Hamburg. Die Eishockey-Schwestern Paula und Emily Nix trainieren bei den Crocodiles Hamburg und spielen in Ingolstadt.

720 Kilometer sind es von Hamburg nach Ingolstadt, und wer diese Strecke einmal pro Woche mit dem Auto hin- und zurückfährt, der hat eine Menge Zeit zum Reden. Der Gesprächsstoff allerdings ist Emily und Paula Nix noch nie ausgegangen, was einerseits daran liegt, dass sie regelmäßig über die Mitfahrzentrale Beifahrer finden, die sie unterhalten. Andererseits, und das ist der wichtigere Grund, teilen die beiden Hamburger Schwestern eine Leidenschaft, die immer neue Geschichten hervorbringt: Eishockey.

Emily, die als Sechsjährige auf der Eisbahn in Planten un Blomen entdeckt wurde, und Paula, die als Elfjährige vom Eiskunstlauf zum Eishockey wechselte, sind die talentiertesten weiblichen Kufencracks, die die Stadt seit der Olympiateilnahme von Nina Ritter und Denise Soesilo in Turin 2006 hervorgebracht hat. Weil es in ganz Norddeutschland kein Frauenteam gibt, das den „Eis-Nixen“ das Ausüben ihres Sports auf dem für sie notwendigen Niveau ermöglichen könnte, spielen sie seit der vergangenen Saison für den ERC Ingolstadt in der Bundesliga.

Menschlich gesehen: Eiskalte Liebe

Ihre Studienplätze in Hamburg aufzugeben – Emily (19) ist im zweiten Semester Jura, Paula (22) hat gerade ihr Masterstudium Lehramt für Deutsch, Politik und Sport angefangen – kam für sie allerdings nicht infrage. Und so nehmen sie Woche für Woche die Reisen nach Bayern oder zu Auswärtsspielen auf sich, obwohl der Verein keinerlei Kosten übernimmt. Für ihre Leidenschaft zahlen sie also drauf.

Und sie sind dazu – im übertragenen Sinn – auch körperlich bereit. Um unter der Woche in Hamburg auf hohem Niveau trainieren zu können, üben sie bei ihrem Stammverein Crocodiles Hamburg ausschließlich mit Männern. Dreimal in der Woche mit den U-19-Junioren, dienstagvormittags mit den in der Oberliga angesiedelten Ersten Herren. „Dienstags ist Techniktraining, da gibt es keinen Körperkontakt, also können wir die meisten Übungen mitmachen. Und wenn Eins-gegen-eins-Duelle gefordert sind, laufen wir einfach gegeneinander“, sagt Emily. Grundsätzlich nähmen die Männer viel Rücksicht – sowohl abseits des Eises, wo die beiden selbstverständlich eine eigene Kabine haben, als auch im Training. „Wäre ja auch sinnlos, wenn die gegen uns voll draufgehen würden. Dass sie stärker sind, müssen sie nicht beweisen“, sagt Paula.

Technisch versierte Stürmerinnen

Tatsächlich sind die körperlichen Unterschiede so gravierend, dass sich die läuferisch und technisch versierten Stürmerinnen, die schon zu Freezers-Zeiten mit deren Jugendteams trainieren durften, keinesfalls zutrauen würden, in der Oberliga anzutreten, auch wenn das theoretisch möglich wäre. Da im Frauen-Eishockey Bodychecks verboten sind, sind sie Zweikämpfe mit Körperkontakt nicht gewohnt. Das Training mit Männern habe sie indes auf ein neues Level gehoben. „Bei den Männern ist alles schneller, härter, besser. Wir profitieren davon sehr, müssen uns aber in den Bundesligaspielen auf das langsamere Spieltempo umstellen“, sagt Paula.

Wie lange die Schwestern ihren Sport in dem Umfang betreiben wollen, wissen sie noch nicht. „Natürlich ist das ein hoher Aufwand, und wir haben uns auch schon gefragt, wie lange das gehen kann. Aber im Studium kann man sich die Zeit so einteilen, dass es machbar ist. Und ohne Eishockey würde uns wirklich sehr viel fehlen“, sagt Paula, und Emily nickt. Diese stille Übereinkunft, die bei allen Antworten zu spüren ist, unterstreicht das Verhältnis der Schwestern, die ihre Beziehung untereinander als „perfekt“ beschreiben. Nach jeder Frage tauschen sie Blicke aus, um abzustimmen, wer antworten soll. Und nach der Antwort gibt es wieder Blickkontakt, um sich Bestätigung zu holen, dass die andere es genauso gesagt hätte.

Fast immer nur im Doppelpack

Kein Wunder also, dass es die Nix-Schwestern, die beide Single sind, fast nur im Doppelpack gibt. Nach Emilys Abitur waren sie im vergangenen Jahr für eine Halbserie in Schwedens Eliteliga für Jönköping aktiv, mussten das Abenteuer jedoch abbrechen, weil sie von ihrer Aufwandsentschädigung nicht einmal die Miete zahlen konnten und auch keinen Nebenjob annehmen durften. Und in Kürze wird Emily aus dem Elternhaus in Bergstedt zu ihrer Schwester in die Innenstadt ziehen.

Getrennt sind sie dagegen im Dienste des Vaterlands. Während Emily an diesem Mittwoch mit dem Nationalteam zu einem Viernationenturnier in Russland aufbricht, hat Paula ihre Karriere nach der verpassten Qualifikation für die Olympischen Winterspiele im Februar 2018 in Pyeongchang (Südkorea) beendet. „Ich stand meist auf Abruf, wurde nur zu den Turnieren eingeladen, wo keine Stammspielerin hinwollte. Darauf hatte ich keine Lust mehr“, sagt sie. Irgendwo hat eben auch die größte Leidenschaft Grenzen.