Hamburg. Nach seinem Sieg steht Sebastian Formella eine interessante Karrierephase offen. Ein WM-Kampf bleibt das Ziel.

Um Mitleid zu empfinden mit seinem nächsten Opfer, musste Sebastian Formella nur in dessen Ringecke schauen. Dort stand Louis, der sechs Jahre alte Sohn von Angelo Frank, und weinte hemmungslos über die schwere Niederlage, die sein Vater wenige Minuten zuvor erlitten hatte. Mit einer punktgenauen Gerade auf den Solarplexus, die im Training einstudiert worden war, hatte Formella im Boxduell der Hamburger Kumpels in Runde sieben die Entscheidung eingeleitet. Nachdem der von Ringrichter Uwe Lorch bis neun angezählte Frank noch einmal aufgestanden war, deckte Formella seinen Kontrahenten mit einem Schlaghagel ein, der dessen Trainer Hartmut Schröder veranlasste, zum Zeichen der Aufgabe das Handtuch zu werfen.

Auch wenn später Frank und dessen Promoter Winfried Spiering den Abbruch als zu früh beurteilten, gab es an der Rechtmäßigkeit des Sieges keine Zweifel. Zu deutlich hatte der 30 Jahre alte Formella, der hauptberuflich als Containerfahrer im Hamburger Hafen arbeitet, seinen neben dem Sport als Voltigierkünstler im familieneigenen Zirkus Europa engagierten Freund dominiert. Über weite Strecken war das von den 3500 Fans in der ausverkauften edel-optics.de-Arena im Wilhelmsburger Inselpark frenetisch gefeierte Duell eine Vorführung, die in dieser Deutlichkeit niemand erwartet hatte. Formella war nicht nur technisch klar überlegen, sondern bestach als ehemaliger Kunstturner mit hervorragender Beinarbeit, die es Frank unmöglich machte, seinen Kampfplan umzusetzen. Dieser hatte vorgesehen, möglichst oft in die Nahdistanz zu kommen und dort entscheidende Treffer anzubringen, was Formella dank seiner Beweglichkeit aus der Distanz zu verhindern wusste.

Freundschaft im Ring ausblenden

Der zweifache Vater gestand seine Niederlage deshalb auch unumwunden ein. „Basti hat einen Superkampf gemacht. Ich hatte mir das ganz anders vorgenommen, aber ich war zu verkrampft und wollte es besonders gut machen. Das war wirklich nicht mein Abend“, sagte Frank (29). Formella bekannte, dass er schon kurz nach seinem Sieg mit dem Unterlegen habe mitfühlen müssen. „Jeder hat gesehen, dass wir unsere Freundschaft im Ring ausblenden konnten“, sagte er, „aber mir tat Angelo gleich nach dem Ende des Kampfes leid, weil ich weiß, was für ein Sportsmann er ist und wie sehr ihn Niederlagen schmerzen.“ Vor der Dopingkontrolle im Anschluss an den Kampf habe man zwar Gelegenheit gehabt, ein paar Worte zu wechseln. „Aber so eine Niederlage muss man erst einmal verdauen, deshalb habe ich ihn in Ruhe gelassen. Wir werden mit etwas Abstand alles besprechen“, sagte der in nun 18 Profikämpfen unbesiegte Triumphator.

WM-Kampf soll folgen

Während Frank, der schon in dieser Woche wieder im aktuell auf dem Marktplatz in Pinneberg stationierten Zirkus auftreten wird, einen schweren Dämpfer für seine WM-Ambitionen erlitt, steht Formella eine interessante Karrierephase offen. „Die Vertreter der WBA, die heute hier waren, haben versprochen, ihn in der nächsten Weltrangliste in den Top Ten zu führen“, sagte Promoter Erol Ceylan, „unser Ziel ist ganz klar ein WM-Kampf!“ Dieser soll im Weltergewicht (bis 66,678 kg) stattfinden, da Formella von seiner angestammten Gewichtsklasse, dem Superwelter (bis 69,853 kg), absteigen möchte. Das Duell mit Weltergewichtler Frank fand als Kompromiss in einem Zwischenlimit von 68 Kilo statt, „und ich habe gemerkt, dass mir das Abnehmen überhaupt nicht geschadet hat. Im Gegenteil, eine Klasse tiefer bin ich physisch stärker“, sagte Formella.

Zunächst jedoch wolle er an Abnehmen und Trainieren in den kommenden Wochen nicht denken. Am Dienstag fliegt er für 17 Tage in den Kuba-Urlaub. Und nach der Rückkehr steht das gemeinsame Essen mit seiner und der Familie von Angelo Frank an, das die beiden Freunde vor dem Kampf verabredet hatten. Der Sieger zahlt.