Hamburg´. Radsportstar Wout van Aert gilt beim Jedermann-Rennen als Topfavorit. Amateure müssen sich auf zwei Strecken beschränken. Alle Infos.

Bei Oliver Schiek klingelt der Wecker an diesem Sonntag besonders früh. Wenn um 7 Uhr morgens die ersten Amateurradfahrer auf die 60-Kilometer-Schleife der Cyclassics gehen, fährt der Geschäftsführer der veranstaltenden Ironman Germany GmbH im Auto vorneweg. „Das lasse ich mir nicht nehmen, diese ganz besondere Morgenstimmung in Schleswig-Holstein“, sagt Schiek, der bei der 25. Ausgabe des Hamburger Radsportklassikers bereits zum 23. Mal dabei sein wird.

Nachdem das größte Jedermann-Rennen Europas in den vergangenen beiden Jahren der Corona-Pandemie zum Opfer fiel, rechnet der Veranstalter in diesem Jahr mit rund 14.000 Amateuren. Hinzu kommen 126 Profis aus 18 Teams. Das Abendblatt beantwortet alle Fragen rund um das große Radsportevent.

Radrennen Hamburg: Welche verschiedenen Strecken gibt es?

Anders als bei vergangenen Veranstaltungen konnten die Amateure in diesem Jahr nur zwischen 60 und 100 Kilometern wählen. Mit den Youngclassics gibt es zudem ein Nachwuchsrennen für die U-17-Altersklasse. Eine große Amateur-Schleife über 160 Kilometer konnte Schieks Ironman Group aufgrund von Uneinigkeiten mit Gemeinden und Landkreisen in Schleswig-Holstein nicht anbieten. Für das Radrennen sind umfangreiche Straßensperrungen notwendig.

„Es gibt den einen oder anderen, den das ärgert. Viele feiern das aber und tragen es mit einer unglaublichen Begeisterung mit“, sagte Hamburgs Sportsenator Andy Grote (SPD). „Es ist nichts Neues, dass wir ein bisschen um die Streckenführung kämpfen müssen, dass man noch mal hinfährt und Überzeugungsarbeit leistet.“ Dass in diesem Jahr keine 160-Kilometer-Option angeboten wurde, kostete dem Veranstalter 200 bis 300 Starter. Die meisten Amateure hätten sich jedoch für die 100-Kilometer-Strecke entschieden, so Schiek.

Wie sehen der Zeitplan und das Programm auf der Mönckebergstraße aus?

Nach dem Start der 60-Kilometer-Runde ab 7 Uhr gibt es nur eine kurze Pause, ehe ab 8.15 Uhr die Amateure über 100 Kilometer starten. Ab 8.20 Uhr werden dann bereits die ersten Fahrer nach 60 Kilometern im Ziel auf der Mönckebergstraße erwartet. Bis 10 Uhr sollte alle Fahrer der kurzen Distanz im Ziel sein, ab 10.20 Uhr beginnt der Zieleinlauf der 100-Kilometer-Starter. Während die Amateure nach und nach eintrudeln, starten um 11.20 Uhr am Jungfernstieg die Profis auf ihre 204 Kilometer lange Strecke.

Um 12.30 Uhr beginnen die U-17-Talente auf der Alsterglacis, um 13.45 Uhr werden sie im Ziel auf der Mönckebergstraße erwartet. Danach gehört die Aufmerksamkeit fast nur noch den Profis. Gegen 15 Uhr werden sie eine erste Zieldurchfahrt haben, gegen 16 Uhr dürfte der Sieger feststehen. Rund um die Rennen gibt es eine Messe auf dem Rathausmarkt und dem Jungfernstieg mit Ausstellern aus der Lifestyle- und Outdoorbranche sowie Musik, Informationen und verschiedene Mitmachaktionen.

Welche Profiteams sind am Start?

Alle. Anders als bei anderen deutschen Rennen der UCI WorldTour müssen alle 18 Teams bei den Cyclassics starten. Das gilt noch bis mindestens 2025, der Vertrag zwischen UCI und Cyclassics wurde erst vor Kurzem verlängert. Mit Bora-hansgrohe ist somit auch das einzige deutsche Team aus der WorldTour am Start.

Wer sind die Favoriten bei den Profis?

Obwohl seit Freitag auch die dreiwöchige Spanien-Rundfahrt viele große Namen wie den Slowenen Primoz Roglic (32/Jumbo-Visma) oder den Australier Ben O’Connor (26/AG2R Citroën) für sich beansprucht, finden sich in der Startliste einige Topstars wieder. Der Belgier Wout van Aert (27/Jumbo-Visma) etwa, eine der größten Attraktionen im Radsportzirkus. Während viele Profis vor allem in einem Bereich stark sind, kann der Olympia-Zweite und Gewinner des Grünen Trikots bei der diesjährigen Tour de France fast alles. Zeitfahren, Anstiege, Sprinten, Tempo machen – für den Topfavorit der Cyclassics kein Problem.

„Ich freue mich riesig, dass er da ist“, sagt Cheforganisator Schiek. Bei der Tour de France hatte Wout van Aert erheblichen Anteil am Gesamtsieg seines dänischen Teamkollegen Jonas Vingegaard (25). „Er war der Edel-Edel-Edelhelfer für den Sieger, ein großartiger Fahrer“, schwärmt Schiek. Ebenfalls angekündigt hat sich der dreimalige Weltmeister Peter Sagan (32) aus der Slowakei. „Er hat hier noch nicht gewonnen, als mehrfacher Weltmeister aber eine Rechnung offen“, sagt Schiek über den Sprintstar, der für viel Unterhaltung sorgen kann. Van Aert und Sagan sollten allerdings auch Elia Viviani (33/Ineos Grenadiers) nicht vergessen.

Der Italiener ist, nachdem er 2017, 2018 und 2019 in Hamburg triumphierte, amtierender Titelverteidiger. Eine Woche nach dem Gewinn des EM-Titels bei den European Championships in München zählt zudem der Niederländer Fabio Jakobsen (25/Quick-Step Alpha Vinyl), wie auch das italienische Zeitfahr-Ass Filippo Ganna (26/Ineos Grenadiers) zum Favoritenkreis.

Haben deutsche Fahrer keine Chance?

Doch. Der amtierende deutsche Meister Nils Politt (28/Bora-hansgrohe) zählt zum erweiterten Favoritenkreis. Der Augsburger Georg Zimmermann (24/Intermarche-Wanty-Gobert Materiaux) sowie Rick Zabel (28/Israel-Premier Tech) dürften hingegen nur Außenseiterchancen haben. Die weiteren acht deutschen Fahrer werden wie der Erbacher Jonas Rutsch (24/EF Education-EasyPost) voraussichtlich ebenfalls nicht um den Sieg mitfahren. Der Buchholzer Nikias Arndt (30/DSM) fehlt bei seinem Heimrennen, er fährt zurzeit bei der Spanien-Rundfahrt.

Wird es einen Zielsprint geben?

Das hängt vermutlich von Filippo Ganna ab. „Er hat eine echte Chance, als Ausreißer das Ziel zu erreichen“, sagt Schiek. Ob es der Italiener aber überhaupt als Ausreißer versucht, bleibt abzuwarten. Entgegen käme ihm die Sperrung der Elbchaussee. Da die Strecke, nachdem der Blankeneser Waseberg zum dritten Mal überquert wurde, in diesem Jahr mit mehr Kurven durch die Elbvororte in Richtung Ziel führt, dürften es das Hauptfeld und mögliche Verfolgergruppen etwas schwerer haben, das Tempo am Anschlag zu halten.

„Der letzte Teil des Rennens hat einen leicht veränderten Charakter. Es wird ein bisschen verwinkelter, aber in keiner Weise gefährlich“, sagt Schiek und verspricht: „Nächstes Jahr fahren wir wieder über die Elbchaussee.“ Obwohl man den Waseberg selbstverständlich nicht mit dem Tour-de-France-Klassiker Alpe d’Huez vergleichen könne, sei die Steigung von bis zu 16 Prozent schon „anständig“, sagt Schiek.

Die Bergwertung spiele eine entscheidende Rolle, manche Fahrer dürften sich hier mit einem Antritt abhängen lassen. „Der Waseberg war in den vergangenen Jahren immer ein Knackpunkt. Wer beim Runterfahren ins Treppenviertel nicht vorne war, hatte keine Chance mehr, das Rennen noch zu gewinnen“, weiß Schiek.

Wo kann man das Rennen verfolgen?

Zwei Fernsehsender übertragen das Rennen der Profis am Sonntag live im Free-TV. Sowohl der NDR als auch Eurosport beginnen ihre Übertragung um 14.30 Uhr, kurz vor der ersten Zieldurchfahrt.