Varazdin. Nach dem Aus bei der Europameisterschaft und einer katastrophalen Leistung steht Christian Prokop im Zentrum der Kritik.

Christian Prokop atmete schwer. Seine Augen schwirrten durch den Raum. Er schluckte. Als der Bundestrainer mit glasigen Augen und brüchiger Stimme zum Fazit nach dem EM-Debakel in Kroatien ausholte, herrschte eine Stimmung wie auf einer Beerdigung. „Es ist enttäuschend, weil wir uns alle viel größere Ziele gesteckt haben“, sagte Prokop und sprach nach seinem völlig missratenen Turnierdebüt als Coach von einem „steinigen Weg“.

Einen Rücktritt schloss Prokop vor der Rückreise von der krachend gescheiterten Medaillen-Mission zwar aus, schließlich habe er mit der Nationalmannschaft noch „Großes“ vor, doch seine Zukunft beim Deutschen Handballverband (DHB) scheint ungewiss. Im Verband schrillen ein Jahr vor der Heim-WM mit den Halbfinalspielen in Hamburg Alarmglocken.

Zielvorgaben nicht erfüllt

Auch Bob Hanning (Berlin) wirkte am Tag nach dem bitteren Hauptrunden-Aus gegen Spanien (27:31) schwer angeschlagen. „Ich bin sehr traurig. Wir haben jetzt innerhalb von zwölf Monaten bei zwei Großereignissen die Zielvorgaben nicht erfüllt“, sagte der DHB-Vizepräsident und kündigte für die kommenden vier bis sechs Wochen eine „ernste, ehrliche und harte Analyse“ an. Der Trainer stehe für ihn persönlich „nicht zur Disposition. Wir haben den Plan, mit ihm weiterzumachen“, sagte Hanning (49).

Prokop, ausgestattet mit einem Vertrag noch bis Mitte 2022, gefielen die Fragen zu seiner Person ganz und gar nicht. „Bei allem Respekt: Wir haben eine ganz tolle EM-Qualifikation gespielt. Die Zeitungen, die hier sitzen, haben mich damals als Messias und den Julian Nagelsmann des Handballs betitelt“, sagte der 39-Jährige: „Und jetzt denke ich an Rücktritt? Ich denke, wir sollten da schon
irgendwo realistisch bleiben.“

Atmosphärische Störungen

Doch auch Hanning sind die atmosphärischen Störungen zwischen Prokop und Teilen der Mannschaft nicht verborgen geblieben. Diese waren unmittelbar vor EM-Beginn nach der vorübergehenden Ausbootung des von allen geschätzten Abwehrchefs Finn Lemke (MT Melsungen) offen zutage getreten und setzten sich im Turnierverlauf fort.

Für das mit Platz neun zweitschlechteste EM-Ergebnis einer deutschen Mannschaft fanden die selbst ernannten „Bad Boys“ dennoch klare Worte. Der Kieler Keeper Andreas Wolff sprach von einem „katastrophalen Turnier“. Nach dem Achtelfinal-Aus bei der WM 2017 setzte es die nächste herbe Enttäuschung. Und dennoch betonte Hanning, an den „unverhandelbaren Visionen“ der WM-Medaille 2019 und Olympia-Gold 2020 festzuhalten. Ob dann noch Prokop verantwortlich zeichnet, bezweifeln nicht wenige.