Hamburg. DFB-Sportdirektor spricht über EM-Auslosung am Sonnabend in der Elbphilharmonie und deutschen Pessimismus vor der EURO 2024.

Der Rudi hat es einfach drauf, für gute Laune zu sorgen und – was sonst nur Franz Beckenbauer vermochte – für schönstes Wetter. Mit einem „Moin“ betrat Rudi Völler den Konferenzraum in der Großen Elbstraße neben der Fischauktionshalle, den die Telekom als EM-Sponsor angemietet hatte, und fügte grinsend hinzu: „Man merkt an meiner Begrüßung, dass ich schon mal im Norden gespielt habe.“ Wenn auch aus Hamburger Sicht für den falschen Verein (Werder Bremen).

In Sichtweite zur von der Sonne angestrahlten Elbphilharmonie plauderte der DFB-Sportdirektor natürlich über die anstehende Auslosung der EM-Gruppen an diesem Sonnabend (18 Uhr, ZDF/RTL/Magenta/Sky) in dem Konzerthaus. „Ich war noch nie dort, finde es aber wunderbar, dass die Veranstaltung dort stattfinden wird“, sagte der 63-Jährige.

Völler wünscht sich EM-Revanche gegen die Türkei oder Österreich

Gefragt nach seinen Wunschgegnern in der Gruppe, nannte Völler „die Türkei oder Österreich, den Rest wird man sehen“. Klar, er würde zu gerne die jüngsten Testspielniederlagen gegen beide Länder vergessen machen.

Es ist gute Tradition, vor Ziehungen wie diesen das traditionelle Losglück der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu bemühen und zugleich von sogenannten „Todesgruppen“ zu schreiben. Tatsächlich droht der DFB-Auswahl eine herausfordernde Gruppe mit Dänemark, den Niederlanden und Titelverteidiger Italien. Umgekehrt könnte es auch zu einfacheren Duellen kommen gegen Rumänien, Schottland und einen Play-off-Teilnehmer.

Das Team von Julian Nagelsmann ist in Lostopf 1 gesetzt und entgeht immerhin den Top-Favoriten Frankreich, England und auch Spanien. Die deutschen Gruppenspiele finden in München (14. Juni), Stuttgart (19. Juni) und Frankfurt/Main (23. Juni) statt. Hamburg darf zwar ein Viertelfinale ausrichten. Dass die Nationalelf ein mögliches K.o.-Spiel im Volksparkstadion austrägt, ist ausgeschlossen.

EM-Auslosung: Jonas Kaufmann und David Garrett im Konzert

Immerhin aber schaut Europa am Sonnabendabend auf Hamburg und besonders die Elbphilharmonie, wo im Großen Saal auf einer 360-Grad-Bühne ab 18 Uhr ARD-Moderatorin Esther Sedlaczek und der portugiesische Uefa-Moderator Pedro Pinto durch die Veranstaltung führen werden. Elf ehemalige Fußballgrößen auf der Bühne hat die Uefa versprochen. Ab 17.35 Uhr treten der Münchner Tenor Jonas Kaufmann und Geiger David Garrett mit dem Bundesjugendorchester, dem Bundesjazzorchester und dem Bundesjugendchor auf. Für beide ist es nicht der erste gemeinsame Auftritt auf großer Fußballbühne. So stimmten sie 2012 die Fans auf dem Rasen der Münchner Allianz-Arena auf das Champions-League-Finale zwischen dem FC Bayern und dem FC Chelsea ein.

Völlers Gedanken gingen am Freitag aber schon Richtung Turnier. „Optimismus und Zuversicht gehören nicht zu den Topqualitäten der Deutschen“, sagte der frühere Nationalspieler, der die DFB-Elf als Teamchef 2002 bis ins WM-Finale führte. Einen Tag vor der Auslosung wusste Völler, welche Sätze von ihm erwartet wurden – und er lieferte sie auch in der ihm eigenen Art und Weise. Das Geschrei und die Hysterie sei hier groß, wenn der Trainer mal was ausprobiere oder es eine Niederlage setze. „Selbstverständlich bin ich davon überzeugt, dass wir ein gutes Turnier spielen können.“

Völler stützt Nagelsmann: Wird richtige Schlüsse ziehen

Auffällig, wie Völler Bundestrainer Julian Nagelsmann trotz des 2:3 gegen die Türkei und das ernüchternde 0:2 in Österreich lobte. „Julian wird seine Schlüsse ziehen, den Kader entsprechend nominieren und die Mannschaft so aufstellen, dass wir mit guten Auftritten für eine Euphorie in unserem Land sorgen können.“ Wie er das anstellen müsse, machte Völler auch deutlich, indem er eine italienische Weisheit übersetzte: „Man kann das heiße Wasser nicht neu erfinden.“ Bedeutet: Es war schon immer so und wird auch so bleiben, dass fußballerische Eleganz und Taktik gut mit dem nötigen Einsatzwillen und Kampfgeist harmonieren müssen.

Viele Gelegenheiten, die richtige Ba­lance zu finden, hat Nagelsmann allerdings nicht mehr. Im März stehen zwei Testpartien an, gegen die Niederlande (sofern nicht in der Gruppe zugelost) und in Frankreich. Nach dem Finale in der Bundesliga sind zwei weitere Partien im Mai geplant, die Gegner sind noch offen.

Die Stimmung in Deutschland zu drehen, wird nicht einfach. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Deutsche Presse-Agentur prophezeite ein Viertel der Befragten, dass die DFB-Auswahl bereits in der Gruppenphase rausfliegt – wie zuletzt bei den WM-Turnieren 2018 und 2022. Dabei werden neben den jeweils Zweitplatzierten der sechs Gruppen auch die besten Gruppendritten in die K.o.-Runde einziehen. 16 Prozent sehen die Nationalmannschaft wie 2021 im EM-Achtelfinale scheitern. Nur zwei Prozent rechnen mit einem EM-Triumph beim Heimturnier.

Bleibt das Prinzip Hoffnung. Der ebenfalls anwesende frühere Michael Ballack erlebte bei der WM 2006, wie der Sieg gegen Polen in Dortmund eine Euphoriewelle entfachte. „Ich hoffe auf eine Initialzündung“, sagte der DFB-Kapitän. „Wir haben die große Chance, etwas sehr Schönes in Deutschland zu veranstalten.“

Lostopf 1: Deutschland, Portugal, Frankreich, Spanien, Belgien, England.Lostopf 2: Ungarn, Türkei, Dänemark, Albanien, Rumänien, Österreich.Lostopf 3: Niederlande, Schottland, Kroatien, Slowenien, Slowakei, Tschechien.Lostopf 4: Italien, Serbien, Schweiz, Sieger Play-off A, Sieger Play-off B, Sieger Play-off C.
Play-off-Turnier A, Halbfinale:
Polen – Estland, Wales – Finnland. Play-off-Turnier B: Bosnien-Herzegowina – Ukraine, Israel – Island. Play-off-Turnier C: Georgien – Luxemburg, Griechenland – Kasachstan. (mit dpa)