Essen. Seit der Fußball-WM 1954 mischt Adidas bei Titelgewinnen mit. Die Ästhetik der Trikots wird beinahe so viel diskutiert wie die Kader.

Heute meist Kult, früher immer als Quatsch geschmäht. Die Trikots der deutschen Fußball-Nationalmannschaft waren eigentlich von Beginn an ein Thema, das die Nation bewegte – und oft spaltete. Eigentlich was es ja immer weiß, aber Bündchen, Streifen und – seit eigenen Jahren – Muster taugen auch als Spiegelbild einer Geschichte bundesrepublikanischer Ästhetik-Geschichte. Jedenfalls wird der Look der Nationalmannschaft seit Jahrzehnten beinahe genauso erregt diskutiert wie die jeweiligen Kader.

Die Nationalmannschaft 1954 vor dem Endspiel gegen Ungarn in Bern
Die Nationalmannschaft 1954 vor dem Endspiel gegen Ungarn in Bern © picture alliance / AP Photo | Anonymous

Die WM 1954, alles in Schwarz und weiß

Natürlich spielten die Helden des Wunders von Bern noch nicht in Adidas-Trikots, denn Firmengründer Adolf „Adi“ Dassler war Zeugwart, wusch Trikots, putzte Schuhe. Die Trikots, damals gerne noch Jerseys genannt, waren weiß (mit schwarzen Bündchen) und Schnürung im Brustbereich, die Hosen schwarz. Einzige Zier: Das Logo des Verbandes.

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Der Mythos allerdings sagt, dass der Franke den Fritz Walter und Co. erstmals Schraubstollen unter den Schuhen spendierte – und der Mannschaft dadurch einen Vorteil auf den seinerzeit nicht immer perfekten Rasenbedingungen verschaffte, präsentiert mit den drei Streifen. Den Ruf als heimlicher Weltmeistermacher nutzte Dassler, hauptberuflich Besitzer einer Schuhfabrik, jedenfalls gekonnt. Die Firma in Herzogenaurach, die schon Jesse Owens mit Schuhen versorgt hatte, wurde zur Keimzelle eines Weltkonzerns.

Gerd Müller und Franz Beckenbauer noch schlicht in Schwarz und weiß
Gerd Müller und Franz Beckenbauer noch schlicht in Schwarz und weiß © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Anonymous

Die WM 1974 – Drei Streifen machen suchen sich ihren Weg

Noch war die Fußball-Welt so halbwegs unschuldig, Trikotwerbung jedenfalls war in Deutschland so gerade erst zugelassen, aber längst noch nicht für die Nationalmannschaft. Markenzeichen, Logos? Fehlanzeige. Die Schuhe immerhin, die hatten natürlich die drei Streifen. Und selbstverständlich waren sie auch auf den Trainingsanzügen zu sehen. Das Design dieser frühen Präsentationsanzüge ist bis heut Kult. Genau wie die Adiletten, die einige Jahre später auf den Markt kamen und Fußballerfüßen kaum wegzudenken sind.

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Die Trikots? Beinahe wie in den 50ern: Weiß, schwarze Bündchen, mit Logo auf der Brust – und Franz Beckenbauer und seine Mannschaft spielten langärmelig. Diskussionen gab es natürlich auch, weniger ums Design, aber vor allem um den Geschwisterkrieg. Adi Dassler hatte sich schon mit seinem Bruder Rolf zerstritten. Parallel zu Adidas entwickelte sich Rolfs Marke Puma. Die Söhne setzten den Streit fort, hatten immerhin den Fußballmarkt aufgeteilt. Brasiliens Fußballgott Pele spielte mit Puma-Schuhen. Adidas strebte nach einer Monopolstellung. Am 1978 war Adidas Weltmarktführer.

Die WM 1990: Ein Weltmeistertrikot wird Blaupause

Das Einsetzen der Globalisierung hatte in den 1980er-Jahren Adidas zu schaffen gemacht, Weltmarktführer wurde 1989 Nike. Die Produktion in den Billiglohnländern setzte Adidas extrem unter Druck, das Unternehmen machte massive Verluste. Ausgerechnet am 7. Juli, dem Tag vor dem WM-Finale in Rom, verkauften die Dasslers 80 Prozent der Anteile an den Franzosen Bernard Tapie – der Aufschrei in Deutschland, das Unternehmen, das im Gleichschritt zur DFB-Elf den Status eines Nationalheiligtums genoss, ins Ausland zu verkaufen, war groß. Überlagert wurde er nur vom Design der Trikots. Erstmal fielen die Leibchen in die Hände der Mode-Designer, der breite Brustring in Schwarz-Rold-Gold, gebrochen durch Rautenmuster traf nicht auf ungeteilte Zustimmung. Es passte in den Zeitgeist, ästhetisch war das Trikot der Wiedervereinigung von der Ästhetik des Synthiepops dominiert. Seit 1990 jedenfalls wird jedes Trikot neben das Weltmeistertrikot jenen Jahres gelegt, um zu checken, ob es titeltauglich war.

Mario Götze bestaunt in Rio den Pokal
Mario Götze bestaunt in Rio den Pokal © picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON

Die WM 2014: Retro zieht, Die Rückkehr des Balkens

Natürlich hatte das Trikot einen Brustring, eine breiten, v-förmigen, in Rottönen abgestuften Balken. Die drei Streifen auf den Schultern verstärkten den Retro-Look. Eigentlich stand schon lange vor dem 7:1 gegen Gastgeber gegen Brasilien im Halbfiale und dem 1:0 nach Mario Götzes goldenem Treffer in der Verlängerung des Finales gegen Argentinien fest, dass Deutschland Weltmeister wird. Umstritten war es natürlich dennoch. Die Nation hatte sich 2010 gerade wieder an ein schlichtes Weiß über Schwarz gewöhnt.

Toni Kroos bei der WM 2018 in Schweden
Toni Kroos bei der WM 2018 in Schweden © dpa | PETTER ARVIDSON

Die WM 2018: Debakel mit Balken in Moskau

Dass diese ästhetische Form der titelbringenden Willensbildung nicht zwingend funktioniert, wurde vier Jahre später deutlich. Mit einem Trikot, das abgesehen von den Farben wie von 1990 durchgepaust wirkte, schied die Nationalmannschaft in der Vorrunde, wie man dann so sagt, sang- und klanglos aus.

WM 2026: Und jetzt?

Und jetzt? Noch einmal wird die Nationalmannschaft in Trikots von Adidas auflaufen. Man darf gespannt sein. Auf das Design –und auf die Debatten.