Hamburg. Bei der Triathlon-WM in Hamburg triumphiert Deutschland im neuen Supersprint-Format. Es war der Abschluss erfolgreicher Tage.

Die Schmerzen kamen kurz nach der Siegerehrung, und sie hatten nichts mit dem vorangegangenen Wettkampf zu tun. Während Laura Lindemann den Reportern zu erklären versuchte, was ihr und der deutschen Triathlon-Mixedstaffel an diesem goldenen Sonntag in der Hamburger Innenstadt widerfahren war, stach eine Wespe die 27 Jahre alte Potsdamerin in die rechte Hand. Lindemann schüttelte sich kurz, dann war sie wieder mitten im Gespräch.

„Es war megaschön, so einen Erfolg nach Hause bringen zu dürfen“, sagte sie, während sie die Schwellung mit Wasser kühlte, „die Atmosphäre war unglaublich, die Fans haben mich über die Strecke getragen.“

Triathlon-WM in Hamburg: Gold für Deutschland

Das allerdings wäre gar nicht notwendig gewesen, denn der Abschluss der Weltmeisterschaften im neuen Supersprintformat geriet zu einem Triumphzug, den die Sportsoldatin in dieser Form auch noch nicht erlebt hatte. Nachdem Tim Hellwig (24/Saarbrücken), Annika Koch (24/Griesheim) und Simon Henseleit (23/Nürnberg) starke Vorarbeit geleistet und das deutsche Quartett permanent in den Medaillenrängen gehalten hatten, holte die beste deutsche Dreikämpferin auf den finalen 300 Metern Schwimmen, sieben Kilometern Rad und 1,6 km Laufen einen Vorsprung von 19 Sekunden auf Neuseeland und 27 auf die Schweiz heraus.

So konnte die Europameisterin von 2021, die im selben Jahr in Hamburg bereits das Weltserienrennen gewonnen hatte, die gesamte Zielgerade über mit einer Deutschland-Fahne über dem Kopf ihren herausragenden Lauf genießen.

250.000 Menschen an vier WM-Tagen

Insgesamt feierten rund 250.000 Menschen an den vier WM-Tagen die Aktiven. „Das war wirklich ein cooles Erlebnis. Hamburg ist einfach ein gutes Pflaster für mich“, sagte Lindemann. Die lange Solofahrt auf dem Rad stellte sie allerdings vor ein ungewohntes Problem: Wie geht man im Sprint damit um, keine Konkurrentinnen um sich zu haben?

„Wir brauchten eine halbe Radrunde, um zu entscheiden, ob sie es allein durchzieht oder auf die Konkurrenz wartet. Aber es war die richtige Entscheidung“, sagte Bundestrainer Thomas Moeller. Fand Lindemann auch. „Solche Erfahrungen sind wichtig. Ich habe gedacht: Fahr so hart, wie es sich gut anfühlt, und mache es den anderen so schwer wie möglich.“

Lindemann hatte bereits Bronze im Einzel gewonnen

Die schwierigen Dinge einfach aussehen zu lassen, das ist es, was im Sport die Exzellenten von den Guten trennt. Das hatte Lindemann bereits am Sonnabend im Einzel unter Beweis gestellt. Auch wenn die Tortur, die sie hinter sich hatte, extrem war, hinterließ sie beim letzten Zieleinlauf auf dem Rathausmarkt den Eindruck, dass sie auch noch eine vierte oder fünfte Runde hätte drehen können.

An die Exzellenz der Französin Cassandre Beaugrand (26), die sich nach 21:35 Minuten mit elf Sekunden Vorsprung auf die Britin Beth Potter (31) zur Titelträgerin im Supersprintformat krönte, reichte Lindemann nicht ganz heran. Aber Bronze mit zwei Sekunden hinter Potter, das konnte sich durchaus sehen lassen.

Annika Koch und Marlene Gomez-Göggel (30/Ulm) sorgten mit den Plätzen vier und fünf für ein nicht erwartetes Abschneiden. Anabel Knoll (27/Ingolstadt) auf Rang 15 und Lena Meißner (24/Neubrandenburg) als 17. schafften es zudem in die Top 20. Die deutsche Meisterin Lisa Tertsch (24/Darmstadt) schied nach einer Zehnsekundenstrafe wegen nicht ordnungsgemäß geschlossenen Helms als 23. im ersten Finaldurchgang aus, Selina Klamt (22/Potsdam) belegte bei ihrer Weltserien-Premiere immerhin Platz 29.

Männer hingen hinter Frauenteam zurück

Ein wenig hinter dem geschlossen starken Frauenteam hängen die Männer zurück. Hellwig hatte es als einziger Deutscher in die Medaillenrunde geschafft, musste aber nach einem guten achten Rang und 19 Sekunden Rückstand auf Sieger Hayden Wilde (25/Neuseeland) eingestehen, „dass es bis zur Weltspitze noch ein Stück ist. Aber ich wollte in die Top Ten und habe mein Ziel erreicht.“ Silber gewann im Schlusssprint der Portugiese Vasco Vilaça (23) vor dem zeitgleichen Briten Alex Yee (25).

Lokalmatador Lasse Nygaard Priester verpasste als 24. das Weiterkommen, auch weil er beim Schwimmen seine Brille verlor und deswegen der Durchblick fehlte. „Das ist schon sehr enttäuschend, es fehlte nicht viel. Aber so sind diese Rennen, man darf sich keine Fehler erlauben, und ich war heute nicht mehr frisch genug“, resümierte der Quickborner. In der zweiten Finalrunde ereilte Simon Henseleit und den aus Cuxhaven stammenden Lasse Lührs (27/Bonn) auf Rang 14 und 15 ebenso das Aus wie Valentin Wernz (28/Tuttlingen), der auf Platz 18 abschloss.

Annika Koch glücklich über Ergebnis

„Es ist großartig, wie wir uns hier präsentiert haben. Platz vier ist der größte Erfolg meiner Karriere im Einzel, und dann noch der WM-Titel mit der Staffel bei der Heim-WM – ich könnte kaum glücklicher sein“, sagte Annika Koch. Bundestrainer Moeller sagte: „Mit Blick auf Olympia 2024 in Paris zählen wir in der Staffel sicherlich zu den Medaillenkandidaten. Sportlich war das Abschneiden bei dieser WM besser, als wir erwartet hatten.“

Das galt auch für das neue Format, das in dieser Form im vergangenen Jahr in Montreal (Kanada) erstmals auf WM-Niveau ausgetragen wurde. Die Einzeldistanz von 300 Meter Schwimmen, 7,5 km Radfahren und 1,6 km Laufen musste am Freitagmorgen erstmals absolviert werden. Wer es in den beiden Vorläufen mit je 30 Aktiven nicht unter die besten zehn schaffte, musste in die Hoffnungsrunde am Freitagabend, aus der sich nur die jeweils besten fünf der beiden 20er-Gruppen für die Finalläufe qualifizierten.

Drei davon standen am Sonnabendnachmittag an. Das anfängliche 30er-Feld wurde zunächst auf 20 reduziert, ehe die besten zehn schließlich um die Medaillen kämpfen durften - mit jeweils nur 50 Minuten Pause zwischen den Läufen. Die Hoffnung des Weltverbands World Triathlon ist, 2032 in Brisbane (Australien) den Supersprint als zusätzliche olympische Disziplin ins Programm zu bringen. Den Anspruch, das junge Publikum abzuholen, das bei kürzerer Aufmerksamkeitsspanne mehr Action wünscht, erfüllt das Format ohne Frage.

Kein Wunder, dass die Verantwortlichen vor Begeisterung bebten. „Es war eine perfekte Woche für Hamburg und den gesamten Triathlonsport“, sagte Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon Union. Und die spanische Weltverbandspräsidentin Marisol Casado sagte: „Diese Rennen sind ein neues Level an Unterhaltung. Hamburg war einmal mehr Schaufenster des besten Triathlonsports.“ Wer 2024 das nächste Schaufenster für die Supersprint-WM öffnet, ist noch nicht entschieden.