Leverkusen. Bayer Leverkusen hat sich für eine überragende Saison belohnt: Dank des 5:0 gegen Bremen ist die Werkself schon am 29. Spieltag Meister.

Spätestens nach 83 Minuten war kein Halten mehr: Florian Wirtz war frei durchgebrochen, traf zum 4:0 für Bayer Leverkusen gegen Werder Bremen und die Fans, die sich schon hinter den Banden versammelt hatten, stürmten den Rasen, feierten mit ihren Helden die endgültige Entscheidung in diesem Spiel und im Kampf um die deutsche Meisterschaft. Vieles fiel von ihnen ab in diesen Momenten, vier schmerzhafte Vize-Meisterschaften, die dem Werksklub den wenig schmeichelhaften Titel „Vizekusen“ eingebracht hatte. Alles vergessen in diesem Moment.

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Doch die Partie musste ja noch beendet werden, nach einigen eindringlichen Appellen des Stadionsprechers räumten die Fans den Platz wieder – bis Florian Wirtz ein weiteres Mal traf, bis die Anhänger erneut den Rasen stürmten und bis Schiedsrichter Harm Osmers in jener 90. Minute ein Einsehen hatte und die Partie abpfiff.

Meister-Jubel: Die Leverkusener Spieler feiern das Tor zum 1:0 durch Victor Boniface – den ersten Schritt zur Meisterschaft.
Meister-Jubel: Die Leverkusener Spieler feiern das Tor zum 1:0 durch Victor Boniface – den ersten Schritt zur Meisterschaft. © Jürgen Fromme /firo Sportphoto | Jürgen Fromme

„Es ist unbeschreiblich, ich kann es noch gar nicht realisieren“, sagte Wirtz nach dem Spiel. Sein Mitspieler Jonas Hofmann fand die Ereignisse „einfach nur geil. Es fließt alles durch meinen Körper.“

Dank des 5:0 (1:0)-Siegs nutzte die Werkself gleich den ersten Matchball auf die erste Deutsche Meisterschaft, belohnte sich schon am 29. Spieltag für eine außergewöhnliche Saison, in der ja auch noch die Europa League und der DFB-Pokal geholt werden können. „Aber heute wird gefeiert“, sagte Meistertrainer Xabi Alonso. „Wir verdienen es. Es ist besonders für alle in diesem Verein.“

Die Leverkusen-Fans feierten schon lange vor dem Spiel

Dass es ein besonderer Tag in der immerhin schon 120-jährigen Klubgeschichte sein sollte, zeigte sich schon viele Stunden vor Abpfiff in den Straßen der Stadt, wo Bundesligaspiele des eigenen Klubs in der Vergangenheit oft äußerst gleichgültig hingenommen wurden.

Die Straßen in der Stadt waren schwarz-rot dekoriert, mit Ballons und Girlanden, auf den Bürgersteigen drängten sich die Menschen in Leverkusen-Trikots. Die Zufahrt in Richtung Stadion, die Bismarckstraße, hatten die Fans umbenannt in Xabi-Alonso-Allee, als Verneigung für den Architekten des Erfolgs, den Trainer, der in der vergangenen Saison einen Abstiegskandidaten übernommen und in Rekordzeit zum Meister geformt hatte.

Euphorischer Empfang: Der Leverkusener Mannschaftsbus kommt vor dem Spiel am Stadion an.
Euphorischer Empfang: Der Leverkusener Mannschaftsbus kommt vor dem Spiel am Stadion an. © dpa | Federico Gambarini

An jeder Allee hatten schon lange vor Abpfiff die Menschen besonders dichtgedrängt gestanden, sodass die Polizei zwischenzeitlich die Absperrgitter weiter auseinanderdrücken musste – der Mannschaftsbus wäre sonst nicht durchgekommen. Und als er dann doch kam, im Schritttempo in Richtung Arena rollte, da leuchteten die roten Bengalos, da flogen Luftschlangen und Konfetti durch die Luft und da besangen begeisterte Fans ihren Klub und ein wenig schmähten sie natürlich auch den Lokalrivalen 1. FC Köln. Und auch die 30.210 mehrheitlich zur Werkself haltenden Fans im Stadion sangen laut und selig von der Meisterschaft.

Ausgelassene Stimmung in den Straßen: Die Fans feiern an der zur Xabi-Alonso-Allee umgetauften Straße in Richtung Stadion.
Ausgelassene Stimmung in den Straßen: Die Fans feiern an der zur Xabi-Alonso-Allee umgetauften Straße in Richtung Stadion. © AFP | Ina Fassbender

Nur Alonso, der Trainer, wollte sich wieder einmal nicht anstecken lassen von der Aufregung um sich herum, gab sich betont unaufgeregt, betont normal. Im unauffälligen schwarzen Pullover betrat er die Arena, die eine Hand lässig in der Tasche, die andere winkte zwei-, dreimal in Richtung Fans. Meisterschaftsspiel? Na und? Das signalisierte auch die Aufstellung: Florian Wirtz, sonst der Dirigent und wichtigster Ideengeber des funkelnden Leverkusener Offensivspiels, saß zunächst auf der Bank, ebenso Linksverteidiger Alejandro Grimaldo und Flügelspieler Jeremie Frimpong.

Die Bayer-Elf spielte beeindruckend abgeklärt

Schonen für das Europa-League-Viertelfinalrückspiel gegen West Ham United am Donnerstag (21 Uhr/RTL) – kann man so machen, wenn man sechs Spiele Zeit hat, die noch fehlenden drei Punkte zur Meisterschaft zusammenzukratzen. Und die Werkself trat ähnlich abgeklärt auf wie ihr Trainer, war jederzeit Herr der Lage gegen eine Bremer Mannschaft, die zwar aufopferungsvoll kämpfe, der fußballerischen Überlegenheit der Gastgeber aber nicht gewachsen war.

Es ist ja eine der großen Leistungen des Trainers Alonso, seiner Mannschaft und dem einst als Vizekusen verschrienen Klub diese Selbstgewissheit einzuimpfen, mit größter Selbstverständlichkeit das eigene Spiel durchzudrücken, egal wer aus dem bemerkenswert tiefen Kader auf dem Platz steht. Auch ohne Wirtz zog die Bayer-Elf schnell ihr Kurzpassspiel auf, ließ Ball und Gegner laufen.

In Leverkusen brechen alle Dämme. Nach dem ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte stürmen die Bayer-Fans den Rasen.
In Leverkusen brechen alle Dämme. Nach dem ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte stürmen die Bayer-Fans den Rasen. © AFP | Ina Fassbender

Leverkusen machte von Beginn an Druck

Meist aber ging es in die andere Richtung: Nahan Tella brach schon früh auf der rechten Seite durch, gab scharf nach innen, Piero Hincapie rauschte heran – doch Werder-Torhüter Michael Zetterer gab den Spielverderber und parierte den Schuss aus nächster Nähe (8.).

Durchbrüche dank der pfeilschnellen Flügelspieler und scharfe Pässe nach innen – das ist ein Leverkusener Erfolgsmodell unter Alonso, das auch die Führung brachte: Tella gab nach innen, Hofmann wurde beim Abschluss von Julian Malatini abgeräumt und auf Intervention von Video-Assistent Pascal Müller gab Schiedsrichter Harm Osmers Elfmeter. Und Victor Boniface schnappte sich den Ball, schoss ihn nicht besonders platziert, aber dafür umso wuchtiger ein zum 1:0 (25.).

Bayer Leverkusen lässt keine Zweifel aufkommen

Auch danach hatte die Werkself die deutlich besseren Chancen, etwa durch Amine Adli, der aus spitzem Winkel nur die Latte traf (38.). Und in der zweiten Halbzeit durfte es dann doch noch etwas Zauberfußball sein, zwei herrliche Fernschusstore beseitigten die letzten Zweifel am Titelgewinn: Erst traf Granit Xhaka, der im Sommer verpflichtete überragende Stratege dieser Meistermannschaft, mit einem Gewaltschuss aus 25 Metern, der unhaltbar für Zetterer gleich neben dem Pfosten einschlug (60.), dann der zur zweiten Halbzeit eingewechselte Wirtz mit einem ähnlich wuchtigen Abschluss aus 20 Metern (68.) und noch zweimal aus kurzer Distanz (83./90.). Und der Rest war schwarz-rote Glückseligkeit. „Es ist schön, dass wir zu Hause Geschichte schreiben konnten“, fasste Jonathan Tah den emotionalen Abend zusammen, der laut Robert Andrich „ziemlich lang“ werden sollte. „Jetzt ist Bayer-Leverkusen-Zeit“, sagte er.