize-Weltmeister Nico Rosberg im neuen Silberpfeil, simulierten damit von der Distanz her anscheinend problemlos schon eine komplette Grand-Prix-Saison.

Hamilton: „In einer stärkeren Position als im Vorjahr“

„Das Team hat einen fantastischen Job gemacht. Ich habe das Gefühl, dass wir im Hinblick auf Laufleistung und Verständnis für das Auto in einer stärkeren Position als im Vorjahr sind“, verkündete Hamilton stolz. Im Hochgefühl der ersten Ausfahrten im neuen Dienstwagen gönnte sich der dreimalige Champion in der Testpause einen kleinen Party-Abstecher nach Los Angeles und feierte dort mit Supermodel Naomi Campbell und Pop-Star Elton John.

Einen Rest Zweifel aber will sich das Weltmeisterteam mit Blick auf die enormen Aufholbemühungen von Ferrari noch bewahren. „Man kann sich nie sicher sein, deshalb müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Überheblichkeit wäre die falsche Haltung“, mahnte Rosberg.

Ein paar Tage in den Rennfabriken bleiben den Teams noch, um die Erkenntnisse aus den Testtagen auf dem Circuit de Catalunya zu ziehen. „Diese Zeit sollten wir nutzen“, forderte Vettel. Wenn die Autos erstmal per Frachtcontainer auf dem Weg nach Melbourne sind, sind größere Eingriffe kaum noch möglich. Erst nach den Rennen in Australien, Bahrain, China und Russland dürfte bei den meisten das nächste große Update-Paket folgen.

Bis dahin dürfte längst Klarheit herrschen, ob Mercedes in dieser Saison ähnlich übermächtig das Feld beherrscht wie in den vergangenen beiden Jahren. Einige Experten wollen zwar aus dem Vergleich der Testzeiten ermittelt haben, dass Ferrari seinen Rückstand halbiert hat. Aber McLaren-Pilot Fernando Alonso orakelte bereits mit Blick auf die Kilometerfresser von Mercedes: „Wenn die mal die Sau rauslassen, werden sie noch stärker sein als 2015.“