Der Ex-Weltmeister bestreitet in Brasilien seinen 308. und letzten Grand Prix. Die Formel 1 sucht einen Nachfolger für den Rekordchampion.

São Paulo. Michael Schumacher hat angeblich mehr als 600 Millionen Euro auf dem Konto. Solche Menschen sind traditionell schwer zu beschenken. Entweder sie haben schon alles, oder sie können sich das, was sie nicht haben, problemlos leisten. Trotzdem glauben sie bei Mercedes, für den Abschied ihres prominentesten Mitarbeiters das richtige Präsent gefunden zu haben. Nach dem Großen Preis von Brasilien (17 Uhr/RTL und Sky) werden Teamchef Ross Brawn und Motorsportvorstand Norbert Haug Schumacher am Sonntag feierlich seinen Dienstwagen vermachen. Der Wert des W03, der den äußeren Umständen Wochenende für Wochenende angepasst wird und somit als Unikat gilt, beträgt rund eine Million Euro. Der ideelle Wert, auch darum soll es ja manchmal in der Formel 1 gehen, ist noch viel höher. Fraglich ist allerdings, ob sie dem 43-Jährigen damit wirklich eine Freude machen.

Viel ist gespottet worden über Schumachers erfolglose Rückkehr vor drei Jahren. Zu mehr als einem dritten Platz und dem Sieg beim Qualifying in Monaco hat ihn der W03 nicht getragen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich das auch in São Paulo nicht ändern. Zu groß ist der Rückstand auf die Spitzenteams inzwischen. Und zu klar ist der Mercedes-Fokus schon auf die nächste Saison gerichtet, in der das Nachfolgemodell W04 Nico Rosberg und dessen neuem Teamkollegen Lewis Hamilton endlich Erfolge bringen soll. Diesem Ziel hat sich auch Schumacher unterzuordnen. "Ich habe traumhafte Jahre erlebt und viel Unterstützung von Fans weltweit erhalten", sagte er nach seiner Ankunft in Brasilien etwas steif: "Interlagos ist ein runder Abschluss für meine Karriere, denn dort wurzelt viel von der Faszination der Formel 1."

Die spannende Frage wird sein, wie viel Faszination die Rennserie noch verströmen kann, wenn ihr populärster Botschafter nicht mehr regelmäßig Dutzende Werbeaufkleber über die Pisten dieser Welt chauffiert. Zu großen Teilen, weiß Haug zu berichten, gehe die Entscheidung etwa der indischen Politiker, bei Delhi eine Rennstrecke zu bauen, auf das Comeback Michael Schumachers zurück: "Es gibt wenige Sportler, die weltweit so bekannt, geschätzt und beliebt sind wie er."

An anderen Orten ist das nicht anders: In Malaysia musste im März eine Autogrammstunde mit ihm fast abgebrochen werden, weil der riesige Saal im Petronas-Tower in Kuala Lumpur aus allen Nähten zu platzen drohte. Selbst am vergangenen Wochenende in Austin war Schumacher den Amerikanern, die sich sonst eher nicht für die Formel 1 interessieren, am ehesten ein Begriff. Daran ändern selbst Rang 15 in der Fahrerwertung und sechs punktlose Rennen hintereinander wenig.

Das müssen auch die Dominatoren Sebastian Vettel und Fernando Alonso zugeben, deren Zweikampf um die Weltmeisterschaft den Abgang des siebenmaligen Titelträgers begleitet. "Sein Rücktritt ist ein großer Verlust und schade. Er wird immer eine Inspiration für mich bleiben", sagt der Heppenheimer, und sein spanischer Rivale pflichtet bei: "Ich finde immer noch, dass sein Comeback richtig war, denn er hat sicher die Aufregung und das Adrenalin vermisst. Ich bin mir sicher, dass es für einen Champion wie ihn schwierig war, kein konkurrenzfähiges Auto zu haben. Für mich war es eine Freude, in diesen drei Jahren gegen ihn zu fahren."

Solch warme Worte sind schnell gesprochen, wenn sportlich nichts zu befürchten ist. 2006, als Alonso und Schumacher bis zum letzten Rennen um den WM-Titel rangelten, hatte der damalige Renault-Pilot noch gezischt: "Michael ist der unsportlichste und am meisten bestrafte Fahrer der Formel-1-Geschichte. Zinédine Zidane ist mit größerem Ruhm abgetreten als er." Gleichzeitig belegen Vettels und Alonsos Äußerungen die Abhängigkeit ihrer Sportart von dem Sohn eines Kaminmaurers. Wenn selbst diejenigen, die noch am nächsten dran sind an den Fußstapfen des Rekordmannes, große Abschiedstränen vergießen, lässt das aufhorchen.

Erst am Donnerstag verkündeten die Streckenbetreiber in Südkorea, mit ihrem Grand Prix in diesem Jahr 45 Millionen Euro Verlust gemacht zu haben. Der Nürburgring ist pleite, in Hockenheim wollen sie keine Risiken übernehmen, in New Jersey wurde das für Juni geplante Rennen abgesagt, weil Finanzprobleme den Streckenausbau verzögern. Angeblich arbeiten drei Viertel der Rennställe defizitär, die Sponsorenakquise wird immer schwieriger, die Fernsehquoten sinken. Analog zur Wirtschaft befindet sich auch die Formel 1 in der Krise - der Zeitpunkt, um seinen größten Aufmerksamkeitsmagneten zu verlieren, könnte ungünstiger kaum sein. Es ist ein bisschen wie bei einer Kutsche, der das Zugpferd abhanden kommt: Sie hat noch genug Schwung, nicht sofort stehen zu bleiben, aber allzu lange sollte es nicht dauern, bis ein neuer Antrieb gefunden ist.

Inwieweit Schumacher selbst bei der Suche nach Alternativen mithelfen kann, liegt allein in seiner Hand. "Es wird nach der Saison Gespräche geben", kündigte Haug an: "Ich glaube aber nicht, dass Michael eine Rolle in der Formel 1 möchte." Schumacher selbst hüllt sich zu diesem Thema in Schweigen. Vielmehr hofft er darauf, den Abschied anders als 2006 "bewusster wahrnehmen und hoffentlich auch genießen zu können". Seinerzeit gewann Alonso den Titel, weil Schumacher wegen technischer Probleme im Qualifying nur von Position zehn aus starten konnte und am Ende Vierter wurde.

Seinen Ferrari 248 bekam er damals übrigens trotz der defekten Benzinpumpe zum Abschied geschenkt. Ab Sonntag ist der rote Renner nicht mehr der einzige unvollkommene Bolide in seiner Sammlung.