Hannover 96 ist zuversichtlich, das 1:2 aus dem Hinspiel umzubiegen. Schalke indes braucht ein Fußball-Wunder, um das Halbfinale zu erreichen.

Hannover/Bilbao. Die Euphorie ist riesengroß und die Zuversicht kennt keine Grenzen. Hannover 96 glaubt fest an den erstmaligen Einzug in das Europa-League-Halbfinale. Der Viertelfinal-Einzug war bereits der größte Erfolg der Vereinsgeschichte, doch dieser soll nun getoppt werden. Trotz des 1:2 im Hinspiel bei Atlético Madrid soll die wundersame Europa-Tour von Mirko Slomkas Power-Fußballern am Donnerstag noch lange nicht beendet sein. „Atlético sollte Respekt haben, weil wir es geschafft haben, die AWD-Arena zu einer Festung zu machen“, verkündete Defensivspieler Christian Schulz vor dem Rückspiel am Donnerstag (21.05 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de) selbstbewusst. „Wenn wir defensiv gut stehen, ist alles möglich“, fügte Jan Schlaudraff hinzu.

Hannover plant die nächste Fußball-Fiesta. Bereits der Grundstein zur bislang begeisternden Triumph-Tour durch Europa wurde im vergangenen Spätsommer mit einem 2:1 daheim gegen den FC Sevilla gelegt. Damals entlud sich die 18 Jahre währende Sehnsucht nach europäischem Fußball in einer gigantischen Stimmung im Stadion. Die damals bei 96 entfachte Euphorie trug den Club über das 1:1 im Rückspiel in Andalusien bis jetzt zum Viertelfinal-Rückspiel gegen Atlético. „Madrid ist Favorit, aber mit den Fans im Rücken ist alles möglich“, sagte Innenverteidiger Emanuel Pogatetz.

Die erneut zu erwartende Begeisterung in der mit rund 44 000 Zuschauern längst ausverkauften AWD-Arena birgt indes auch Tücken. „Wir können nicht auf Teufel-komm-raus nach vorne spielen“, warnte Ex-Nationalspieler Christian Pander. Ein Gegentor wäre Gift. „Wichtig ist, dass wir gegen Atlético das Spiel nicht noch so verschlafen wie im Hinspiel. Wir dürfen kein frühes Gegentor bekommen“, sagte Pander.

+++ Last-Minute-Gegentor dämpft Hannovers Hoffnungen +++

Vor einer Woche im Estadio Vicente Calderón schien Hannover etwas eingeschüchtert ob der gewaltigen Spielstärke Atléticos. „Es ist eine wirklich gute Mannschaft. Für uns heißt es, egal wie, einfach eine Runde weiterkommen“, sagte Schulz. Vor allem Top-Torjäger Falcao sorgt für Kopfschmerzen bei Trainer Slomka und Hannovers Abwehrspielern. „Ich glaube, dass er der überragende Mann ist“, sagte Schlaudraff. Der Kolumbianer war es auch, der im Hinspiel einen bösen Patzer von Torhüter Ron-Robert Zieler zur Führung nutzte.

Auch die Rückkehr eines alten Bekannten sorgt für Respekt. Ex-Bundesligastar Diego, eigentlich in Wolfsburger Diensten, derzeit aber an Atlético ausgeliehen, kehrt nach einem Muskelfaserriss in die Startelf zurück. Schon beim 3:0 am Sonntag gegen Getafe schoss der frühere Bremer ein Tor. „Er ist der, den man ausschalten sollte“, bekräftigte Diegos früherer Bremer Teamkamerad Schulz.

Falcao und Diego zum Trotz – drei Atlético-Personalien erhöhen die Zuversicht bei 96. In Juanfran, Arda Turan und dem im Hinspiel überragenden Gabi fehlen Madrid gleich drei Schlüsselspieler gelbgesperrt. Vielleicht war es das, was 96-Clubchef Martin Kind unmittelbar nach dem Hinspiel zur forschen Prognose „Ich denke, wir werden weiterkommen“ verleitete. Die Spieler sehen das inzwischen genauso.

Schalke-Manager Heldt: „Wunder gibt es immer wieder“

Nach dem 2:4 im Hinspiel sind die Schalker Aussichten auf das Halbfinale der Europa League minimal. Horst Heldt will sich dennoch nicht schon vor dem Spiel geschlagen geben und hält es derzeit heftig mit Schlagerstar Katja Ebstein: „Gibt es da nicht ein schönes Lied? Wunder gibt es immer wieder.“ Seine Skepsis kann der Schalker Manager vor dem Viertelfinal-Rückspiel der Europa League bei Manchester-United-Bezwinger Athletic Bilbao trotzdem nicht verhehlen: „Die Ausgangslage ist sicherlich nicht einfach, eigentlich sogar schlecht.“

Das 2:4 von Gelsenkirchen war eine immens belastende Hypothek auf dem Flug DE 9206 von Düsseldorf in die zehntgrößte Stadt Spaniens, dessen war sich auch Trainer Huub Stevens bewusst: „Ich bin realistisch und denke, dass für uns das Weiterkommen sehr, sehr schwer wird. Aber es hat schon mehr Sachen im Fußball gegeben, die unglaublich waren.“

Die Rechenbeispiele sind simpel: 3:0, 4:1, 5:2 – dann wäre der Bundesliga-Tabellendritte weiter. Torjäger Klaas-Jan Huntelaar glaubt daran, dass immer noch alles passieren kann: „Ein schnelles Tor für uns, vielleicht ein Elfmeter oder ein Platzverweis gegen Bilbao.“ Aufgabe: niemals! Huntelaar: „Die Chance ist nicht groß, aber sie ist bis zum Ende immer da.“

+++ Trotz zweier Raúl-Tore steht Schalke vor dem Aus +++

Schalke ist zu erstaunlichen Taten auf Europas Fußball-Bühne durchaus in der Lage. Exakt ein Jahr vor dem Auftritt an diesem Donnerstag (21.05 Uhr/Sky/Liveticker auf abendblatt.de) im Baskenland erstürmten die Königsblauen das Giuseppe-Meazza-Stadion mit 5:2, triumphierten bei Inter Mailand und erreichten später das Halbfinale der Champions League.

Allerdings ist Athletic seit sieben Europacup-Heimspielen unbesiegt: Die bislang letzte Niederlage gab es 2009/2010 in der Europa-League-Gruppenphase beim 0:3 gegen Werder Bremen. Bilbao-Chefcoach Marcelo Bielsa warnte sein Team davor, die Gelsenkirchener zu unterschätzen: „Wir dürfen nicht glauben, dass wir schon durch sind. Dafür ist Schalke in der Offensive viel zu gefährlich. Raúl hat im Hinspiel gezeigt, wozu er fähig ist.“

Allein: Der Schalker Publikumsliebling, der sich in Sachen Vertragsverlängerung eine weitere Bedenkzeit erbat, konnte mit seinen beiden Treffern die Pleite nicht verhindern. So versuchen andere Schalker, das fußballerische Mirakel herbeizureden. „Wir werden alles geben, um das Wunder zu schaffen“, ließ Jermaine Jones vernehmen.

Nicht mit an Bord waren am Mittwoch Linksverteidger Christian Fuchs und Junioren-Nationalspieler Julian Draxler. Fuchs, der schon am Dienstag im Training fehlte, fällt wegen eines grippalen Infekts aus, Draxler soll eine schöpferische Pause erhalten. Dafür rückten Tim Hoogland und Christoph Metzelder in den Kader. Für den verletzten Keeper Timo Hildebrand steht erneut Lars Unnerstall im Tor.

Die Basken, die nach dem 0:2 beim FC Barcelona lediglich Tabellenelfte sind, sehen sich noch nicht in der Vorschlussrunde, Bielsa wird ergo, anders als bei Messi und Co. am Samstag, seine Top-Elf aufbieten. „Athletic und die Fans trauen dem FC Schalke mit einem Raúl alles zu“, schrieb das Sportblatt „As“. Das Stadion San Mamés, im Volksmund „La Catedral del fútbol“ (die Fußball-Kathedrale) genannt, wird mit rund 40 000 Fans ausverkauft sein. (dpa/abendblatt.de)

Voraussichtliche Mannschaftsaufstellungen

Bilbao: Iraizoz - Iraola, Ekiza, Amorebieta, Aurtenetxe - Martinez, de Marcos, Herrera - Susaeta, Muniain - Llorente. - Trainer: Bielsa

Schalke: Unnerstall - Uchida, Papadopoulos, Matip, Escudero - Jones (Moritz) - Farfan, Raul, Jurado, Obasi - Huntelaar. - Trainer: Stevens

Schiedsrichter: Nicola Rizzoli (Italien)

Hannover: Zieler - Cherundolo, Eggimann, Pogatetz, Pander - Pinto, Schmiedebach (Schulz) - Stindl (Schlaudraff), Rausch - Schlaudraff (Ya Konan), Diouf. - Trainer: Slomka

Atlético Madrid: Courtois - Perea, Miranda, Godin (Dominguez), Filipe - Tiago, Suarez - Adrian, Diego, Salvio (Koke) - Falcao. - Trainer: Simeone

Schiedsrichter: Clattenburg (Großbritannien)