Kiel. Das Bat Sailing Team ist erfolgreich in die Kieler Woche gestartet – obwohl zwei der fünf Crewmitglieder blind oder sehbehindert sind.

„Ich spüre gerade so viel Adrenalin. Ich bin richtig geflasht“, sagt Mieke Klein und klatscht die ausgestreckten Hände ihrer Crewmitglieder ab. Wenige Sekunden zuvor ist die 35-Jährige mit dem Bat Sailing Team (FC St. Pauli/Norddeutscher Regatta Verein) auf der J70 über die Ziellinie bei der Kieler Woche gefahren.

Drei Wettfahrten und knappe sechs Stunden „Champagner-Segeln“ bei blauem Himmel, Sonne und Wind liegen hinter der Crew. Für sie ist es die erste große Regatta – und das erste Mal, dass inklusive Boote an der Kieler Woche mitsegeln. Zwei der fünf Crewmitglieder, David Koch (32/Vorschiff) und Johannes Löschke (34/Trimm), sind blind beziehungsweise sehbehindert.

Bat Sailing Team will Stress und Streit an Bord vermeiden

Für Koch und Löschke, die ihr Umfeld vor allem über ihren Tastsinn und ihr Gehör wahrnehmen, sei schon das Präparieren am Steg bei den 39 Booten und Teams um sie herum ein kleines „Wow-Erlebnis“ gewesen. Beim Anschuss auf der Regattabahn und auch an Bord habe aber alles so funktioniert, wie sie es sich vorgenommen hatten, berichten die Segler.

„Am Ende hatten wir Sehenden ein paar Kommunikationspro­bleme, da hätte ich einmal deutlicher sagen müssen, welche Tonne ich meine“, sagt Mieke Klein zu ihrem Steuermann Marvin Hamm (29). „Aber wir hatten heute eine krasse Lernkurve.“ Nach jeder Wettfahrt hätten sie besprochen, was sie besser machen können, an welchen Kommandos und Schritten sie feilen müssten.

Das erste Rennen seien sie bewusst defensiv angegangen, sagt David Koch. „Danach haben wir gemerkt, dass wir noch mehr können.“ Um die erste gelbe Luvtonne drängten sich die Boote, teilweise trennten sie nur wenige Zentimeter. Die Crewmitglieder der anderen Teams brüllten sich bei den Manövern ihre Ansagen zu. Die Kommandos des Bat Sailing Teams, das in der zweiten und dritten Wettfahrt drei beziehungsweise vier Boote abhängte, konnte man auf dem Beiboot, nur wenige Meter entfernt, derweil kaum verstehen.

Hamburgs inklusives Segelteam verschafft sich bei Kieler Woche Respekt

„Das ist uns allen aber auch enorm wichtig. Daran arbeiten wir, immer wieder die Ruhe in das Schiff zu bekommen und die Manöver ruhig anzugehen“, sagt Mieke Klein. „Stress und Streit ist übel auf dem Boot, dann geht’s den Bach runter“, sagt Marvin Hamm.

Der Steuermann hatte vor dem Rennen Bedenken, dass sie dem starken Feld mit Teilnehmern wie Paul Kohlhoff (26) und Alica Stuhlemmer (22, beide Kieler Yacht-Club), die in Tokio Bronze gewonnen haben, hinterhersegeln würden. Doch ihr pinkfarbener Gennaker, den durch den starken Kontrast selbst Löschke und Koch erahnen können, mischte sich stets unter die vielen großen, bunten Vorsegel.

„Wir haben uns auf jeden Fall auch den Respekt der Konkurrenz ersegelt“, sagt Jessika Stiefken (27), die erst am Vortag erfahren hatte, dass sie mitsegeln darf. Nach dem ersten Renntag liegt das Team um Koch und Löschke auf dem 37. Platz. Noch bis Sonntag möchte die Crew wie eine Fledermaus (auf Englisch: bat) die Konkurrenz jagen.