Ein Krimi vor der Sommerpause: In einem turbulenten Rennen in Budapest düpiert Vettel-Kollege Ricciardo die Silberpfeile. Hamilton macht im Titel-Duell der Formel 1 Boden auf Rosberg gut.

Budapest. Die Glücksgefühle waren zu groß, um sie für sich zu behalten. Daniel Ricciardo hatte seine Freude über den Sieg beim Großen Preis von Ungarn bereits in tinitusverdächtiger Frequenz herausgeschrien, als er aus seinem lila-blauen Formel-1-Wagen geklettert war. Trotzdem brauchte der Red-Bull-Pilot noch mindestens ein weiteres Ventil, um seine Emotionen zu verarbeiten. Also kletterte er kurzerhand auf sein Auto, spannte sämtliche Muskeln unter seinem Rennanzug an und lauschte in bester Mario-Balotelli-Pose dem Applaus der Zuschauer. Wie vor zwei Jahren der italienische Stürmer wirkte auch der australische Rennfahrer regelrecht berauscht von sich und dem, was er zuvor geleistet hatte.

„Ein paar Tage lang“ werde er nun feiern, gestand der Australier später, schließlich stehe nun die vierwöchige Sommerpause an. Danach jagte Ricciardo wie ein Kind den zweitplatzierten Fernando Alonso und Lewis Hamilton, der als Dritter ins Ziel gekommen war, bei der Champagnerdusche über das Podest. Während der Sieger jede Sekunde seines Triumphes auskosten wollte, stand den beiden Routiniers an seiner Seite die Verblüffung über ein denkwürdiges Rennen ins Gesicht geschrieben.

Ein Regenschauer kurz vor dem Start hatte den spannendsten und abwechselungsreichsten Grand Prix dieser Saison eingeleitet. Verunsichert ob des Zustands der Strecke waren die Boliden wie auf rohen Eiern durch die ersten Kurven gerollt. Noch waren alle Fahrer darauf bedacht, Kollisionen zu vermeiden. Diese Disziplin hielt exakt zehn Runden, dann wurde das Feld zum zweiten Mal erheblich durcheinander gewirbelt. Nach dem heftigen Unfall von Caterham-Pilot Marcus Ericsson, der auf rutschiger Piste die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte und heftig in die Reifenstapel gekracht war, kam das Safety Car zu einem so unglücklichen Zeitpunkt auf die Strecke, dass das Führungs-Quartett die Spitzenposition vorerst verlor. Die hinter ihnen fahrenden Piloten konnten eine Runde früher in die Boxengasse abbiegen, WM-Spitzenreiter Nico Rosberg, Sebastian Vettel, Valtteri Bottas und Alonso waren die Verlierer.

Großer Gewinner war Ricciardo. Der Red-Bull-Pilot, dem schon in Kanada das Kunststück gelungen war, die überlegenen Silberpfeile zu distanzieren, hatte nach verhaltenem Start plötzlich freie Fahrt. Und die nutzte er. Auf abtrocknender Strecke reihte er eine Bestzeit an die nächste und hatte sich rasch ein komfortables Polster erarbeitet. Auch ein Motorproblem konnte den 25-Jährigen nicht stoppen. Nach einem weiteren Reifenwechsel war von den zwischenzeitlichen Störungen im Getriebe nichts mehr zu spüren: Wie entfesselt flog Ricciardo über den Kurs und entriss Alonso und Hamilton den Sieg.

Lewis Hamilton blafft in den Boxenfunk und lässt Nico Rosberg nicht vorbei.

Während der spanische Ferrari-Star trotzdem zufrieden war mit „einer schönen Überraschung“, war der Brite nach seinem düsteren Qualifying-Déjà-vu hin- und hergerissen. Nachdem am vergangenen Wochenende die Bremsscheibe an seinem Silberpfeil gebrochen und Hamilton daraufhin heftig in die Streckenbegrenzung geprallt war, war in Budapest sein Motor in Flammen aufgegangen; die Mechaniker mussten eine Nachtschicht einlegen, um das Auto rechtzeitig wieder startklar zu bekommen. Und dann touchierte der 29-Jährige, kurz nachdem er als Letzter losgerollt war, mit seinem Auto die Leitplanke. Fast wäre die Aufholjagd vorbei gewesen, bevor sie angefangen hatte. Sichtlich motiviert – in Hockenheim hatte er sagenhafte 17 Plätze gutgemacht – pflügte Hamilton anschließend durch das Feld, phasenweise wirkte er wie ein Moped inmitten von Fahrrädern. Nach gerade einmal 15 Runden hatte er zu seinem Team-Kollegen aufgeschlossen, nach der Hälfte des Rennens hatte er den ersehnten Podestplatz erobert. Als er aufgrund eines schnelleren Boxenstopps im letzten Renndrittel direkt vor Rosberg fuhr, ignorierte er die Aufforderung seines Rennstalls, den Garagennachbarn vorbeiziehen zu lassen. „Ich fahre doch nicht extra langsam, nur damit er mich überholen kann“, blaffte Hamilton in den Boxenfunk: „Erst, wenn Nico nah genug dran ist, mache ich Platz.“ In der letzten Runde war Rosberg dann so dicht am Heck des Weltmeisters von 2007, dass er ihn hätte überholen können. Doch mit einem leidenschaftlichen Manöver verteidigte der Brite seinen dritten Platz und machte im Titel-Zweikampf drei Punkte gut. „Das war ein verrücktes Wochenende“, sagte er später, „unter diesen Bedingungen ist Platz drei eine super Ausbeute“. Rosberg meinte weniger glücklich: „In den entscheidenden Momenten waren meine Reifen nicht gut genug.“

Wieder einmal Punkte verloren hat Vettel. Der Titelverteidiger war vom zweiten Platz ins Rennen gegangen, musste jedoch schon in Kurve eins den hinter ihm gestarteten Bottas passieren lassen. Nach 33 Runden hätte er um ein Haar das komplette Rennen verloren; seinen Dreher auf der Start-Ziel-Gerade konnte er erst in allerletzter Sekunde abfangen. Trotzdem verhagelte ihm der Fahrfehler eine bessere Platzierung als Rang sieben. „Ich bin sicher, dass er nach der Sommerpause wieder zu alter Stärke zurückfinden wird“, sagte sein Teamchef Christian Horner. Vier Wochen bleiben dem viermaligen Weltmeister, um den Rückschlag von Budapest zu verdauen und zu akzeptieren, dass er vorerst den Anschluss an seinen Stallgefährten Ricciardo verloren hat.