Hamburg. Der gebürtige Hamburger feiert seinen Abschied am Rothenbaum. Was er vom Legendenmatch am Sonntag gegen Michael Stich erwartet.

Bereut hat er es nie, seinen Abschied angekündigt zu haben. Das verwundert, schließlich muss er vor jedem Turnier, bei dem er in diesem Jahr aufschlägt, die gleiche Platte auflegen, um seine Antworten abzuspielen auf die immer gleichen Fragen. Wie es sich anfühlt, zum letzten Mal anzutreten. Wie es sein wird, wenn es vorbei ist mit der Karriere. Was er gedenke, mit seinem Leben nach dem Tennis anzufangen. Fragen, die Journalisten stellen, wenn ein Großer Abschied nimmt. Aber Tommy Haas hat seine Geduld bislang nicht eingebüßt.

„Es war keine bewusste Entscheidung, den Abschied anzukündigen. Irgendwann hat jemand gefragt, ob 2017 mein letztes Jahr wird, und dann habe ich zugestimmt“, sagt der 39-Jährige. Er selbst sei nicht scharf gewesen auf das Rampenlicht, in das er auf seiner letzten Reise über die Courts der Welt gezerrt wird. In den vielen Monaten, die er verletzungsbedingt aussetzen musste, weil ihn Schäden an Schulter, Hüfte, Handgelenk, Rücken und Fußknöcheln zu neun Operationen zwangen, sei ihm ein dickes Fell gewachsen. „Da habe ich gespürt, dass ich die Bühne und den Applaus nicht brauche, um glücklich zu sein“, sagt er, „trotzdem ist es schön, dass so viele Menschen Anteil an meinem Karriereende nehmen, und dass ich diese besonderen Momente mit meiner Familie teilen kann.“

Heimspiel auf der Abschiedstournee

Nun also ist Hamburg die nächste Station der Abschiedstournee, der Rothenbaum, gewissermaßen sein Heimatturnier. Haas ist in Hamburg geboren, er wuchs in der Weidenallee auf, besuchte die Grundschule in der Tornquiststraße und das Gymnasium am Kaiser-Friedrich-Ufer. 1997 schaffte er bei seiner ersten Teilnahme an der Hallerstraße gleich den Halbfinaleinzug. „Für mich ist der Rothenbaum etwas ganz Besonderes, ich freue mich jedes Mal, wenn ich hier spielen kann, aber in diesem Jahr noch etwas mehr“, sagt er. Ein Satz ist das, der auf der Platte mit den Standardantworten zwar auch vorkommt, den der einstige Weltranglistenzweite aber mit einem Nachdruck sagt, den man ihm abnimmt, auch wenn er mit dem Rothenbaum nicht immer glücklich war bei bisher elf Anläufen.

Der schwere Sand, dazu das zu häufig nasskalte Wetter – für einen verletzungsanfälligen Spieler wie Haas gibt es schönere äußere Umstände. Dennoch schaffte er es 2012 ins Endspiel, wo ihm der Argentinier Juan Monaco den Traum vom Titelgewinn zerschlug. „Ich muss zugeben, dass ich Höhen und Tiefen in Hamburg hatte“, sagt Haas. Beeindruckt habe ihn immer „die Fairness und Fachkompetenz des Hamburger Publikums“, das auch in den Jahren, in denen er chancenlos früh scheiterte, zu ihm hielt.

Haas erwartet von sich bestes Tennis

So wird es auch in den kommenden Tagen sein, wenn der Wahl-Amerikaner, der mit seiner Familie in Los Angeles lebt, seine letzten Ballwechsel auf deutschem Boden zelebriert. Die Fans feiern ihn, wo immer er auftaucht. Tommy Haas im Jahr 2017, das ist so ähnlich wie eine Wanderausstellung, von der man sich wünscht, dass sie niemals weiterziehen würde. Den Auftakt bildet am Sonntag (18 Uhr) das Legendenmatch gegen Turnierdirektor Michael Stich, für das Haas vor Monaten verpflichtet wurde, als unklar war, ob sein Körper Einsätze im Hauptfeld zulassen würde. „Wir wollten unbedingt die Möglichkeit schaffen, dass Tommy sich angemessen von den Hamburger Fans verabschieden kann“, sagt Stich, „nun besteht meine einzige Aufgabe allerdings darin, ihn für das Hauptfeld warmzuspielen.“

Was sportlich noch möglich ist, weiß der Weltranglisten-243. selbst nicht genau einzuschätzen. Klar ist aber, dass er nicht nur gekommen ist, um nett ins Publikum zu winken. „Ich bin immer noch getrieben von der Erwartung, mein bestes Tennis zu zeigen und Matches zu gewinnen. Auf keinen Fall will ich mich vorführen lassen“, sagt er. Angesichts der dünnen Decke an namhaften Stars – am Freitag sagten auch der topgesetzte Pablo Carreno Busta (Spanien) und Richard Gasquet (Frankreich) verletzt ab – ist Haas eins der Zugpferde der Veranstalter. Und er nimmt diese Rolle ernst. Nach der Ankunft am späten Mittwochabend trainierte er am Donnerstag erstmals auf der Anlage und übte am Freitag auf dem Centre-Court eineinhalb Stunden mit dem Augsburger Philipp Kohlschreiber (33). „Ich fühle mich gut“, sagt er – und unterstrich das Vertrauen in seinen Körper mit einer Meldung für die Doppelkonkurrenz, in der er mit Young­ster Daniel Altmaier (18, Kempen) antreten wird.

Seine gesamte Familie schaut zu

Ganz besonders glücklich ist der passionierte Daviscupspieler darüber, dass am Sonntag, wenn er gegen Stich offiziell zur Legende wird, die gesamte Familie zuschauen wird. Seine Eltern Brigitte und Peter sind ebenso bereits in der Stadt wie die Schwestern Sabine und Karin. Seine Schwiegermutter reiste am Freitagabend mit der jüngeren Tochter Josephine (1) an, Ehefrau Sara Foster kommt mit Valentina (6) am Sonntag nach. „Dass die gesamte Familie komplett ist, das gab es bislang in diesem Jahr noch nicht, und das bedeutet uns allen sehr viel“, sagt er.

Der Abschied aus Hamburg wird kein end­gültiger sein, Haas wird wiederkommen, ob als Tourist oder in irgendeiner Funktion im Tennis, aktuell ist er bereits Turnier­direktor in Indian Wells. „Ich werde dem Tennis immer verbunden bleiben“, sagt er. Die Tennisfans ihm auch, wie es aussieht.